Nices Life: Zweisprachigkeit rocks!

Wer seine Kinder „ausländisch“ erzieht und nicht selbst fremd- beziehungsweise zweisprachig ist, wird in unseren Breiten meistens schief angeschaut. – Selten jedoch, weil man ihn sprachlich nicht versteht.

"Sind Sie Engländer?" ist die häufigste erste Reaktion, wenn jemand mitbekommt, dass ich mit meinen Kindern Englisch spreche. Nein, lächle ich dann zurück, in Erwartung auf die nächste mir bereits bekannte Frage (ob ich mein Gegenüber daran erinnern sollte, dass auch in den USA, in Kanada, Australien, Neuseeland, Trinidad und Tobago, auf den Philippinen, in Jamaika und in 28 weiteren Ländern Englisch die offizielle Sprache ist? Heute nicht.): Wieso sprechen Sie dann Englisch mit Ihren Kindern?

Skepsis ist Programm

Warum fühlen sich der lesebebrillte Mittsechziger in der Feinkostabteilung, die buntbehandschuhte Bankerlnachbarin im Donaupark oder der wasserstoffperoxidgebleichte Zahnarzt im Dritten nun bemüßigt, mir ihre Vorbehalte erklären zu müssen?

Sie haben alle ähnliche Bedenken: Sie trauen einem Nicht-Muttersprachler keine so hohe Sprachkompetenz zu, dass es für Wörter wie Popscherlcreme, Spinatpapperl und Speibsackerl reichen würde. Bis zu einem Muttersprachenniveau würde man nie aufsteigen können, nicht mal mit einem abgeschlossenen Anglistikstudium – warum also so tun, als wäre man ein Native Speaker, und den Kindern dabei ein möglicherweise „falsches“ Englisch auf niedrigerem Niveau beibringen?

Außerdem meinen sie, dass es für sie viel zu mühsam wäre, sich ständig in einer fremden Sprache ausdrücken und mitteilen zu müssen. Vor allem nach einem anstrengenden Tag im Park beziehungsweise nach dem dritten Glas Prosecco oder der fünften Wurstsemmel mit Gurkerl und einer Scheibe Gouda.

Die Kinder könnten des Weiteren keinen wirklichen Duktus entwickeln, wenn sie sich nicht von Anfang an auf eine Sprache festlegen würden. Sie wären nur verwirrt und man nähme ihnen die Möglichkeit, zumindest in einer Sprache „zu Hause“ zu sein.

Und schließlich – und das ist die Hauptangst der mittelalterlichen Banknachbarin beim Zahnarzt – wäre man in einer anderen Sprache nicht man selbst. Man müsste sich ständig verstellen und seine kulturellen und persönlichen Wurzeln verneinen.

Die bessere Alternative

Zugegeben: Mit „Bottom ointment“, „creamed baby spinach“ und „sick bag“ aufwachsen zu müssen, gleicht einem kulturellen Ramadan, doch überlebt haben meine Kinder diesen auch ohne österreichische Sprachfeinkost. Und dass ich beziehungsweise meine Kinder nie das Niveau eines Native Speakers erreichen werden, stört mich gar nicht: Damit sind wir nämlich in der Überzahl (auf weltweit 339 Mio. Muttersprachler kommen 603 Mio. Menschen, die Englisch als Zweit- beziehungsweise Fremdsprache benutzen).

Und anstrengend ist sprechen allemal. Genauso wie wickeln, kochen und putzen. Doch tut man diese Dinge gerne, um seinen Kindern das Leben so angenehm wie möglich zu machen. Und wenn man von Anfang an nichts anderes gewöhnt ist, fällt die Verwendung einer anderen Sprache kaum ins Gewicht.

Dass meine Kinder sprachlich nirgendwo zu Hause sind, stimmt außerdem nicht. Ihre Muttersprache ist Deutsch (guess what: ihre Mutter spricht Deutsch mit ihnen und fast ihr gesamtes Umfeld tut dies auch) und das wird auch immer so bleiben.

Was jedoch stimmt: Durch den simultanen Erwerb zweier Sprachen legt sich das Sprachzentrum im Gehirn anders an als beim Erwerb nur einer Sprache, was wiederum bewirkt, dass man jede weitere Sprache leichter erlernen kann.

Zudem eröffnet man dem Kind mit einer weiteren Sprache eine zweite Welt an Kindergeschichten, Liedern, Märchen, Mythen und anderem Kulturgut, auf das sie andernfalls nur in Übersetzung zurückgreifen oder im schlimmsten Fall verzichten müssten (natürlich wäre es auch in der Oberstufe nicht zu spät, Curious George, Pepper Pig oder Caillou zu lesen...).

Auch der Alltag belohnt's einem manchmal

Neben dem offensichtlichsten Grund, ein Kind zweisprachig zu erziehen, dass es nämlich zwei Sprachen beherrscht, ohne diese je wirklich gelernt zu haben (es hat sie nämlich erworben), beschert einem schließlich auch der Alltag Geschichten, die alleine es schon wert sind, das Projekt zweisprachige Erziehung einzugehen:

Als ich eines Nachmittags die Süd-Ost-Tangente entlang fuhr, nutzte ich die Zeit, meinen Kindern ein wenig Nachhilfe in allgemeiner Musikkunde zu geben. Wir hatten gerade Lieder von Switchfoot, Relient K und Muse gehört, da sagte ich zu ihnen: „Listen, kids, this is a song by U2.“ Nachdem meine Söhne ungefähr eine halbe Minute zugehört hatten, fragte der kleinere (4) den größeren (8): „Sind das wirklich wir?“

Ungern nur wollte ich auf solche Geschichten verzichten...

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.