Noricums Kanone brachte den Tod

Super-Haubitze (2. Teil). Mitwisser erlagen reihenweise mysteriösen Herzattacken.

Die in den Achtzigerjahren im Lienzer Voest-Werk "Noricum" produ zierte Superkanone brachte den handelnden Personen offensichtlich den Tod ins Haus. Denn da gab es - nach Herbert Amry, Heribert Apfalter und dem kanadischen Kanonenerfinder Bull - noch einen vierten Toten. Es war neuerlich Herzschlag.

Der Linzer Waffenhändler Alois Weichselbaumer war ein Spezi des 1977 zum Rücktritt gezwungenen Verteidigungsministers Karl Lütgendorf. Weichselbaumer hatte sich nach der Pleite eines Bordells namens "Anabella" lukrativeren Geschäften zugewandt. Ob und wie tief der Waffenhändler in die Noricum-Affäre verstrickt war, blieb ungeklärt, denn am 8. Februar 1989 versagte das Herz des begeisterten Waidmannes, der längst selbst zum Gejagten geworden war: Das Heeresnachrichtenamt hatte den Mann im Visier. Michael Sika, damals Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, brachte die Spekulationen auf den Punkt: "Waffenhandel ist ein exponierter Beruf - genauso wie der Beruf des Politikers. Da kann man unter Umständen auch an den Aufregungen sterben." Und das meinte der Mann gar nicht ironisch.

Nicht nur Waffendealer sterben rasch und recht mysteriös, wie sich bald zeigen sollte. Wir zählen inzwischen den 5. Todesfall: Am 14. Oktober 1990 versagte das Herz des pensionierten ranghöchsten österreichischen Polizeibeamten, des Sektionschefs Robert Danzinger. Der rüstige und bis dahin kerngesunde 63-jährige SPÖ-Parteigänger hatte kurz davor seine Zeugenladung für den Linzer Noricum-Prozess bekommen. Und ein Freund berichtete, dass er fest entschlossen gewesen sei, dort "auszupacken". Doch dazu kam der ehemalige "Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit" nicht mehr. "Herzversagen. Natürliche Todesursache" stellte die Gerichtsmedizinerin in Wien fest.

Danzinger - ein weiteres Opfer durch Stress, der dann auftritt, wenn Loyalität gegenüber dem vorgesetzten Minister mit der Wahrheitspflicht bei einem Gerichtsprozess in Konflikt gerät. Danzinger - oberster Sektionschef im Innenministerium - war 1982 mit seinem damaligen Ressortchef Erwin Lanc auf Dienstreise im Irak des Saddam Hussein. Der Diktator erwähnte dabei auch die ihm versprochene Lieferung von 100 Super-Haubitzen durch die Voest. Lanc hatte aber einen Export nur nach Jordanien genehmigt. Und Danzinger ahnte als gewiefter Kriminalist, dass hier ein Scheingeschäft abgewickelt werden sollte. Er hütete sich, die Hintergründe zu erforschen.

Im Februar 1989 war Innenminister Karl Blecha bereits wegen der zuvor geplatzten "Lucona"-Affäre zurückgetreten, gegen 18 Noricum- und Hirtenberger-Manager wurde die Anklage erhoben, 14 davon wurden wegen Neutralitätsverletzung verurteilt - alle zu bedingter Haft. Erst als bereits gerichtliche Voruntersuchungen gegen den früheren Bundeskanzler Sinowatz, gegen Blecha und den kurzzeitigen Außenminister Leopold Gratz liefen, trat auf der politischen Ebene ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss zusammen. Unter dem souveränen Vorsitz des Parlamentsdoyens Ludwig Steiner (V). Ein mediales Spektakel zwar, weil die Sitzungen ja öffentlich waren, aber zugleich ein erschreckender Blick ins Innere des Regierungsapparats: Dringende Warnungen - u. a. von dem österreichischen Botschafter in New York, Thomas Klestil - wurden schubladisiert, die Opposition (ÖVP und Grüne) wurde im außenpolitischen Rat von den Regierungsvertretern plump angelogen, die Manager schließlich beriefen sich auf geheimnisvolle "Rückendeckung von oberster Stelle".

Es wurde relativ klar herausgearbeitet, dass es die österreichische Regierung jederzeit in der Hand gehabt hätte, die illegalen Waffenexporte zu stoppen, wenn der politische Wille dazu bestanden hätte.

Hatte er aber nicht: Namentlich der damalige Außenminister Leopold Gratz hatte eine Überprüfung der vorgelegten "Endverbraucherbescheinigung" durch seine Beamten für unötig erachtet.

Über den Endbericht des Ausschusses gab es logischerweise Meinungsverschiedenheiten. Die Mehrheit sprach nicht nur die damaligen SP-Minister für "schuldig", sondern auch untergeordnete Ministerialbeamte; die SPÖ-Fraktion schloss sich dieser "Verurteilung" nicht an und verfasste einen "Minderheitsbericht".

Auch Sinowatz-Nachfolger im Kanzleramt, Franz Vranitzky, kam in dem Mehrheitsbericht nicht gut weg: Er hätte es - so die Abgeordneten - im Herbst 1986 in der Hand gehabt, das Noricum-Gerichtsverfahren zu beschleunigen und weitere illegale Exporte zu stoppen. Wenn - ja wenn er die Hinweise seiner außenpolitischen Beraterin ernst genommen und Beweise verlangt hätte. Das tat er aber nicht. Vor dem Ausschuss erklärte er auf eindringliches Befragen, dass er zwischen den Hinweisen seiner zuständigen Beamtin und den anderslautenden Beteuerungen dreier Minister habe abwägen müssen. Und er habe eben den Regierungsmitgliedern geglaubt.

Dem als Zeugen geladenen Staatsanwalt Siegfried Sittenthaler kam eine Art Resümee zu: "Die haben mich gelegt. Die Täuschung war perfekt durchgestylt."

Den Schlusspunkt unter den Skandal setzte dann die Justiz. Sinowatz, Blecha und Gratz wurden 1993 in einem Sensationsprozess vom Verdacht auf Neutralitätsgefährdung und Amtsmissbrauch freigesprochen.

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