In vielen Bezirken Wiens ist ein Lagezuschlag nicht mehr zulässig. Werden nun die Mieten günstiger und müssen sich die Vermieter auf eine Flut von Mietzinsüberprüfungen einstellen? Ein Überblick.
Dieses Mal gibt Benedikt Meisl, Geschäftsführer von immo-pauker.at und motionreal.at, einen Überblick über die wichtigsten Fragen zum Thema neue Lagezuschlagskarte für Wien. Denn die Unsicherheit bei allen Beteiligten ist groß. Werden nun wirklich viele Mieten günstiger und müssen sich die Vermieter auf eine Flut von Mietzinsüberprüfungen einstellen? Hier die wichtigsten Fakten:
1. Was ist ein Lagezuschlag?
Ein Lagezuschlag ist ein Zuschlag zum gesetzlich festgesetzten Richtwert, der den Wert der Wohngegend widerspiegeln soll. Der Lagezuschlag ist somit die Differenz zwischen der gegenständlichen Lage und der durchschnittlichen Lage und wird in Euro/m2 ausgedrückt.
2. Wann kann ein Lagezuschlag vereinbart werden?
Bei Mietverhältnissen die dem Richtwert Mietzins unterliegen. Das sind Wohnungsmietverträge in Häusern die bis zum 8. Mai 1945 baubewilligt wurden sofern der Mietvertrag nach dem 1.3.1994 abgeschlossen wurde. Die Vereinbarung hat schriftlich zu erfolgen und ist entsprechend zu begründen. In Gründerzeitvierteln ist ein Lagezuschlag generell ausgeschlossen.
3. Was sind Gründerzeitviertel?
Das sind Gegenden mit einem überwiegenden Gebäudebestand aus den Jahren 1870 bis 1917 - mit Wohnungen, die zum Zeitpunkt der Errichtung klein und mangelhaft ausgestattet waren.
4. Wie war die Situation bisher?
Bis zu einem höchst umstrittenen Urteil des Obersten Gerichtshofes (OGH) im Jänner 2018, orientierte sich der Lagezuschlag vor allem am Grundkostenanteil (GKA). Diesen berechnet man in dem man den (fiktiven) Kaufpreis des Grundstücks durch die erzielbare Nutzfläche (NFL) dividiert. Der GKA ist also jener Preis des Grundstückes, der auf einen m2 NFL entfällt. Dieses einigermaßen nachvollziehbare und objektive Kriterium hat sich als Berechnungsgrundlage bewehrt.
5. Was hat sich nun geändert?
Der OGH stellte in seiner aktuellen Entscheidung (5 Ob74/17v) nun fest, dass sich die Überdurchschnittlichkeit einer Lage nicht schon allein aus einem gegenüber einer Durchschnittswohnung höheren Grundkostenanteil ergeben kann. Es bedarf vielmehr einer Prüfung, ob im konkreten Einzelfall die Wohnumgebung nach der allgemeinen Verkehrsauffassung besser als die durchschnittliche Lage ist. Diese doch eher subjektive Kategorisierung soll anhand von Faktoren wie der öffentlichen Infrastruktur, Nahversorgung, Gesundheits- und Bildungsinfrastruktur sowie Grünraum erfolgen.
6. Lagezuschlagskarte der MA 25
Die Magistratsabteilung 25 hat versucht, die aktuelle Entscheidung des OGH in ihre neue Lagezuschlagskarte einzuarbeiten. In der Kritik steht etwa, dass in Teilen der Bezirke sechs bis neun kein Lagezuschlag mehr gelten soll, in stark befahrenen Gegenden des zwölften Bezirks aber schon. Dies widerspricht laut einiger Experten der allgemeinen Verkehrsauffassung und auch dem Bauchgefühl der meisten Wiener.
7. Wie soll es nun weiter gehen?
Die Verunsicherung ist bei allen Beteiligten zu Recht groß. Vor allem die Vermieter fürchten sich vor einer Welle an Schlichtungsstellenverfahren mit ungewissem Ausgang. Aus weiten Teilen der Immobilienbranche kommt daher der Ruf nach einer Novellierung der entsprechenden Regelung um endgültig für Rechtssicherheit zu sorgen. Im aktuellen Regierungsprogramm ist eine Abschaffung der Gründerzeitviertel (siehe oben) bereits vorgesehen, daher ist es durchaus denkbar, dass auch die Regelung betreffend der Berechnung des Lagezuschlages im gleichen Zug adaptiert wird.
Der Autor ist Gründer von www.immo-pauker.at sowie Geschäftsführer des Immobilienunternehmens www.motionreal.at in Wien.