Uni Wien: Der Saal der Tausenden Sponsionen

Die Decke des großen Festsaals. Das Hauptbild ist von Franz Matsch, ebenso die Theologie (links oben), die übrigen drei Fakultätsbilder stammen von  Gustav Klimt. Die kleinen Bilder rundherum sind personifizierte Wissenschaften.
Die Decke des großen Festsaals. Das Hauptbild ist von Franz Matsch, ebenso die Theologie (links oben), die übrigen drei Fakultätsbilder stammen von Gustav Klimt. Die kleinen Bilder rundherum sind personifizierte Wissenschaften.(c) APA/BIG/HANNES BUCHINGER (HANNES BUCHINGER)
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Nach einem Jahr der Restaurierung ist der Große Festsaal wieder zugänglich. Inklusive der Klimt-Bilder, über die einst heftig gestritten wurde.

Wien. Eine Zeitlang mussten Rektor und Vizerektoren einen eher originellen Weg nehmen, wenn sie sich an der Uni Wien in Festkleidung zu einer Sponsion aufmachten: durch einen eigens kreierten Tunnel unter dem Gerüst im Großen Festsaal, um Absolventen nebenan im Kleinen Festsaal mit ihrem akademischen Grad und ein paar Weisheiten auszustatten. Damit ist es nun vorbei: Titel werden ab jetzt wieder im Großen Saal verliehen – wie Zigtausende zuvor. Ohne dass jemand durch einen Tunnel muss.

Nach einem Jahr der Restaurierung ist der Festsaal wieder geöffnet. Ohne Baugerüste, ohne Restaurateure, ohne Werkzeug. Und ohne das Sicherheitsnetz, das seit mehr als zehn Jahren über die ganze Deckenfläche gespannt war – um Jungakademiker, Forscher oder neue Professoren vor den Zierelementen zu schützen, die herunterzubrechen drohten. Der zentrale Repräsentationsraum der Universität, ihr Herzstück, ihre Visitenkarte war merkbar angeschlagen.

„Pornografie und Perversion“

Um rund 1,5 Millionen Euro ist der Festsaal nun gemeinsam von der Uni, der Bundesimmobiliengesellschaft und dem Bundesdenkmalamt restauriert worden. Und war schon vor dem öffentlichen Startschuss wieder besetzt – zunächst von Mathematikern, dann von der Marie-Curie-Forschervereinigung. Überhaupt ist er selten leer: An 300 Tagen im Jahr ist der Saal, der rund 300 Menschen fasst, belegt.

Neben Kongressen und Sponsionen – allein im Jahr vor der Restaurierung feierten dort insgesamt rund 3500 Jungakademiker – auch mit Antrittsvorlesungen oder Preisverleihungen, mit Studierendenmessen oder Vorträgen. In zwei Wochen etwa kommt der Chemienobelpreisträger Jean-Marie Lehn, der seinen Ehrendoktor abholt.

Der Spitzenforscher wird dabei von der 20 Meter hohen Decke des Saales aus von kritischen Allegorien der Wissenschaft begleitet – drei Motiven von Gustav Klimt, die einst einen veritablen Skandal ausgelöst hatten: 1894 hatten Klimt und Franz Matsch den Auftrag bekommen, die schon von Architekt Heinrich von Ferstel vorgesehenen Deckengemälde zu gestalten. Das zentrale Bild („Triumph des Lichts über die Finsternis“) und die Theologie übernahm Matsch, die übrigen drei Fakultäten – Philosophie, Medizin und Jurisprudenz – gingen an Klimt. Er legte letztlich Werke vor, die nackte Körper und eine kritisch-pessimistische Sicht auf die Wissenschaft vereinten. Es folgten Vorwürfe der „Pornografie“ und der „Perversion“. Nach Sanktionen seitens des Ministeriums zog Klimt seine Bilder 1905 zurück.

Erst 100 Jahre später gelangten zumindest die Motive aller vier Bilder an den Ort ihrer Bestimmung – Klimts Originale verbrannten 1945 auf Schloss Immendorf, Matschs originales Fakultätsbild ist auf der Theologie. Das Leopold-Museum produzierte 2005 auf Basis von Fotos Repliken in Schwarz-Weiß und stellte sie der Universität zur Verfügung. Die restaurierten Reproduktionen der vier Bilder hängen nun wieder an der Decke, flankiert von personifizierten Wissenschaften.

Neujahrsballett im Festsaal

Ausnahmsweise gibt es dort übrigens auch nicht wissenschaftliche Events: So wurden die Ballettsequenzen für das Neujahrskonzert 2015 unter anderem im Festsaal gedreht. Den Raum kennen seitdem also nicht mehr nur Forscher und Absolventen, sondern Millionen Menschen weltweit. Bloß eben in unrestauriertem Zustand.

Auf einen Blick

Der große Festsaal ist die Visitenkarte der Uni Wien. Er ist an 300 Tagen im Jahr gebucht – etwa für akademische Feiern oder Kongresse. Ein Jahr lang wurde er um rund 1,5 Millionen Euro restauriert. Diese Woche gibt es kostenlose Sonderführungen. Die ersten Termine sind bereits ausgebucht. Am Mittwoch 18-19.00 Uhr hat die Uni noch einen Termin eingeschoben. Anmeldung erforderlich unter: event.univie.ac.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.02.2019)

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