Umschlaglager und Abholmärkte

(c) Fabry
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Mit der Zunahme des Online-Handels sollen auch die Verteilzentren näher an die Kunden heranrücken. Nicht überall ist dafür aber auch Platz.

Der Einzelhandel geht online: Laut einer von der im Bereich Gewerbeimmobilien aktiven CBRE Group durchgeführte Studie, wollen bis 2015 mehr als 60 Prozent der europäischen Einzelhändler Multichannel-Händler werden. Selbst wenn diese Prognose nur teilweise eintrifft, wird der Boom beim Einkauf übers Internet die Logistik wesentlich verändern. Profitieren werden zweifellos die Paketdienste. Unklar ist allerdings noch, wie die Pakete am vorteilhaftesten zum Kunden gelangen: über große und verkehrsgünstig gelegene Distributionszentren außerhalb der urbanen Bereiche? Über städtische Verteilzentren, die nahe beim Endkunden liegen? Oder gleich direkt über den Einzelhändler?

Kein Platz für Verteilzentren

Für große Verteilzentren nahe beim Kunden sieht Lukas Richter, beim Immobilienmakler Colliers in Wien für die Bereiche Industrie und Logistik verantwortlich, zumindest in den urbanen Bereichen Österreichs wenig Chancen: „30.000 oder 40.000 Quadratmeter große Hallen mit 24-Stunden-Anbindung lassen sich etwa in Wien aufgrund der Flächenwidmung kaum realisieren", meint er. Er rechnet damit, dass Österreich wegen des kleinen Marktes und der geografischen Lage auch kein Standort für ein großes Online-Kaufhaus werden wird. Von Sortierzentren, in denen die Umladung der Sendungen vom Groß-Lkw auf Kleintransporter erfolgt, bis zu Bearbeitungszentren für Rücksendungen sieht der Immobilienexperte allerdings sehr wohl durch E-Commerce ausgelösten großen Bedarf an Logistikzentren - in Regionen, in denen sich heute bereits derartige Flächen befinden. Keine Prognose wagt Richter, ob die in den Online-Handel einsteigenden mittelständischen Unternehmen ihre Versandtätigkeit mehrheitlich an große E-Fullfillment-Zentren auslagern oder im eigenen Geschäft bzw. Lager selbst durchführen werden.

Je näher, desto besser

Felix Zekely, Head of Agency bei CBRE-Österreich, glaubt hingegen, dass die Nachfrage nach Lagerflächen aufgrund des Online-Potenzials signifikant steigen wird. Da die Verbraucher verlangen, dass ihnen ihre Online-Einkäufe am nächsten oder noch am gleichen Tag geliefert werden, rechnet er mit einer erhöhten Nachfrage nach Umschlaglagern in der Nähe der endgültigen Bestimmungsorte. Praktische Erfahrungen mit einer Multichannel-Strategie sammelt in Österreichs bereits Media Markt. Frank Kretzschmar, Vorsitzender der Geschäftsführung Media Markt Österreich, setzt beim Lager für Online-Bestellungen auf eine verkehrstechnisch gute Lage bei den Geschäften: „Das erleichtert uns zum einen die eigene Zustellung, zum anderen aber auch die Selbstabholung durch unsere Kunden." Letzteres ist nicht unerheblich: Laut Kretzschmar holt die Hälfte der Kunden die im Internet bestellten Waren letztlich im Markt ihrer Wahl ab. Media Markt rechnet jedenfalls mit satten Wachstumsraten im Bereich E-Commerce. Im Jahr 2012 hat sich der dort getätigte Umsatz im Vergleich zu 2011 verdreifacht.

Einig sind sich die Experten jedenfalls, dass E-Commerce eine „wahnsinnige Herausforderung für die Logistikbranche darstellt", wie es Wolfram Senger-Weiss, Präsident des Zentralverbandes Spedition & Logistik formuliert. Sowohl für das Paketsegment als auch für die rasch zunehmende Belieferung mit Weiß- und Braunware müssten neue Lösungen überlegt werden, so der Experte.

Jede Stadt ist anders

Einen Bedarf an neuen Lösungen ortet auch das Beratungsunternehmen Frost & Sullivan. Vor allem im städtischen Bereich wird es eine wesentliche Veränderung geben. Ein einheitliches Konzept dürfe aber nicht erwartet werden, meint Senior-Research-Analystin Archana Vidyasekar: „Jede Stadt ergibt ein anderes Bild hinsichtlich der räumlichen Muster, Infrastruktur und städtischen Umgebung. Jede einzelne muss individuelle Optionen mit ihren privaten Logistikanbietern entwickeln." In welche Richtung es dabei gehen könnte, will man bei der jährlichen Industrieveranstaltung Frost & Sullivan im Juni in London diskutieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe vom 24.4.2013)

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