Schneller lesen: Mehr wissen, ganz easy

INFORMATIONSFLUT. "Improved Reading" trainiert Unternehmer und Angestellte. Ein Test.

WIEN. Jack London hätte es sich vermutlich anders gewünscht: Im Affentempo rast ein Lineal über die Zeilen in seinem Geschichtenband und zwingt den Leser, den darunter stehenden Text in Häppchen aus zwei oder mehr Wörtern zu verdauen - per sogenanntem Chunking. In den meisten Fällen aber, ohne den Sinn dahinter zu erfassen und zu behalten. Da kann es schon vorkommen, dass am Fuß der Seite nur das Bewusstsein übrig geblieben ist, dass es "irgendwie um einen Hund" geht.

Das Lineal gehört zu einem Schnell-Lesegerät aus Plastik, und das Gerät wird vom "Improved Reading Centre/Immediate Effects" in Purkersdorf eingesetzt. Damit sich die Klienten vom Unternehmer bis zum Angestellten und künftig auch Schüler rascher über einen Text "drübertrauen" - im wahrsten Sinne des Wortes.

"Mit dem Chunking schaffen wir es, dass die Leser sich von der Methode lösen, die sie in der Grundschule gelernt haben", sagt Göran Askeljung, Inhaber von "Immediate Effect", bei einem Test-Training. Drei Haupthindernisse sieht er auf dem Weg zu schnellerem und besserem Lesen: Das "Subvokalisieren", das lautlose Mitsprechen eines Textes. Zweitens, die "Regression", das Zurückspringen im Text, um einzelne Passagen ein weiteres Mal zu lesen. Drittens, die mangelhafte Ausrichtung des Blicks.

Denn: Beim Lesen nütze man ein Haupt-Blickfeld von zwei bis drei der insgesamt etwa 150 Grad - und lasse sich dabei oft von anderen Aufgaben ablenken. Allein der Anspruch, flotter zu lesen, könne helfen, bei der Sache zu bleiben, meint Askeljung. Dabei wieder vorteilhaft: das Chunking, wobei man das Blickfeld auf drei bis vier Grad erweitern würde.

Für die Teilnehmer am Test-Training in Wien hat Askeljung außer Londons Buch andere Langtexte mitgebracht, bei denen es nicht nur um das Tempo des Lesens, sondern auch um das Verständnis des Textes geht: "Ganz offensichtlich führt der ineffiziente Leser einen inneren Kampf gegen sich selbst, wenn er gleichzeitig lesen und einem Quizprogramm zuhören möchte", heißt es da zum Beispiel. Vier Minuten 10 Sekunden Lesezeit später folgen zehn Verständnisfragen an die Testperson auf dem Fuß: Ein innerer Kampf gehe auf den Versuch zurück, "gleichzeitig zu lesen und das Fernsehprogramm zu verfolgen/ einem Quizprogramm zuzuhören/ mit jemandem zu sprechen/ Musik zu hören".

Mit einer Verständnisquote von 70 Prozent, also sieben richtigen von zehn Antworten, kann der Trainings-Teilnehmer zufrieden sein - genügt diese doch auch für eine Aufnahme an der renommierten Harvard Business School.

Allerdings in Kombination mit einem besonders hohen Lesetempo, was erst die sogenannte Effektivitätsrate ausmacht: Mindestens 500 Wörter pro Minute sollte der Kandidat dort schaffen, der durchschnittliche Österreicher bewältigt aber nur etwa 220 Wörter in der Minute. "Und lastet damit sein Gehirn erst zu einem Viertel aus", betont Askeljung. Die Leseleistung zumindest zu verdreifachen, ist sein Ziel: "Nach oben gibt es eigentlich keine Grenze."

Schon mahnt der Experte zu "Augenübungen": Wörterreihen wie "grün - gelb - gut - macht - grün" stehen auf den Testbögen, aus denen Wortpaare herausgesucht werden müssen. Auch Buchstaben-, Ziffernreihen und Abfolgen von Synonymen zählen noch zum Programm. "Nicht Wort für Wort durchgehen, sondern den Bleistift zum Abhaken lieber in der Luft über dem Papier kreisen lassen und sogar Fehler in Kauf nehmen", dazu rät Askeljung. Denn: "Wann brauchen wir schon 100 Prozent Verständnis?" Häufig gehe es doch nur darum, die wachsende Menge von schriftlicher Information zu bewältigen, schneller einen Überblick zu gewinnen.

Das bleibt die Hauptsorge nach dem Test-Training von zwei Stunden in einer größeren Gruppe, während der übliche Kurs mit durchschnittlich zwölf Teilnehmern zwölf Stunden dauert und auch "in-house", also in Firmen, angeboten wird: Dass zwar das Lesetempo deutlich zunimmt, aber das Verständnis, die Erinnerung von Inhalten, leidet. Ein abschließender Test, gleich dem Langtext-Training zu Beginn der Schnupperstunden, zeigt allerdings: gleiches Verständnis bei höherer Geschwindigkeit, ein erster Erfolg.

Askeljung belegt das mit Daten des Improved Reading Centers. Demnach steigern sich die typischen Kursteilnehmer von 217 auf 576 gelesene Wörter in der Minute, und das Verständnis wächst von 63 auf 84 Prozent des Inhalts.

Ergebnisse, mit denen Askeljung nicht nur Unternehmen wie SAP Österreich oder die Post AG zu Kunden gemacht hat. Auch das Nachhilfe-Institut "LernQuadrat" mit 18 Standorten österreichweit will künftig kooperieren, so mit maßgeschneiderten Angeboten an Volks- und Mittelschüler.

Deren Lesekompetenz könnte unter anderem mit Hilfe von Chunking "ganz easy" verbessert werden und wäre Basis für ein besseres Verständnis anderer - zum Beispiel mathematischer - Aufgaben, glaubt "LernQuadrat"-Chef Konrad Zimmermann. Damit auch Texte wie die von Jack London selbst im Schnell-Leseverfahren keine Rätsel mehr aufgeben.

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