Warum Investoren Baustellen kaufen

In Planung: Projekt „Wohnen für alle“ in der Wiener Puchsbaumgasse von Gerner Gerner Plus Architekten.
In Planung: Projekt „Wohnen für alle“ in der Wiener Puchsbaumgasse von Gerner Gerner Plus Architekten.Gerner Gerner Plus
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Immobilien schon vor der Fertigstellung zu erwerben, wird immer mehr zum Trend. Käufer wollen sich so möglichst früh Topobjekte sichern, Developer ihr Risiko begrenzen.

Das Niedrigzinsumfeld und der damit einhergehende Mangel an Anlagealternativen haben in den vergangenen Jahren einen regelrechten Investoren-Run auf Immobilien ausgelöst. Die Folgen dieser Entwicklung: steigende Preise, sinkende Renditen und ein zunehmender Mangel an Core-Produkten. Da ist es nicht weiter verwunderlich, dass immer mehr Investoren, die nach hochwertigen Immobilien und möglichst hohen Renditen suchen, dazu übergegangen sind, sich Projekte noch vor der Fertigstellung zu sichern.

Auch in Österreich erfreuen sich solche sogenannten Forward Deals steigender Beliebtheit bei Immobilieninvestoren. Eine Ausprägung davon – das Forward Funding – wird laut Georg Pöltl, Geschäftsführer von EHL Investment Consulting, vor allem im Wohnbereich seit Längerem stark genutzt. Im Gegensatz zu anderen Forward-Geschäften erfolgt hier die Eigentumsübertragung an einen Investor, der die weitere Finanzierung sicherstellt, schon in einer sehr frühen Projektphase. Sie könne sogar schon unmittelbar nach der Sicherung des geeigneten Grundstücks und der ersten Planung stattfinden.

Das Marktrisiko verringern

Aber warum steigen Investoren gar so früh in Projekte ein? Laut Karl Derfler, geschäftsführender Gesellschafter bei Adeqat, liegt das zu einem Gutteil an den Bauträgern und Developern: Bei diesen gebe es den Trend, lieber 20 Wohneinheiten auf einmal verkaufen zu wollen anstatt einzeln an mehrere Investoren. „Auch die Frage, wie lange der aktuelle Immobilienzyklus noch andauern wird, spielt eine Rolle“, sagt er. Bei der Aussicht auf einen Exit erst in rund 36 Monaten bestehe für Bauträger bzw. Projektentwickler nämlich das Risiko, dass der Markt nicht mehr so laufen könnte wie derzeit, und das könnte zu Verwertungsproblemen führen. „Das gegenwärtige Marktgeschehen deutet darauf hin, dass wir den Höhepunkt des Zyklus erreicht haben“, fügt Herbert Logar, ebenfalls geschäftsführender Gesellschafter bei Adeqat, hinzu.

Für Forward Funding spricht jedoch nicht nur die Minimierung von Markt- und Verwertungsrisken. Durch die frühzeitige Eigentumsübertragung können sich die Verkäufer zudem eine Bankfinanzierung ersparen. „Durch die vorzeitige Sicherung des Projektgewinns schafft man Eigenkapital, das man im Falle einer Finanzierung binden müsste, wodurch die Liquiditätsbasis bzw. Bonität gestärkt wird“, so Derfler.

Gleichzeitig würden die Gesamtinvestitionskosten gesenkt, und zwar im Durchschnitt um bis zu 16 Prozent, erklärt der Experte. Die Eigenkapitalrentabilität bei einer Reinvestition werde verbessert und die Auslastung gesteigert, weil es möglich werde, zusätzliche Projekte umzusetzen. Aber auch für die Investoren ergeben sich Vorteile: Sie können sich nicht nur frühzeitig den Zugang zu Topprojekten sichern, sondern haben auch die Möglichkeit, ihre Rendite strukturell zu optimieren.

Komplexe Verträge

Es gibt allerdings auch einiges zu beachten. „Forward Funding erfordert eine komplexere Vertragsstruktur“, sagt Logar. Hier sei viel Know-how gefragt. Der Bauträger bzw. Projektentwickler sei zwar nicht mehr Eigentümer, bleibe aber bis zur Fertigstellung für das Projekt verantwortlich und müsse zu den vertraglich definierten Kosten bauen. Fallen diese höher aus, können sie nicht auf den Investor überwälzt werden. Im Normalfall gebe der Bauträger dem Investor auch eine Vermietungsgarantie. „Das bedeutet, dass die Wohneinheiten innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu bestimmten Konditionen vermietet werden müssen.“

Schutz für Wohnungskäufer

Laut Pöltl regelt auch das Bauträgervertragsgesetz (BTVG) eine Art von Forward Funding. Die Stammfassung dieses Gesetzes ist am 1. Jänner 1997 in Kraft getreten, ins Leben gerufen wurde es, um Wohnungskäufer vor dem Verlust ihres bereits vor der Wohnungsübergabe bezahlten Geldes zu schützen, sollte der Bauträger vor der Projektfertigstellung insolvent werden. „Konkret regelt das BTVG, wie ein Bauträger Gelder entgegennehmen darf bzw. wie ein Treuhänder diese weiterleiten muss, damit der Wohnungskäufer immer jeweils nur den Kaufpreisanteil bezahlt hat, der dem bereits verbauten Volumen entspricht“, so der EHL-Experte.

Bei einem sogenannten Forward Purchase, einer weiteren Ausprägung des Forward Deals, wird der Kaufpreis in der Regel erst am Projektende bezahlt. Auch das begrenzt das Risiko für den Investor. „Bringt der Bauträger das Projekt nicht zu Ende, so verliert der Investor nur seine Anwalts- und Prüfungskosten“, sagt Pöltl. „Im Verhältnis zum Investitionspreis stellt das einen marginalen Verlust dar.“

Geringe Risikoaufschläge

Auch auf dem Wiener Hotelinvestmentmarkt ist zuletzt – vor allem in der zweiten Jahreshälfte 2017 – die Zahl der Forward Deals merklich gestiegen. Nach Angaben von Simon Kronberger, Associate Director bei Christie & Co, hat es Forward Deals auf dem Wiener Hotelmarkt schon immer gegeben. „Neu ist allerdings, dass heute Projekte zu Renditen gekauft werden, die man früher für fertige Hotels bekommen hätte“, sagt er. Nachsatz: „Es gibt fast keinen Risikoaufschlag mehr. Forward Deals mit einer Rendite von fünf Prozent sind keine Seltenheit mehr.“

AUF EINEN BLICK

Forward Deals. Darunter versteht man den Verkauf eines Bauprojektes in einer frühen Phase. Beim Forward Funding erfolgt die Eigentumsübertragung sehr früh, und der Investor übernimmt die weitere Finanzierung. Der Bauträger bleibt jedoch für das Projekt und die Einhaltung der veranschlagten Kosten verantwortlich. Beim Forward Purchasing wird dagegen der Kaufpreis meist erst bei der Fertigstellung bezahlt.

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