Der ehemalige Chef der Grünen, Alexander Van der Bellen, verlässt den Nationalrat. Auch den Posten als Uni-Beauftragter der Stadt Wien wird er aufgeben. Er freue sich aber "auf das Neue im Rathaus".
Alexander Van der Bellen verlässt den Nationalrat und wechselt in den Wiener Gemeinderat. Das bestätigte ein enger Mitarbeiter gegenüber DiePresse.com. Van der Bellen folgt damit Sigrid Pilz nach, die Wiener Patientenanwältin wird. Das somit freiwerdende Mandat im Nationalrat wird der frühere Grüne Budgetsprecher Bruno Rossmann übernehmen.
"Es blieb ein Makel haften, dass ich den Wählerauftrag nicht angenommen habe", sagte der Professor am Donnerstag in einer Pressekonferenz. Er hatte bei der Wien-Wahl 2010 einen "erstaunlich erfolgreichen" Vorzugsstimmenwahlkampf geführt, sich aber schließlich doch entschlossen, im Nationalrat zu bleiben: "Das hat mich beschäftigt die letzten 18 Monate." Nun wolle er mit seinem Einzug ins Rathaus diesen Makel beseitigen.
Als Wiener Abgeordneter möchte sich Van der Bellen vorrangig den Bildungs- und Forschungsagenden widmen, betonte er. Seine ehrenamtliche Tätigkeit als Universitäts-Beauftragter der Stadt wird der 68-Jährige allerdings aufgeben. Es gebe aber die Übereinkunft mit SP-Bürgermeister Michael Häupl und Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne), dass diese "wichtige Funktion" erhalten bleibe, allerdings neu zu besetzen sei.
"Freue mich auf das Neue im Rathaus"
Offiziell angelobt wird Van der Bellen im September in der ersten Gemeinderatssitzung nach der Sommerpause. Seine Arbeit in der Bundeshauptstadt will er bereits im Juli aufnehmen. "Ich freue mich auf das Neue im Rathaus, es ist ja nicht irgendein Rathaus", verwies Van der Bellen auf die "spannende Stadt" Wien. Außerdem habe er im Nationalrat fast zwei Jahrzehnte lang Oppositionsarbeit gemacht. "Jetzt komme ich in eine Regierungsfraktion, wobei sich das Klima zwischen den Koalitionsparteien noch dazu völlig anders darstellt als im Bund, wo die täglichen Knirschstellen unüberhörbar sind."
Van der Bellen hatte im Wiener Wahlkampf 2010 den Sprung vom unwählbaren 29. auf den ersten Listenplatz geschafft. Dies gelang ihm durch knapp 12.000 Vorzugsstimmen. "11.952 Wienerinnen und Wiener werden in den Gemeinderat einziehen", freute sich demnach Klubchef David Ellensohn am Donnerstag. Er sei "sehr froh" über die "kompetenzmäßige Verstärkung".
"Go, Professor, Go" - So lautete ein T-Shirt-Slogan von Fans des Grünen Alexander Van der Bellen im Wiener Wahlkampf 2010. Der Ex-Bundessprecher schob sich mittels Vorzugsstimmen vom unwählbaren 29. auf Platz 1 der Landesliste vorgeschoben. Dennoch zog er zunächst nicht in den Gemeinderat ein, sondern blieb im Nationalrat. Das brachte ihm den Vorwurf der Wählertäuschung ein. Nun, mehr als eineinhalb Jahre nach der Wahl, wechselt Van der Bellen doch ins Stadtparlament. (c) Reuters (Bader)
Seinen Posten als Sonderbeauftragter der Stadt für Universitäts-und Wissenschaftsangelegenheiten, den er nach der Wien-Wahl antrat, will Van der Bellen zumindest interimistisch behalten. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
Der Wirtschaftsprofessor gilt als untypischer Politiker und ist bekannt für seine - je nach Lesart - "bedächtige" oder "einschläfernde" Art. Diese Art dürfte jedenfalls mit ein Grund für die seit Jahren konstant hohen Sympathiewerte des Kettenrauchers in der Bevölkerung sein. (c) APA (ROBERT JAEGER)
Am 18. Jänner 1944 in Wien als Sohn einer estnischen Mutter und eines russischen Vaters mit holländischen Wurzeln geboren, wuchs Van der Bellen im Tiroler Kaunertal auf, wo er heute noch seine Ferien verbringt. (c) AP (Ronald Zak)
Er studierte Volkswirtschaft in Innsbruck. 1980 wurde er ordentlicher Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Wien. (c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
Seine politische Karriere startete Van der Bellen recht spät. Entdeckt wurde der Volkswirtschaftsprofessor vom grünen Urgestein Peter Pilz. 1992 kandidierte er für die Grünen für das Amt des Rechnungshofpräsidenten, 1994 wurde er Nationalratsabgeordneter. (c) AP (Hans Punz)
Sein Amt als Parteichef trat er 1997 mit dem Ziel an, "die Partei endlich einmal von dieser existenzbedrohenden Vier-, Fünf-Prozent Marke wegzubekommen". Das schaffte er: Der Professor verpasste den Grünen einen bürgerlichen Anstrich verpasst, durch den es die Partei schaffte, mehr als eine Splittergruppe zu sein. (c) APA (HERBERT PFARRHOFER)
Die Grünen erreichten unter Van der Bellen viel: Etwa Platz drei bei der Nationalratswahl 2006 samt Spitzenjobs in Volksanwaltschaft und Nationalratspräsidium. Große Hürden wie das nicht gerade minderheitsfreundliche Landeswahlrecht in Kärnten wurden übersprungen. Im Bild: Eva Glawischnig, Peter Pilz, Alexander Van der Bellen, Freda Meissner-Blau (c) Die Presse (Bruckberger)
Als fünf Mal wieder gewählter Bundessprecher innerhalb der früher oft intern zerstrittenen Grünen war Van der Bellen Rekordhalter. Nach dem enttäuschenden Ergebnis bei der Nationalratswahl im September 2008 war seine Zeit allerdings gekommen: Er räumte den Chef-Sessel für Eva Glawischnig. (c) AP (Ronald Zak)
Ein großes Ziel blieb Alexander Van der Bellen verwehrt: Die Grünen in die Bundesregierung zu führen. (c) AP (Ronald Zak)