Wie zeigen sich Status und Einfluss in der Architektur? Der Stock-im-Eisen-Platz 3 ist seit Jahrhunderten erste Geschäftsadresse – und birgt so manche Überraschung.
Adler auf den Portalen, geheimnisvolle Figurengruppen, dazu ein alter Baumstamm hinter Glas – und auf dem Dach ein Segelschiff: ein Haus, das Fantasy-Autorin J. K. Rowling hätte ersinnen können. Oder Andreas Streit, der es tatsächlich tat: am Stock-im-Eise- Platz 3 in Wien.
Der Architekt plante das sogenannte Palais Equitable, 1890/91 im Auftrag der New Yorker Versicherung Equitable Assurance Society of the United States, und diese schöpfte aus dem Vollen, um dem prominenten Platz gerecht zu werden: Durch seine reich dekorierte Hauptfront sollte es Aufmerksamkeit erregen und Status zeigen. Künstler-Stars der damaligen Zeit wie Rudolf Weyr, Viktor Tilgner und Johann Schindler waren eingebunden. Auf dem Dach prangte ein – damals noch vollständiges – Wikingerschiff, das die Überfahrt aus New York symbolisiert, auch die Adler zeugen von US-Patriotismus.
Geldadel trifft Sagenschatz
„Es ist das einzige Haus in Wien, dass sich Palais nennen darf, obwohl es nie ein Adelsbesitz war“, erklärt Maklerin Barbara Reithofer von der Örag, die derzeit den Verkauf von Büroräumen im zweiten Stock des Gebäudes betreut – rund 530 m2 mit Blick auf Graben und Stephansdom. Deren originale Türen und Fenster stehen ebenso unter Denkmalschutz wie andere Teile des Hauses. Das Stiegenhaus aus Marmor, das Eingangstor aus Bronze, die Fassade aus verschiedenfarbigen Graniten, die Hermenfiguren an der Fassade. Innen überrascht der repräsentative Bau mit einem unerwartet hell gestalteten Hof mit Majolikafliesen und Glaskuppel.
Der mit Bronzereliefs ausgekleidete Eingangsbereich, 1997 von Rüdiger Lainer neu gestaltet, greift auf Alt-Wiener Geschichte zurück: den Sagenkreis vom Stock im Eisen. Der mit Nägeln übersäte, um 1440 gefällte Baumstamm war schließlich seit 1548 am jeweiligen Vorgängerhaus angebracht, ab 1575 mit einem neuen Eisenband samt Schloss-Attrappe. Zum Sinn von Band und Benagelung gibt es zahlreiche Sagen und Erklärungsversuche: Vom Teufelswerk bis zur Votivgabe für Heilung oder Schutz. Ab 1750 verewigten sich dann Schlossergesellen auf der Walz mit einem Nagel, seit 1988 gibt es diese Möglichkeit in der Wickenburggasse 8.
Das Palais wurde im Februar 1944 bei einem Luftangriff schwer beschädigt und brannte zum Teil aus. 1949 wurde das Gebäude wieder instand gesetzt, „zum Teil unvollständig“, wie Reithofer erzählt. „Das Schiff etwa muss seitdem ohne Takelage auskommen.“ 1957 verkaufte die Versicherungsgesellschaft ihr Prachtstück, und das Grundbuch liest sich seitdem ein wenig wie das Who's who österreichischer Institutionen und Personen: Namen wie Muzicant, Wiener Augarten-Porzellan, Rauch, Sacher, Bank Austria, die Erzdiözese, Matejka, Kapsch, Waagner-Biro oder der Wiener Trabrennverein gaben und geben sich ein Stelldichein.
Und reihen sich ein an einem Ort langer Geschäftstraditionen: Hier befanden sich etwa die Apotheke Zum Stock-im-Eisen (1643–1674), die Österreichische Zentralbank (1869–1872), die Disconto- und Wechselgesellschaft in Wien (1874–1875) und der Stock-im-Eisen-Keller (bis 1870).
„Im Zuge der Schadensbehebung nach dem Krieg, aber auch um 1920 oder 1970 wurde immer wieder umgebaut“, berichtet Reithofer. So wurden etwa das Dachgeschoß ausgebaut und Wohnungen zu Büros umgebaut und -gewidmet. „Auch eine Widmung von Büro in Wohnung wäre kein Problem – wenn alle Miteigentümer zustimmen würden“, erklärt die Maklerin. Die jüngsten Arbeiten fanden zwecks Renovierung der zu verkaufenden Büroflucht statt.
Sie werden nicht die letzten sein: Kürzlich wurde das Fenster des Juweliers im Erdgeschoß durch einen Einbruch zerstört.
Zum Ort
Das Palais Equitable wurde 1887–91 anstelle mehrerer Vorgängerhäuser auf über 1000 m2 errichtet. Büroflächen kosten in der Wiener Innenstadt zur Miete in Bestlage rund 21,9 Euro/m2, als Eigentum sind Preise bis zu 20.000 Euro/m2 realistisch.
Zum Vergleich: Eigentumswohnungen kosten in Bestlage zwischen 9.217 und 15.745,6 Euro/m2.
Geschäftslokal-Mieten im ersten Bezirk kosten in sehr guter Lage zwischen 171,6 und 201,7 Euro/m2, bei Flächen bis zu 60 m2 rund 291,3 Euro/m2.