Ausbau: Was darf eigentlich aufs Dach?

Anfang des Jahres wurde durch eine neue Richtlinie die strenge Unterscheidung in leichten und schweren Aufbau gelockert – was individuellere Lösungen möglich macht.

Oben ist noch Platz. Nicht viel, aber doch. Und nicht unbedingt nur für jene Klientel, bei der Geld keine Rolle spielt. Während Dachböden vor ein paar Jahrzehnten meist für Gerümpel oder billige, kleine Zimmer herhalten mussten, sieht das heute anders aus. Ein Dachausbau gilt unter Architekten als Herausforderung. Geht es doch darum, auf begrenztem Raum und mit ebensolchen Rahmenbedingungen möglichst viel herauszuholen. Für Wohnungsuchende hat der Dachausbau einen ähnlichen Reiz, weil Vorzüge: viel Licht, Platz, Freiflächen und im Idealfall einen tollen Ausblick.

Übergangsfrist bis Jahresende

Gebremst wurde die Euphorie in den letzten Jahren jedoch mit strengen Bauvorschriften. Das dürfte sich ab heuer zumindest ein bisschen ändern. Denn während seit 2008 durch die OIB-Richtlinie (Österreichisches Institut für Bautechnik) noch in leichten und schweren Aufbau unterschieden wurde, sind seit 1. Jänner 2013 individuellere Lösungen möglich. Die alte Regelung – für die noch bis Jahresende eine Übergangsfrist gilt – legte für die leichte Variante eine Obergrenze von 720 Kilogramm pro Quadratmeter fest. Die geschaffene Wohnfläche durfte nicht mehr als 150 Prozent der Dachbodenfläche ausmachen. Auch die Höhe war begrenzt: Bei sechs Metern war Schluss mit der Leichtigkeit. „Jeder versucht, möglichst leicht zu bauen.

Alles ab zwei Ebenen wird extrem teuer, weil man ins Gebäude und Fundament eingreifen muss“, sagt dazu Michael Ogertschnig vom Architekturbüro Holodeck. Seit heuer muss das nicht unbedingt so sein. „Die neue Richtlinie unterscheidet nicht mehr so strikt in leicht und schwer. Jetzt geht es darum, die Erdbebensicherheit zu gewähren, das kann aber individuell berechnet werden. Und: Wenn der rechtmäßige Bestand, also das bestehende Gebäude in seiner ursprünglichen Form, nicht verschlechtert wird, sind mehr Änderungen möglich“, erklärt Hannes Kirschner von der Baupolizei. Das Gewicht spielt jedoch nach wie vor eine entscheidende Rolle, berücksichtigt wird auch die Zahl der Personen, die pro Wohnung anzunehmen ist.

Egal, ob neue oder alte Richtlinie, was sich nicht ändert, ist die Notwendigkeit eines Ingenieursbefundes durch den Statiker. Er muss das Bestandsgebäude untersuchen und festlegen, was überhaupt möglich ist. „Die neue Regelung ermöglicht durch die individuelle Berechnung mehr Spielraum. Das Ganze ist aber sehr komplex, da sind die Statiker ordentlich gefordert“, so Kirschner. Erst wenn ein solcher seinen Befund abgegeben hat, kommt der Architekt zum Zug. Trotz neuer Regelung, die etwa keine Höhengrenze von sechs Metern für den leichten Aufbau kennt, ist das Gewicht nach wie vor ein wichtiger Faktor. Auf Stahl, Leichtbeton und Holzkonstruktionen wird auch in Zukunft nicht verzichtet werden. Herkömmlicher Beton ist aber „im Leichtbau verpönt“, so Ogertschnig.

Dieser „Spielraum“, wie es Kirschner nennt, gilt allerdings nicht für (sehr) schwere Aufbauten. „Die neue Regelung kann eine Erleichterung sein, vor allem wenn man etwas über dem leichten Aufbau liegt. Für Projekte wesentlich darüber ändert sich aber wenig“, so der Experte. Sind diese Rahmenbedingungen einmal geklärt, geht es für den Architekten darum, aus einem begrenzten Raum möglichst viel herauszuholen – im Idealfall auch Freiflächen mit tollem Ausblick. Ogertschnig arbeitet daher gern von Anfang an mit den künftigen Bewohnern zusammen. Dann kann von der Funktion und den Bedürfnissen aus gearbeitet werden – von innen nach außen. Bei anonymen Bauherren ist das hingegen schwer. „Für mich ist es die Königsdisziplin, weil es sehr stark um räumliches Denken geht. Hinzu kommen Technik und Reglementierungen.“ Um aus einem Raum möglichst viel herauszuholen, achtet er auf die Blickbezüge. Werden sie nämlich nicht berücksichtigt, kann ein noch so großer Raum ziemlich klein wirken.

Spiel mit Glasflächen

Nachhelfen kann man dabei etwa mit einer Drehung des Grundrisses: Verlaufen die Fenster und der Balkon nicht frontal zur Häuserfront, sondern werden etwas gedreht, ergeben sich neue Lichtverhältnisse und Perspektiven. Auch Glasflächen spielen bei Dachausbauten eine große Rolle. Leider werden sie viel zu oft zu großzügig eingesetzt, ohne darauf zu achten, ob diese denn unbedingt notwendig sind. Ein bewusster, gezielter Einsatz spart nicht nur Geld und Energie – Stichwort Heizung oder Klimaanlage –, sondern schützt auch vor den Einblicken der Nachbarn. Umgekehrt kann Glas so manche Schräge zwar nicht „ausbügeln“, aber weniger prominent wirken lassen.

Ein Dauerbrenner sind auch Terrassen und Balkone. Bis jetzt war die zuständige MA 19 bei straßenseitigen Flächen ebenso streng wie bei Gaupen. Ogertschnig meint, dass sich das bald ändern wird: „Zumindest wird seitens der Politik das Thema der straßenseitigen Balkone vermehrt aufgegriffen. Dies würde zu einer Verbesserung der Lebensqualität beitragen, kann aber nicht der Regelfall im Stadtbild sein.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2013)

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