Wie der Körper Eindringlinge früh erkennt

Koerper Eindringlinge frueh erkennt
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Die innate Immunabwehr blockt 90 Prozent aller Infektionen ab. Am CeMM wurde ein neuer Mechanismus entdeckt.

Wenn wir derzeit schnupfen, husten oder fiebern, dann sind Bakterien oder Viren daran schuld. Die Krankheitserreger haben es geschafft, in unseren Körper einzudringen und eine Immunreaktion ausgelöst. In Folge werden Antikörper produziert, die den Bakterien oder Viren in den allermeisten Fällen den Garaus machen. Diese „spezifische“ Immunreaktion rettet uns allen mehrmals im Jahr das Leben. Zudem baut sich ein Immungedächtnis auf, das künftige Infektionen verhindert – dieser Mechanismus wird auch bei Impfungen genutzt.

Die meisten Eindringlinge kommen allerdings gar nicht so weit, dass Antikörper gegen sie gebildet werden müssen: Schätzungen zufolge werden 90 Prozent aller Krankheitserreger schon vorher abgefangen – und zwar durch das sogenannte angeborene oder „innate“ Immunsystem. Darunter subsummiert man eine ganze Gruppe von Mechanismen: von bestimmten weißen Blutkörperchen, die Eindringlinge erkennen und vernichten, über Entzündungsreaktionen – die sich u. a. in Fieber äußern – bis hin zum „Komplementsystem“, einer Kaskade von biochemischen Reaktionen, die mit der Vernichtung der Erreger endet. Diese Mechanismen sind – im Gegensatz zu Antikörpern – sehr früh in der Evolution entstanden, sie funktionieren bei Fliegen ähnlich wie bei Säugetieren.

Eine Schlüsselrolle bei der innaten Immunabwehr spielen Rezeptoren, die erkennen, ob eine Zelle körpereigen oder körperfremd ist. Diese Moleküle erkennen bestimmte Strukturen in Proteinen oder der Erbinformation der Eindringlinge. Eine wichtige Gruppe sind dabei sogenannte „Toll-like-Rezeptoren“ (TLR; eingedeutscht „toll-ähnliche Rezeptoren“). Der komische Name geht übrigens auf eine simple Geschichte zurück: Als die spätere Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Vollhard 1984 diese Strukturen entdeckte, rief sie aus: „Toll!“ So ist die deutsche Umgangssprache in die englische Fachsprache eingedrungen.

Seither werden immer neue Varianten und Eigenschaften von TLR entdeckt. So wurde eine Rolle bei der Embryonalentwicklung genauso nachgewiesen wie bei Lungenschäden durch oxidativen Stress oder bei Autoimmunerkrankungen (wenn das Immunsystem körpereigene Substanzen als fremd einstuft und bekämpft).

Forscher des Zentrums für Molekulare Medizin der ÖAW (CeMM) haben nun einen neuen Mechanismus entdeckt. Durch Methoden der Proteomik (siehe Lexikon) haben sie nachgewiesen, dass TLR Viren anhand ihres Genoms (RNA bzw. DNA) erkennen. Eine Rolle spielt dabei das altbekannte Protein CD14 – das offenbar auch bisher unbekannte Aufgaben übernimmt.

Für die Medizin könnte diese Entdeckung bedeutsam sein: „Verbesserte Möglichkeiten, diese Rezeptoren zu stimulieren, können zur Verstärkung der antiviralen Reaktion bei Epidemien beitragen“, erläutert CeMM-Direktor Giulio Superti-Furga. Und: Die CD14-Proteine spielen auch bei Autoimmunerkrankungen (etwa Lupus Erythematosus) eine Rolle – was ebenfalls neue Möglichkeiten zur Behandlung eröffnen könnte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2010)

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