Ein Präsident, der mit seiner Aufgabe wuchs.
Außenpolitisch begann Kennedy mit dem Fiasko der von der CIA orchestrierten Invasion in der Schweinebucht. Sie sollte sein Misstrauen gegenüber den US-Militärs ebenso vertiefen, wie es das Abdriften des revolutionären Regimes von Fidel Castro unter die Fittiche der UdSSR beschleunigte. Auch der Versuch, bei einem Treffen in Wien ein Einverständnis mit dem sowjetischen Führer Nikita Chruschtschow über die besetzte Stadt Berlin und die Abwendung eines drohenden Atomkrieges zu finden, ging katastrophal daneben. „Es wird einen kalten Winter geben“, resümierte Kennedy erbittert. Keine zwei Wochen später begannen die Sowjets den Bau der Berliner Mauer. Doch der junge Präsident wuchs an seiner Aufgabe. Als der Kreml einige Monate später heimlich Atomraketen auf Kuba aufstellen ließ, bot Kennedy seinen kriegslüsternen Generälen die Stirn. Er ließ Chruschtschow heimlich wissen, dass er im Fall eines Abzugs der Raketen von Kuba die US-Atomraketen in der Türkei abbauen werde. So wendete er einen Dritten Weltkrieg ab. Mit dem Atomwaffensperrvertrag bannten die beiden das nukleare Wettrüsten. Ob Kennedy den Vietnamkrieg gewonnen oder zumindest früher beendet hätte, ist offen. Zweifellos sah er Vietnam als Dominostein, der nicht unter kommunistischem Druck kippen durfte. Dokumentiert ist allerdings auch sein Ekel über die Verbrechen des rechten südvietnamesischen Marionettenregimes.
Innenpolitisch fehlte Kennedy der Rückhalt im Kongress. Die Demokraten hatten 1961 eine Mehrheit von 89 Sitzen im Abgeordnetenhaus, 101 von ihnen waren aber reaktionäre „Dixiecrats“. Die Senkung der Einkommensteuer brachte er nicht durch, an ein Gesetz zur Durchsetzung der Bürgerrechte der Schwarzen war nicht zu denken. Doch immerhin: Am 10. Juni 1963 wies er die Nationalgarde an, zwei schwarzen Studenten gegen den Widerstand des rassistischen Gouverneurs von Alabama den rechtmäßigen Zugang zur Universität zu ermöglichen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2013)