Hausgeschichte

Ein "Slow-Haus" als Refugium in Vorarlberg

Mag schon sein, dass dieser Bau polarisiert. Für seine Bewohner ist er ein perfekter Rückzugsort.
Mag schon sein, dass dieser Bau polarisiert. Für seine Bewohner ist er ein perfekter Rückzugsort. Adolf Bereuter
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Monolithisch und reduziert, ohne technischen Schnickschnack und mit grandiosem Blick ins Rheintal: So hat Architekt Wolfgang Schmieder sein Haus konzipiert.

Wie ein Wehrturm oder eine kleine Burg thront das Haus auf einem Hang in 860 Metern Höhe über Fraxern in Vorarlberg. Erbaut aus nur vier Materialien: Beton, Holz, Stahl und Glas. Architekt Wolfgang Schmieder lebt dort mit seiner Frau. Entscheidend für die monolithische Form war für ihn das abfallende Gelände mit dem weiten Blick ins Rheintal. Und der Wunsch nach Einfachheit.
„Ich setze mich seit 25 Jahren mit Bauen auseinander, das in meinen Augen immer komplizierter wird, und bin auf der Suche nach neuen Wegen. Ich bin ein Verfechter der Einfachheit im Detail und in der Materialität“, beschreibt Schmieder seine Gründe für die Wahl der Form und des Materials. Die 50 cm dicken Mauern wurden aus geschaltem und gegossenem Beton in voller Höhe ohne Fugen errichtet, „das ist wie eine Bildhauerarbeit“, sagt der Architekt. Durch die Dicke der Mauern und kleine Tonkugeln als Zuschlag ist eine zusätzliche Wärmedämmung nicht nötig. Solarkollektoren und ein großer Ofen im mittleren Geschoß reichen aus, um das Haus, das 116?Quadratmeter und drei Geschoße hat, im Winter zu heizen.

Boden und Wände aus Beton

Ein Stahlsteg führt wie eine Zugbrücke in den Eingangsbereich, eine Stahltreppe – „der Stahl wurde nur geölt, hat sich seine ursprüngliche Haptik erhalten“ – erschließt die drei Geschoße. Im oberen Stock ist die Küche untergebracht und eine große Terrasse mit einem grandiosen Blick, im mittleren Geschoß ist der Wohnbereich, im unteren der Schlafbereich.
Auch im Inneren dominiert Beton. Auf einen Fußbodenaufbau wurde verzichtet, stattdessen wurde der Beton geschliffen und wirkt wie ein Terrazzoboden, auch die Wände wurden im Rohzustand belassen. Als Material für die Einbauten wurde unbehandelte Weißtanne eingesetzt. Und viel Glas. Im Schlafzimmer führt ein Fensterband ums Eck, sodass man auch von hier einen weiten Ausblick ins Tal hat. „Die Reduzierung auf das Mindestmögliche war mir sehr wichtig. Alles, was man weglassen konnte, haben wir weggelassen. So gibt es etwa nur zwei Innentüren, Bad und Schlafzimmer gehen ineinander über. Alles ist so offen wie möglich“, erklärt Schmieder.

Adolf Bereuter


Reduktion ist für den Architekten überhaupt ein wichtiger Begriff. „Angesichts des Wegs, den unsere Gesellschaft geht mit der ständigen Überreizung aller Sinne, der Beanspruchung der Aufmerksamkeit, der lauten Zivilisationsgeräusche bin ich immer auf der Suche nach Ruhe, nach einem Ort, an dem man sich wieder auf sich selbst besinnen, wieder Atem holen kann.“ Das waren die Hauptintentionen für den Kauf des Grundstücks und die Wahl des Materials und der Form. „Die Natur rundherum ist schon großes Schauspiel, und sie fließt ins Haus. Es ist nicht notwendig, auch das Haus zu inszenieren. Es wird mit der Zeit altern und Teil der umgebenden Natur werden“, ist Schmieder überzeugt. Auch das Land rundherum wurde belassen wie es ist, ein paar Obstbäume finden sich auf dem knapp 500 Quadratmeter großen Grundstück, ein Garten wurde bewusst nicht angelegt, genauso wenig wie Zäune oder Hecken das Haus abschirmen.

Adolf Bereuter


Natürlich polarisiert ein solches Gebäude in einem Land wie Vorarlberg, das für seinen innovativen Umgang mit Holz als Baumaterial bekannt ist. „Ein extremer Bau ruft extreme Reaktionen hervor. Man lehnt es entweder komplett ab oder akzeptiert es. Es gibt nichts dazwischen. Obwohl ich persönlich nur positive Reaktionen bekommen habe, weiß ich aber natürlich, dass es auch negative gibt“, erzählt der Architekt.

"Ein Zurückziehen ins Nest"

Für ihn ist der Wohnturm ein Ort der Kontemplation und Stille. „Die Übertechnisierung im Bauen oder Wohnen, die Entwicklung hin zu immer mehr Technik, wie etwa bei den Smart-Häusern, ist nichts für mich. Mein Haus ist ein Slow-Haus, so reduziert wie möglich. Eine Insel der Stille, ein Gegenpol zur sogenannten Zivilisation, ein Zurückziehen ins Nest. Auf der Terrasse zu stehen und ins Tal hinunterzublicken, umgeben nur von den Geräuschen der Natur, ist für mich die beste Erholung“, sagt Schmieder. Ein Problem tut sich allerdings auf: „Wir tun uns immer schwerer zu verreisen, weil wir kaum mehr einen Ort finden, an dem wir uns wohler fühlen als hier.“

Zum Ort, Zur Person

Fraxern ist eine Gemeinde im Bezirk Feldkirch in Vorarlberg. Baugrundstücke für frei stehende Einfamilienhäuser kosten dort – je nach Lage – zwischen 314 und 631,5 Euro pro Quadratmeter. Für Einfamilienhäuser beträgt der Quadratmeterpreis zwischen 1969 und 3432,8 Euro (Quelle: Immobilien-Preisspiegel der WKO).
Wolfgang Schmieder ist Mitinhaber des Büros Fischer Schmieder Architekten in Feldkirch. Sein Haus in Fraxern wurde im Juni 2017 fertiggestellt.

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