FH OÖ: Wohnen mit Latex von Beate Uhse

(c) Georgia Meinhart
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Ein Forscherteam entwickelt in Hagenberg benutzerfreundliche Oberflächen für den Alltag. Ein Lokalaugenschein.

Draußen zieht ein käferförmiger Rasenroboter seine Runden über makelloses Grün. Aus dem gegenüberliegenden Fenster sieht man die steilen Dächer zweier Rohbauten: Auf dem Campus der Fachhochschule Hagenberg im oberösterreichischen Mühlviertel werden derzeit neue Studentenwohnungen gebaut.

Drinnen zieht sich ein zarter Geruch von frisch verlegten Kunststoffoberflächen durch das einhundert Quadratmeter große „Research Studio NiCE“: Es ist eines von österreichweit zwölf Wohn- und Arbeitsräumen nachempfundenen Studios. Die Küche in „NiCE“ ist schwarz und hochglanzlackiert, der niedrige Tisch aus massivem Nussholz und die dazu passende Couch mit weißem Leder bezogen. Im angrenzenden Besprechungsraum wachsen Büropflanzen aus quadratischen Trögen, drei Projektoren beleuchten eine knapp sieben Quadratmeter große Präsentationswand.

Vor der Wand steht Michael Haller in mintgrünem Poloshirt und beigefarbener Baumwollhose. Der 36-jährige Professor für „Medien und Wissenstechnologien“ leitet das Projekt, mit dem auch vier PhD-Studenten und zehn Masterstudenten insgesamt drei Jahre lang Vollzeit beschäftigt sein werden. Es wird durch die österreichische Forschungsförderung unterstützt, eine Million Euro fließt in Hallers Forschung, Firmen wie der oberösterreichische Möbelhersteller Team 7 oder der Büroausstatter Svoboda stellen Einrichtung, das im Sciencepark in Hagenberg angesiedelte Unternehmen AMS research stellt die Räumlichkeiten zur Verfügung.

Unkonventionelle Methoden

Ziel ist maximale Benutzerfreundlichkeit, ohne Maus und Tastatur, nur mit einem Fingerdruck, soll die Wohn- und Arbeitsumgebung der Zukunft gesteuert werden können. Man liege, was die erwarteten Ergebnisse des Projekts betrifft, gut in der Zeit, sagt Haller: „Wir sind sogar etwas schneller.“

Manchmal seien es unkonventionelle Methoden, die die Arbeit beschleunigen, sagt Thomas Seifried. Wie diese Sache mit dem Latex. Der 28-jährige Doktorand arbeitet im Team Hallers, meist sitzt er im „Media Interaction Lab“, einem mit Rechnern voll gestellten, hohen Raum, vor seinem Bildschirm und programmiert. Seit der Forschung an „NiCE“ müssten er und seine Kollegen sich mit sehr physikalischen Dingen beschäftigen: mit Magneten, die so stark sind, dass ein Aufenthalt im Labor für Menschen mit Herzschrittmacher nicht mehr zu empfehlen ist, mit Silikonen oder eben mit Latex. Für die drucksensitiven Oberflächen, die im Projekt eine große Rolle spielen, wird das dehnbare Material in größeren Mengen gebraucht. Und weil es auf anderem Wege nicht zu bekommen war, bezieht die FH Hagenberg nun Meterware von Beate Uhse. Der Sexshopversand liefert mit den Latexballen etwa auch Anleitungen für Masken oder hautenge Overalls. An der FH Hagenberg wird das Latex anders eingesetzt: Es wird unter die Oberfläche hochempfindlicher Touchscreens geklebt.

Der digitale Stift in Hallers Hand überträgt die Pfeile und Skizzen per Bluetooth an den Rechner, von dort an den Projektor. Was das Forscherteam hier macht, könnte schon bald das System der Videokonferenzen um die Möglichkeit erweitern, in Echtzeit von verschiedenen Standorten aus an einer gemeinsamen Präsentation am digitalen Flipchart zu arbeiten. Möglichst einfach solle sich die technikaffine Umgebung der Zukunft bedienen lassen. Wie etwa das digitale Menü an der Präsentationswand: Es ist klein, bunt und rund, geht dort auf, wo Haller den Stift ansetzt, und folgt ihm über die gesamte Länge der Präsentationswand. In der Küche lassen sich per Touchscreen Schränke, Wasserhahn und Kühlschrank bedienen. Auf dem Couchtisch werden ohne Maus oder Tastatur die Geräte im Raum angesteuert: Lampen, Fernseher, digitale Bilderrahmen.

Bauland für 700 neue Bewohner

Draußen vor dem Fenster von „NiCE“ verlassen die Arbeiter für diesen Tag den Rohbau für die neuen Studentenwohnungen. In Hagenberg wächst indes nicht nur der Campus, auch der Ort im Mühlviertel, etwa 20 Minuten von Linz, floriert durch den FH-Standort. 1200 Studenten, die meist am Wochenende Hagenberg verlassen, stehen 2600 Einwohnern gegenüber. Bürgermeistern Kathrin Renate Kühtreiber will in Zukunft dafür sorgen, „dass das Verhältnis nicht kippt“, und bald mehr Bauland widmen.

Wohnraum für 700 neue Hagenberger soll in den kommenden sechs Jahren geschaffen werden: Auch FH-Abgänger und Mitarbeiter im Sciencepark will die Ortschefin halten. Bis die Technologie aus „NiCE“ allerdings auch in den Reihenhäusern, Mietkaufwohnungen und Apartments außerhalb des Campus angekommen ist, wird es wohl noch etwas dauern.

FACHHOCHSCHULE OBERÖSTERREICH

■Die FH Oberösterreich ist die größte Fachhochschulorganisation Österreichs. 4500 Studierende besuchen die insgesamt vier Standorte Wels (Technik- und Umweltwissenschaften), Steyr (Management), Linz (Gesundheit und Soziales) und Hagenberg (Informatik, Kommunikation und Medien). Das Land Oberösterreich investierte in den letzten Jahren rund 90 Millionen Euro in den Ausbau der Fakultäten, weitere infrastrukturelle Ausbauten sind derzeit in Planung.

■ Durch den Schwerpunkt „Berufsbegleitendes Studieren“ können an der FH Oberösterreich 50 Prozent des Studienangebots auch berufsbegleitend absolviert werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.05.2010)

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