Zu viel Fett führt zu Entzündungen

(c) AP (Kirsty Wigglesworth)
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Je mehr Fettzellen ein Mensch hat, desto mehr gesundheits- schädigende Stoffe werden produziert. Die Folgen: Entzündungen, Arteriosklerose, Herzinfarkt.

Sehr dicke Menschen leiden häufig unter einer chronischen Entzündung des Organismus, wobei die vielen Fettzellen zu den „Haupttätern“ im Entzündungsprozess gehören. Körperfett ist nämlich nicht – wie man noch vor rund 15 Jahren glaubte – ein reiner Energiespeicher, es gibt beispielsweise Botenstoffe an das Blut ab, die den Entzündungsprozess und in der Folge die Entstehung von kardiovaskulären Erkrankungen vorantreiben.

Somit hat Fett auch eine endokrine Funktion, „fast wie eine hormonelle Drüse“, erwähnt der Grundlagenforscher Univ.-Prof. Dr. Johann Wojta (Abteilung für Kardiologie am AKH Wien), einer der Mitbegründer der „kardiovaskulären Forschungstage“ am Kärntner Weißensee (17. bis 20. Jänner).

Teuflischer Kreislauf

Ein teuflischer Kreislauf: Fettleibige Personen haben mehr Adipozyten (Fettzellen), die mehr schädliche Adipokine (ganz bestimmte Proteine) produzieren. „Sehr viele dieser Adipokine führen zu einem chronischen Entzündungszustand“, erklärt Wojta. Mittlerweile weiß man, dass etwa die Arteriosklerose (einer der Hauptauslöser von Herzinfarkt oder Schlaganfall) eine chronisch entzündliche Erkrankung ist. „Ein Zuviel an Körperfett unterstützt offensichtlich eine generalisierte Entzündung in unserem Organismus.“

Je mehr Fett einer also mit sich herumschleppt, desto mehr schädliche Adipokine zirkulieren im Blut. Mit einer Ausnahme: Die Konzentration von Adiponektin, des einzigen für das Herz-Kreislauf-System positiven Adipokins, das bis jetzt gefunden wurde, nimmt mit steigendem Gewicht ab.

Nicht genug damit: Neben den Fettzellen machen sich im Fett auch Fresszellen (Makrophagen) breit. „Davon haben Dicke absolut und relativ gesehen mehr als Normalgewichtige. Wenn aber diese Makrophagen ständig aktiviert sind, unterstützen sie wiederum die Entwicklung chronischer Entzündungen“, vermerkt Wojta.

Damit ist der Teufelskreis aber noch immer nicht geschlossen: Auch Fett braucht zu seiner Vermehrung Nährstoffe, die über Blutgefäße herangeführt werden. „Fettzellen produzieren also den Wachstumsfaktor VEGF, der Blutgefäße sprießen lässt“, berichtet Wojta. Der gleiche Faktor werde etwa auch von Tumorzellen fabriziert.

Fett unterstützt sein eigenes Wachstum

„Entzündungsmediatoren führen nun dazu, dass im Fett mehr VEGF produziert wird“, sagt der Forscher, „Fett unterstützt also sein eigenes Wachstum.“ Freilich nicht mehr, wenn der Betreffende abnimmt. „Dann werden die Fettzellen kleiner, produzieren entsprechend weniger Adipokine, damit gibt es weniger Entzündungsstoffe und weniger Wachstumsfaktoren.“

Im Tierexperiment mit Mäusen ist es bereits gelungen, VEGF zu blockieren. „Diese Mäuse nehmen nicht zu, auch wenn sie gleich viel fressen wie ihre Artgenossen. Sie bleiben also schlank und weisen daher auch weniger Entzündungsmediatoren auf“, schildert Wojta.

Eine Anti-VEGF-Therapie gäbe es beim Menschen derzeit in der Krebsbehandlung. „Allerdings schalten die dabei eingesetzten Angiogenese-Hemmer VEGF auch dort aus, wo man diese Wachstumsfaktoren braucht, etwa bei der Wundheilung, bei peripheren Verschlüssen von Blutgefäßen oder nach Herzinfarkten.“

Stammzellen im Fettgewebe

Bei einem Herzinfarkt stirbt fast immer Gewebe ab, Muskel- und gefäßbildende Zellen gehen verloren. „Nun hat man im Fettgewebe Stammzellen gefunden, die sich sowohl zu Muskel- als auch zu gefäßbildenden Zellen weiterentwickeln können“, weiß Univ.-Doz. Dr. Bruno Podesser, Herzchirurg am Landesklinikum St. Pölten, Grundlagenforscher im Ludwig Boltzmann Cluster für kardiovaskuläre Forschung im AKH Wien und der Hauptinitiator der Forschungstage am Weißensee.

Der Ansatz, dass jeder Mensch mit seinem Fettgewebe ein eigenes Stammzell-Depot besitzt, das man im Fall des Falles anzapfen kann, ist freilich bestechend. Bei Ratten wurde dieser Denkansatz bereits in die Realität umgesetzt: Stammzellen aus dem Fettgewebe wurden im Reagenzglas weiterentwickelt, die daraus entstandenen gesunden Muskel- und Gefäßzellen wieder ins Herz verpflanzt, wo sie die Funktion der durch den Infarkt zu Grunde gegangenen Zellen übernahmen. Was beim Tier bereits gelungen ist, ist für den Menschen jedoch noch Zukunftsmusik.

Erwiesen ist bereits heute: Nach einem Herzinfarkt wird vom Körper das Protein Endothelin ausgeschüttet. „Das ist in der Frühphase wichtig fürs Überleben, führt dann aber zu einer schädlichen Langzeitveränderung des Herzens“, beschreibt Podesser.

Endothelin ist wesentlich daran beteiligt, dass das Herz hypertrophiert, das heißt, Muskelzellen und Gewebe verdicken sich, es kommt zum sogenannten „Remodelling“. Außerdem führt der nach einem Infarkt ständig höhere Spiegel von Endothelin auch zu einer Erweiterung des Herzens, es verändert seine Form in Richtung Kugel, „der Herzschlag wird damit unökonomisch, die Patienten leiden an einer Herzinsuffizienz.“

Gegen die Herzmuskelschwäche

Vor kurzem hat man nun ein weiteres Schlüssel-Protein für das Herz-Remodelling identifiziert: Tenascin C, das nur in der Frühphase der Embryonalentwicklung auftritt (ist da verantwortlich für ein ungestörtes Wachstum) sowie später bei einem Aneurysma (Erweiterung der Schlagader oder der Herzwand) und bei einem Herzinfarkt. „Tenascin C aktiviert eine Kaskade, an deren Ende die Erweiterung des Herzens steht“, sagt Podesser.

Bei Ratten konnte man nun durch die Ausschaltung dieses Proteins die Herzerweiterung und damit die Entstehung der gefährlichen Herzmuskelschwäche verhindern. Podesser: „Diese Erkenntnis ist ganz neu, bis man weiß, ob sie auch auf den Menschen umsetzbar ist, also ob klinische Relevanz gegeben ist, werden sicher noch drei bis fünf Jahre vergehen.“

HERZ IM MITTELPUNKT

Die kardiovaskulären Forschungstage am Kärntner Weißensee (17. bis 20. Jänner) werden heuer zum dritten Mal durchgeführt. Den Schwerpunkt bildet die experimentelle und Grundlagenforschung, im Mittelpunkt stehen Reparatur, Regeneration und Schutz des Herzens .

Cluster: Durchgeführt wird der Kongress vom Ludwig Boltzmann Cluster für kardiovaskuläre Forschung. Seine wissenschaftlichen Ziele: die Verbesserung von Herz-Kreislauf-Unterstützungs-systemen, die Erforschung neuer Regenerationsmöglichkeiten des kranken Herzens sowie die Erforschung der kleinen Gefäße.

www.cardiovascular-research.at("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2008)

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