Hahn will Burka-Verbot in der Öffentlichkeit

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Interview. Wissenschafts-Minister und ÖVP-Wien-Chef Johannes Hahn: „Mienenspiel ist Teil unserer Kommunikation." Bei Familiensplitting, Homo-Partnerschaft und Vermögenszuwachssteuer ist er anderer Meinung als die Parteispitze.

Die Presse: Sind Sie und Josef Pröll die liberalen Feigenblätter der ÖVP?

Johannes Hahn: Wenn „liberal" heißt: „Es soll nicht alles so bleiben, wie es ist", dann bekenne ich mich dazu. Aber es ist auch Aufgabe eines guten Konservativen, immer bereit zu sein, Dinge in Frage zu stellen.


Sie finden nichts dabei, wenn die Homo-Partnerschaft am Standesamt geschlossen wird und treten jetzt auch für eine Frauenquote in Universitätsgremien ein. Das kann ja nicht nur Gegenliebe in Ihrer Partei erzeugen.

Hahn: Das Rad der Zeit dreht sich weiter, und ich habe keine Lust, zu den Stehenbleibenden zu zählen. Die Frauenquote ist - und ich bedauere das - eine legistische Reaktion auf das Unvermögen nicht weniger Universitäten, bei der Unirats-Bestellung diesen Gesichtspunkt zu berücksichtigen. Man muss den Frauen Flankenschutz geben, anders geht's nicht. Wenn mehr Frauen in Gremien sitzen, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass Frauen berufen werden, höher. Aber klar ist: Die Quote kann nicht die Exzellenz auslöschen.


Gibt's in Sachen Frauenpolitik nicht auch anderswo Nachholbedarf in der ÖVP?

Hahn: Da tut man uns unrecht. Wir haben die erste Ministerin, die erste Frau im Nationalratspräsidium, die erste Landeshauptfrau gestellt.


Die schwarzen Bundesländer boykottieren gerade ein Paket zum Ausbau der Kindergärten.

Hahn: Die Tagesmutter soll neben dem Kindergarten eine gleichberechtigte Variante sein, wogegen aus meiner Warte nichts einzuwenden ist. Entscheidend ist: Wir müssen Vereinbarkeit von Beruf und Familie schaffen. Das ist zunächst ein Kulturproblem. Wenn Frauen scheel angeschaut werden, weil sie ihr sechs Monate altes Kind betreuen lassen, dann löst das schlechtes Gewissen aus. Es muss gelingen, Job und Familie unter einen Hut zu bringen.


Das rote Wien ist hier weiter als manche schwarze Länder.

Hahn: Könnte ich nicht sagen. Bekannterweise gibt's ja kaum etwas konservativeres als einen gestandenen Sozialdemokraten.

Was halten Sie vom steuerlichen Familiensplitting im ÖVP-Perspektivenpapier?

Hahn: Da bin ich eher kritisch. Darüber habe ich mit dem Sepp (Pröll, Anm.) schon freundschaftliche Diskussionen geführt. Ich kann nachvollziehen, wenn unsere Partei-Frauen meinen, dass es dazu führen könnte, dass Frauen vermehrt zuhause bleiben.


In Istanbul wird über ein Kopftuchverbot an Universitäten gestritten, bei uns nicht.

Hahn: Privat sollen sich die Frauen für oder wider ein Kopftuch entscheiden können. Aber was bedeutet das Kopftuch? Das drückt auch eine Wertung der Frau aus.


Eine Abwertung?

Hahn: Ja. Im öffentlichen Dienst sollte ein Kopftuch nicht möglich sein. Es gibt eine zunehmende Zahl an Kopftuchträgerinnen. Wir merken, dass es manchmal sogar noch in der zweiten, dritten Generation eine Abschottung ganzer Familien gibt. Es muss Aufgabe unserer säkularisierten Gesellschaft sein, aufklärerisch zu wirken.


Was halten Sie von der Burka?

Hahn: Bei der Burka bin ich viel allergischer. In unserer Kultur ist das Mienenspiel Teil der Kommunikation. Es tut mir in der Seele weh: Aber im Zweifel bin ich für ein Burka-Verbot im öffentlichen Raum. Wie soll zum Beispiel Videoüberwachung funktionieren, wenn die Leute verschleiert herumgehen?


Zu Ihrer Partei: Schafft die ÖVP den Spagat zwischen Stadt und Land in der Person Molterer? Oder ist er zu „ländlich"?

Hahn: Die Landeshauptleute sind erfolgreich. Das, was man an den Bayern immer bewundert hat - Laptop und Lederhose - kann genauso gut bei uns möglich sein. Ich selbst bin aber sicher kein gesamtösterreichisches Angebot.


Der „graue Willi": So lautet Molterers Punze.

Hahn: Entscheidend ist Authentizität. Dem Gusenbauer sagt man nach, er sei zu locker, der Willi gilt als zu ernsthaft. Offen gestanden: Ein allzu lockerer Finanzminister würde mich auch unrund machen.


Die ÖVP hatte aber schon mal einen lockeren Finanzminister: Karl-Heinz Grasser!

Hahn: Ja - aber er war authentisch! Jeder hat seinen eigenen Stil. Viktor Klima war das Paradebeispiel eines Politikers, der von seinen Spin-Doktoren verbogen wurde. Dann ist er auf die Schnauze gefallen. Warum soll jemand plötzlich bunte Hosen tragen?


Sie meinen, so wie Ursula Plassnik?

Hahn: Das ist ihr Stil, den sie nicht veränderte.s


Und Grasser war Ihnen nicht zu locker? Immerhin ist er fast Ihr Parteichef geworden!

Hahn: Ich nehme die Herausforderungen, wie sie kommen.


Haben Sie wirklich nie Konflikte mit Molterer und Schüssel? Immerhin sind Sie auch gegen die geplante Vermögenszuwachssteuer!

Hahn: Die Partei hat mit mir ja nicht die Katze im Sack gekauft. Ich engagiere mich seit 14 Jahren für die eingetragene Partnerschaft. Ich bekenne mich auch zur Leistungsorientierung. Aber bei aller Solidarität in der Gesellschaft, für die ich sehr bin: Man darf jene, die die Solidarität üben, nicht überstrapazieren. Ich kann nicht erkennen, wie die neue Steuer strukturiert sein soll.


Es schaut wohl nicht gut aus, dass diese Regierung die ganze Legislaturperiode hält?

Hahn: Aber ja. Diese Regierung wird noch mit einem besseren Ergebnis von dannen ziehen als sie eingestiegen ist.


Und was ist mit dem Antrag von Josef Broukal (SPÖ) zur Abschaffung der Studiengebühren, der im Parlament zur jederzeitigen Sprengung der Koalition liegt?

Hahn: Er hat eh erkannt, dass das kein ernsthafter Ansatz war. Jetzt werden die Oppositionsparteien versuchen, ihn zu pflanzen, indem sie den Antrag bei nächster Gelegenheit selbst einbringen.

("Die Presse" Printausgabe vom 19. April 2008)

Zur Person: Johannes Hahn

Der Wissenschaftsminister (50) ist seit Jänner 2007 Mitglied der Bundesregierung. Er pendelte mehrmals zwischen Politik und Wirtschaft, bis 2003 war er Vorstandsvorsitzender der Novomatic AG, danach Stadtrat. Seit 2004 ist er Wiener ÖVP-Landesparteichef. Dieses Amt hat er trotz des Ministeramtes behalten.

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