Gesundheitsmanagement: Mit BWL zum Oberarzt

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Der Blick weit übers eigene Fachgebiet hinaus ist längst Pflicht geworden: Auch Ärzte müssen vernetzt und vor allem wirtschaftlich denken lernen.

Ob Krankenhaus, Gruppenpraxis oder private Ordination: Wo es um Gesundheit geht, spielt Wirtschaftlichkeit eine immer größere Rolle. So können Gruppenpraxen nun auch als GmbH geführt werden und als Geschäftsführer auch Nichtmediziner eingesetzt werden – allerdings ohne Beteiligung. In Krankenhäusern ist es mittlerweile üblich, dass sowohl medizinische, kaufmännische sowie Pflegedienstleitung über eine Managementausbildung verfügen, betont Johannes Steyrer, Leiter des Professional MBA Health Care Management an der Executive Academy der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien.

Und nicht nur auf der obersten Führungsebene geht es heute ohne wirtschaftliches Denken nicht mehr. „70 Prozent der Entscheidungen, die in einem Krankenhaus fallen, werden von Medizinern getroffen.“ Eine der Konsequenzen: An vielen Spitälern ist bereits für ein Primariat eine Ausbildung in Gesundheitsmanagement notwendig.

Vernetzung

MBAs in Gesundheitsmanagement gibt es an der WU, an der Medizinischen Universität Wien (in Kooperation mit der Uni Wien), der Donau-Uni Krems, der Body and Health Academy, der University of Salzburg Business School (SMBS – Business School der Uni Salzburg). Zielgruppe sind hier Akademiker – und dabei vor allem Mediziner. Doch Führungsaufgaben haben im Medizinsektor nicht nur Ärzte inne: Es gibt auch den großen Bereich der Pflege. Hier setzen Lehrgänge an, die zum akademischen Gesundheitsmanager ausbilden. In allen Studien- und Lehrgängen werden Kenntnisse in den Bereichen Management, Controlling, Gesundheitsökonomie, Gesundheitspolitik, Qualitätsmanagement, Patientensicherheit durch Risikomanagement, Fehler- und Beschwerdemanagement, Recht im Gesundheitswesen sowie Führungsverhalten, Konfliktmanagement und strategische Verhandlungsführung vermittelt.

Was die angehenden Führungskräfte aber vor allem lernen: über den Tellerrand der eigenen medizinischen Einrichtung hinauszuschauen. „Zukünftige Gesundheitsmanager sollten vor allem erkennen, dass eine isolierte Betrachtung des Krankenhauswesens nur zu einer Vergrößerung der Probleme im Gesundheitswesen führen kann“, sagt Andrea Gruber, Fachbereichsleiterin Gesundheitsmanagement an der Donau-Uni. Erforderlich ist daher eine verstärkte Integration innerhalb des Gesundheitswesens – ambulante und stationäre Versorgung – und zwischen den sozialen Betreuungsdiensten, also Vor- und Nachsorgeeinrichtungen.

Junge Disziplin

Gesundheitsmanagement ist eine junge Disziplin, betont Eva Stainer, MBA-Programmmanagerin an der SMBS. „Aber sie ist heutzutage unverzichtbar: Umbau des Gesundheitswesens, Vernetzung von Untersuchungen und Behandlungen der Patienten, Umstellung der Finanzierung auf Fallpauschalen und Qualitätssicherung sind aktuelle Themen, die sich gegenseitig bedingen“, so Stainer. Alle diese Gesichtspunkte müssen berücksichtigt werden. Gesundheitsmanagement sei nicht Verwaltung, technischer Dienst oder Dienstleistung, „sondern eine neue Technik, die auf der Basis des Medizingeschehens der Steuerung des Ganzen dient“. Alle Experten nennen als vorrangiges Ziel: die Kosteneindämmung bei gleichbleibend guter Qualität. In Österreich sei dies immer noch nicht gelungen, betont Steyrer. Einer der Gründe: die Vielzahl an Spitälern, die Parallelversorgung durch Fachärzte und Krankenhäuser. Er empfiehlt daher die Einrichtung von Zentren. Beispiel Bypass-Operation. Nur wo viele solcher Eingriffe vorgenommen würden, stimme auch die Qualität, gebe es also weniger Komplikationen – davon profitieren nicht nur die Patienten, es fallen auch weniger Kosten an.

Kosteneindämmung heißt aber auch: weg von der Notfall- und hin zur Präventivmedizin. „Gesundheitsförderung im modernen umfassenden Sinn wird an Bedeutung zunehmen, weil dann alle Lebensbereiche an Lebensqualität gewinnen und bei vielen Krankheiten die Gesundheitsreserven des Erkrankten für den Heilungserfolg von großer Bedeutung sind“, meint Johannes Kainberger, Direktor der Body and Health Academy.

An der Donau-Uni trägt man dem Trend in Richtung Prävention Rechnung und setzt ab diesem Wintersemester hier einen Fokus mithilfe der Module „Public Health und Gesundheitsförderung“ sowie „Betriebliches Gesundheitsmanagement“, so Gruber. Diese können auch von Studierenden anderer Universitätslehrgänge im medizinischen Bereich, etwa „Rettungsdienstmanagement“, „Pharmamanagement“ oder „Midwifery“, belegt werden.

An der Body and Health Academy betont man in Sachen Prävention die Notwendigkeit eines positiven Lebensstils. Kainberger will hier schon im Kindesalter ansetzen. „In Kindergärten und Schulen sind der Entwicklung, Festigung und Einübung eines gesunden Lebensstils größte Bedeutung zu schenken. Kindergesundheitstrainer sind auszubilden und zu beschäftigen. Die Aufgaben der Kindergarten- und Schulgesundheitscoaches müssen über das, was Schulärzte normalerweise tun, weit hinausgehen.“ Was Not tut, ist also die ganzheitliche Betrachtung. Ernährung, Bewegung, Gefühlsmanagement sind Faktoren der Gesundheitserhaltung.

Steyrer nennt ein konkretes Beispiel: die Zunahme der stark übergewichtigen Menschen. Folgeprobleme wie Diabetes, Dialyse-Fälle seien unausweichlich. Der Chirurg habe hier den Zugang, ein Magenband einzusetzen. „Wir wissen aber, dass Gewichtsprobleme oft soziale und psychologische Ursachen haben – hier müssen wir ansetzen.“ Auch solche Aufgaben habe das Gesundheitsmanagement zu übernehmen

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.10.2010)

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