Deutsche Bundesbank warnt vor Immobilienblase in Großstädten

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Anleger aus ganz Europa kaufen deutsche Wohnungen, vor allem in Berlin. Durch Boom und Niedrigzins droht aber auch eine Schuldenspirale. Lagen in Hamburg oder München sind teilweise kaum noch erschwinglich.

Berlin. Eine Blase am Immobilienmarkt? Aber doch nicht in Deutschland! Bis vor Kurzem wollte niemand das brisante Wort in den Mund nehmen. Noch im August versicherte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), in seinem Frühwarnsystem liege alles im grünen Bereich.

Nun aber klingt es aus Frankfurt schon deutlich beunruhigter: Die Bundesbank widmet in ihrem „Finanzstabilitätsbericht 2012“ dem Wohnungsmarkt ein ganzes Kapitel. Ihr Fazit: „Übertreibungen“ können „auch in deutschen Ballungszentren zum Tragen kommen und die Finanzstabilität hierzulande erheblich gefährden“.

Fest steht: In Deutschland laufen die Uhren anders. Ein Jahrzehnt lang dümpelte der private Wohnungsmarkt lustlos vor sich hin, während er in den USA, Spanien oder Irland verrückt spielte. Nun aber, wo diese Länder schwer an den Folgen von geplatzten Blasen leiden, reiben sich die deutschen Immobilienmakler freudestrahlend die Hände. In den sieben größten Städten kletterten die Kaufpreise im Vorjahr um über neun Prozent bei neuen Objekten und um sieben Prozent beim Wiederverkauf. Heuer setzt sich der Preisanstieg unvermindert fort.

Zentrale Lagen in Hamburg oder München sind schon seit Längerem kaum noch erschwinglich. In den letzten Jahren legt auch das bisher erstaunlich günstige Berlin mächtig zu: Seit 2007 sind hier die Preise um 32 Prozent gestiegen.

Die Hoffnung auf ständig steigende Wohnungspreise, kombiniert mit sehr niedrigen Zinsen, könnte Wohnungskäufer zu leichtsinnigen Schulden verleiten. Es geht um viel: Immobilienkredite machen mit fast einer Billion Euro den größten Teil der Verschuldung der deutschen Privathaushalte aus – und 40 Prozent der inländischen Kreditvergabe. Übermut kann da bald für die ganze Volkswirtschaft gefährlich werden.

Noch ist es nicht so weit, aus mehreren Gründen. Draußen auf dem Land stagnieren die Preise oder gehen sogar zurück, weshalb der vorjährige Anstieg im Schnitt nur moderate 2,7 Prozent betrug. Zudem sind die Deutschen nicht sonderlich anfällig für Schuldenexzesse. Die Gesamtverschuldung im Verhältnis zum verfügbaren Einkommen ist seit 2001 rückläufig. Die Banken vergeben Hypothekarkredite meist nur bis 60 Prozent des Beleihungswertes, weil sie sich sonst nicht über Pfandbriefe refinanzieren könnten.

„Betongold“ für Südeuropäer

Dazu kommt: Die typischen Käufer von heute haben selbst genug Geld. Die meisten sind private Anleger, die früher in Staatsanleihen investiert haben. Weil deutsche Bonds nichts mehr abwerfen und die der Krisenstaaten zu riskant sind, flüchten sie in „Betongold“.

Am liebsten kaufen sie Etagenwohnungen in Ballungsräumen, denn dieser Markt ist transparent und liquide. Es sind beileibe nicht nur Deutsche: In Berlin schnappen bei über 30 Prozent aller Transaktionen Ausländer zu. Vor allem wohlhabende Italiener und Spanier hoffen, so ihre Ersparnisse in Sicherheit zu bringen. Dazu kommen Russen, Briten und Franzosen. Fast alle mit Eigenmitteln, oft gleich bar auf den Tisch.

Dennoch wird im Bericht gewarnt: Viele Blasen haben harmlos begonnen. Ein „selbstverstärkender Prozess“ aus steigenden Preisen und wachsender Verschuldung sei zu befürchten. Das Versprechen der Bundesbanker: Sie wollen wachsam bleiben und, wenn nötig, die Banken bei der Kreditvergabe rechtzeitig einbremsen.

Auf einen Blick

Der deutsche Wohnungsmarkt boomt in den Ballungszentren: 2011 legten die Preise in den größten Städten um sieben bis neun Prozent zu. Die Käufer sind meist private Anleger, viele davon aus Südeuropa. Aber die Hoffnung auf steigende Preise, kombiniert mit niedrigen Zinsen, verlockt auch zu Immobilienkäufen auf Pump. Die Bundesbank warnt vor einer Blase.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.11.2012)

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