SPÖ-Schwenk bei Studiengebühren

(c) FABRY Clemens
  • Drucken

Die roten Landeshauptleute können sich die Wiedereinführung der Studienbeiträge vorstellen. Die SPÖ ringt um eine einheitliche Linie. Die Bedingung ist, Gebühren dürfen keine „soziale Barriere“ sein.

Wien. Er könne sich „am Ende des Tages einen Kompromiss“ zur Einführung der Studiengebühr vorstellen. Durch diesen Satz des Wiener Bürgermeisters, Michael Häupl, geriet am Montag seine Partei ins Wanken: In der SPÖ bröckelt nach jahrelangem Widerstand die Front gegen flächendeckende Studiengebühren – und das schnell.

Nach Michael Häupls Schwenk in einem „Kurier“-Interview meldeten sich auch die anderen SPÖ-Landeschefs zu Wort: Neben der Salzburger Landeshauptfrau, Gabi Burgstaller, die sich schon bisher für Gebühren aussprach, können sich nun auch der steirische SPÖ-Chef, Franz Voves, sowie Burgenlands Hans Niessl eine Wiedereinführung vorstellen.

Die Bedingung, die alle vier nennen: Die Gebühren dürfen keine „soziale Barriere“ sein. Das Studium dürfe „nicht zum Privileg einiger weniger verkommen“, sagte Häupl. Vorstellbar wäre etwa eine soziale Staffelung der Studienbeiträge. Oder, wie es Niessl plastisch formuliert: „Für jene, die mit dem Mercedes zur Uni oder in die Fachhochschule kommen“, sei ein Kostenbeitrag denkbar. „Warum soll der Sohn des Generaldirektors oder des Spitzenpolitikers nicht zahlen?“

Bis Montagmittag hielt sich zumindest die Bundespartei an die bisherige Linie. Dann erklärte Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter, sich die Einführung „mittelfristig“ ebenfalls vorstellen zu können. Bis 2013 sei budgetär für das Geld, das durch Studiengebühren zu erzielen wäre, vorgesorgt. Danach aber könne es Änderungen geben.

Wenig begeistert zeigte sich darüber Kräuters Kollegin Laura Rudas: „Wenn er meint, dass Studiengebühren jetzt ein Thema sind, bin ich nicht seiner Meinung“, sagt Rudas im „Presse“-Interview (siehe Seite 2). Auch im Unterrichtsministerium herrscht Verärgerung über den offenbar nicht koordinierten Vorstoß. Claudia Schmied erklärte, sich weiter an die Parteibeschlüsse zu halten. „So wie es jetzt ausschaut, müssen wir da in der Partei aber Gespräche führen.“

DiePresse

Ein „Verrat an Bruno Kreisky“?

Die roten Landeschefs sind mit ihrem Vorstoß Vorreiter eines Richtungswechsels, der parteiintern bereits seit Längerem für Kontroversen sorgt: Die SPÖ beharrte bislang „aus ideologischen Gründen“ auf dem freien Hochschulzugang. Das Thema sei eine „total emotionale Geschichte“, sagte Häupl noch vor wenigen Monaten bei einer Abendveranstaltung. „Man würde es als Verrat an Bruno Kreisky ansehen“, wenn man neuerlich Gebühren zustimmte.

Der damalige Kanzler Kreisky hat im Jahr 1973 das Ende der Studienbeiträge verfügt, erneut eingeführt wurden sie im Jahr 2001 von der schwarz-blauen Regierung. In einer (mittlerweile legendären) Nationalratssitzung vor der Wahl 2008 wurden die Gebühren von 363,36 Euro mit den Stimmen von SPÖ, FPÖ und Grünen erneut de facto abgeschafft. Zahlen müssen nur noch all jene, die die Mindeststudiendauer überschritten haben und nicht in eine der Ausnahmeregelungen fallen. Insgesamt zahlen nur 15 Prozent der Studenten Gebühren.

Von den „ideologischen Motiven“ sei mittlerweile wenig über, sagen parteiinterne Kritiker. Allein die Angst, erneut als „Umfaller“ dazustehen, habe die Parteispitze bisher daran gehindert, dem Koalitionspartner ÖVP den Wunsch nach Wiedereinführung zu erfüllen.

ÖVP will gemeinsames Modell

Die ÖVP zeigte sich am Montag ebenso überrascht wie erfreut: Es sei schön, dass „die vernünftigen Stimmen innerhalb der SPÖ weiter zunehmen“, sagt Wissenschaftsministerin Beatrix Karl. Sie wolle „die Chance beim Schopf packen“ und die SPÖ einladen, „ein sinnvolles Konzept“ samt sozialer Absicherung zu erarbeiten. In den Tagen zuvor hatte sich zwischen ÖVP und SPÖ ein Koalitionsstreit abgezeichnet: Ministerin Karl ist verärgert, dass die SPÖ ihre bei der Klausur in Loipersdorf gegebene Zustimmung zur Platzbeschränkung an den Unis zurückzunehmen droht.

Kritik an der Studiengebührendebatte kam am Montag vor allem von der Opposition: Es handle sich um eine reine „Geldbeschaffungsaktion“, sagt FPÖ-Wissenschaftssprecher Martin Graf der „Presse“. „Statt eine echte Uni-Reform zu präsentieren, versucht die Regierung zu verhindern, dass Jugendlichen studieren.“ Die Grünen fordern eine Klarstellung von Kanzler Werner Faymann, dass die bisherige SPÖ-Position weiter gelte. Das BZÖ reagierte am Montag positiv: Langsam kehre „auch bei der SPÖ Vernunft ein“.

Auf einen Blick

Die Studiengebühren wurden in Österreich zwei Mal abgeschafft: 1973 verfügt Kanzler Bruno Kreisky (SPÖ) das Ende der Beiträge, die seit dem Zweiten Weltkrieg eingehoben werden. 2001 führen ÖVP und FPÖ die Studiengebühr in Höhe von 363,36 Euro wieder ein. 2008 werden sie von SPÖ, FPÖ und den Grünen als „Wahlzuckerl“ erneut de facto abgeschafft. Die meisten europäischen Länder (außer Skandinavien) heben Gebühren ein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Hochschule

Hohe Gebühren und kreative Kreditmodelle

Uni-Finanzierung im Vergleich. In vielen Staaten hängt die Höhe der Uni-Gebühren von der Studienrichtung ab. Auch die Hochschulbudgets orientieren sich an den tatsächlichen Kosten. Das heimische Uni-System kann vieles vom Ausland lernen.
Karl bdquoAn Unis herrscht
Hochschule

Karl: „An den Unis herrscht Alarmstufe Rot“

Uni-Ministerin Beatrix Karl will mit den SPÖ-Landeschefs ein Studiengebührenmodell erarbeiten und wirft dem Koalitionspartner vor, „die Unis gegen die Wand zu fahren“.
Hochschule

Rektoren: Zugangsregeln müssen bis Jänner stehen

Die Uni-Chefs sind erfreut über SPÖ-Debatte um die Wiedereinführung der Studiengebühren, aber verärgert über die SPÖ-Intervention beim Uni-Zugang. Sie warnen vor einem Ansturm deutscher Studenten.
Hochschule

Steirischer Vorschlag für bundesweite Gebühren an den FH

Vorstoß der Wissenschaftslandesrätin stößt auf Ablehnung bei Studierenden und Vorbehalten beim Fachhochschulrektorat.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.