Kritik an Lehrerausbildung: Mehrsprachigkeit "sträflich vernachlässigt"

Die Presse (Clemens Fabry)
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Eine Studie sieht beim Umgang mit sprachlicher und kultureller Diversität in Österreich vor allem Lippenbekenntnisse.

Österreich hat eine lange Geschichte der Zuwanderung, 2016/17 hatte ein Viertel aller Schüler nicht Deutsch als Umgangssprache. In der Lehrerausbildung werde kulturelle und sprachliche Vielfalt trotzdem weiter "sträflich vernachlässigt", kritisiert Klaus-Börge Boeckmann von der Pädagogischen Hochschule (PH) Steiermark anlässlich einer Tagung der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und der Uni Wien.

Jeder Lehrer jedes Fachs und jeder Schulstufe müsse dazu in der Lage sein, Schüler an Deutsch als Bildungssprache heranzuführen. Dafür müssten Lehrer ihr Fachwissen so vermitteln können, dass die Schüler nicht vor sprachliche Hürden gestellt werden, betont Boeckmann gegenüber der APA. Er ist heute, Donnerstag, einer der Vortragenden bei der fünften Jahrestagung der Migrations- und Integrationsforschung in Österreich, die vom 5. bis 7. Dezember in Wien stattfindet.

In der Lehrerbildung werde beim Thema Diversität teilweise einfach weggeschaut, sagt der PH-Professor für Mehrsprachigkeit und Deutsch als Zweitsprache. Die angehenden Pädagogen würden weiter im Unterrichten eines fiktiven Normschülers deutscher Muttersprache und mit österreichische Vorfahren geschult - auch, weil es vielen für allgemeine Pädagogik zuständigen Lehrenden an Unis und PH "nicht so ein Herzensanliegen zu sein scheint".

Verpasste Chance

Die Reform der Lehrerausbildung für Volksschulen (2015/16) und die Sekundarstufe (2016/17) ist für Boeckmann eine verpasste Chance. Zwar seien die neuen Studienpläne im Vergleich zu früheren eine Verbesserung und es fänden sich etwa in den Präambeln wortreiche Bekenntnisse zum Diversitätsgedanken. Zu einem guten Teil seien es allerdings Lippenbekenntnisse, konkrete Studieninhalte von relevantem Ausmaß gebe es im Pflichtstudium kaum. "Hier hapert es noch gewaltig", hofft er auf Nachbesserungen bei kommenden Überarbeitungen der Studienpläne.

Zwar gebe es im Primarbereich an allen Hochschulen Spezialprogramme zu Diversität, die teils auch sehr solide Kenntnisse vermitteln. Weil es sich aber um Wahlangebote handelt, werde nur ein kleiner Teil der angehenden Lehrer erreicht. An den Volksschulen sind es laut Boeckmanns Studie 16 Prozent und das vor allem in Süd- und Ostösterreich. Der Umgang mit Diversität sei allerdings "kein 'Spezialprogramm' für einzelne Lehrpersonen, sondern ein zentrales Thema in der gegenwärtigen Bildungslandschaft".

Im Sekundarbereich - also etwa Neue Mittelschule, AHS, berufsbildende und mittlere Schulen (BMHS) - kommt sprachsensibler oder sprachbewusster Unterricht im Bachelorstudium insgesamt kaum vor, zeigt Boeckmanns beispielhafte Analyse der Studienpläne vom Entwicklungsverbund Süd-Ost (Steiermark, Kärnten, Burgenland). Nach Rückmeldungen der Schulaufsicht seien allerdings wenigstens die Curricula für den Master abgeändert worden.

Ob damit aber tatsächlich alle Sekundarlehrer im Entwicklungsverbund Süd-Ost im Master ein "Diversitätsmodul" belegen werden, ist freilich nicht sicher. Boeckmann hält es nämlich für "eher unwahrscheinlich", dass die künftigen Junglehrer wie vorgesehen berufsbegleitend ein Masterstudium absolvieren, um eine fixe Anstellung zu erhalten.

(APA)

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