Immosteuer: Zweifel an Verfassungskonformität

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Gewinne bei Wohnungsverkäufen werden besteuert, auf Verlusten bleibt man aber sitzen: Juristen bezweifeln, dass diese Regelung mit der Verfassung vereinbar ist und vor dem Höchstgericht hält.

Wien. 25 Prozent des Gewinns muss man künftig an den Staat abliefern, wenn man eine Wohnung verkauft, in der man nicht selbst gelebt hat. Was aber passiert, wenn man eine Wohnung mit Verlust verkauft? Pech gehabt. Die Verluste können nämlich beim Finanzamt nicht geltend gemacht werden. Und deswegen glauben Rechtsexperten, dass die Immobiliensteuer nicht der Verfassung entspricht.

„Ich halte das für gravierend bedenklich“, erklärt Hermann Peyerl vom Department für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der Boku Wien. Der Staat könne sich nicht an Gewinnen einer Einzelperson beteiligen, aber Verluste ignorieren. Solche Bestimmungen würden nicht dem Leistungsfähigkeitsprinzip des Steuerrechts entsprechen.

Bei der Steuer auf Aktiengewinne könnten Verluste dagegen sehr wohl mit Gewinnen gegenverrechnet werden. Peyerl schlägt eine Regelung vor, wonach Verluste aus einem Wohnungsverkauf entweder mit anderen steuerpflichtigen Einkünften gegengerechnet oder auf spätere Jahre weitergeschrieben werden können.

Einen Verlustvortrag sieht in Österreich aber auch die Aktiensteuer nicht vor, die ab 1. April gilt: Bei Verkäufen fallen dann 25 Prozent Steuer auf den Gewinn an. Die kann man zwar mit Verlusten aus Aktienverkäufen gegenrechnen, aber nur innerhalb eines Jahres: Verkauft man beispielsweise heuer Aktien mit Verlust und im kommenden Jahr welche mit Gewinn, kann man die heurigen Verluste nicht bei den Gewinnen im nächsten Jahr geltend machen.

In Österreich. In Deutschland schon. „Unter bestimmten, sehr genau definierten Bedingungen kann man einen Verlust aus Aktienverkäufen sehr wohl in späteren Jahren bei einem Gewinn aus Aktienverkäufen geltend machen“, erklärte der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Karl-Heinz Däke. Eine zeitliche Beschränkung gebe es dafür nicht.

„Würde zum VfGH gehen“

Isabel Klocke, Steuerreferentin beim Bund der Steuerzahler, meint, es sei „wohl selbstverständlich“, dass man einem Menschen auch die Möglichkeit gibt, Verluste geltend zu machen, wenn man seine Gewinne besteuert. „Bei uns in Deutschland gilt das als Prinzip. Ich weiß nicht, wie das in Österreich ist.“ Zur Immobiliensteuer wollte sie sich nicht äußern, weil es diese in Deutschland in der neuen österreichischen Form nicht gibt.

Der emeritierte Wiener Finanzprofessor Werner Doralt hält die Frage der Verlustabschreibung bei Immobilienverkäufen für „interessant“. Bei Privatvermögen würden zwar andere Regeln gelten als bei Firmen, deswegen könne man gegen einen Verlustvortrag argumentieren. Trotzdem ist für Doralt klar: „Wenn es um einen hohen Betrag geht, würde ich deswegen zum Verfassungsgerichtshof gehen.“

Im Finanzministerium hört man nicht die selbstbewusste Aussage, dass die Immobiliensteuerbestimmungen auf jeden Fall verfassungskonform seien. Stattdessen argumentiert man damit, dass ein Verlustvortrag unter anderem auch deswegen nicht vorgesehen sei, weil der Steuersatz von 25 Prozent ein sehr geringer sei. Im Steuerrecht habe man einen Satz bis zu 50 Prozent. Zudem wären nur wenige Menschen von dem theoretischen Fall eines Verkaufs einer Immobilie mit Verlust betroffen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.02.2012)

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