Interview: „Das hätte ich der SPÖ nicht zugetraut“

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
  • Drucken

Heide Schmidt über Werner Faymanns Verbeugung vor dem Boulevard, unverhältnismäßig hohe Steuern für unverhältnismäßig hohe Einkommen und die Notwendigkeit einer eigenen liberalen Kandidatur.

Die Presse: Frau Dr. Schmidt, Sie haben sich jahrelang geziert, wieder für das Liberale Forum in eine Wahl zu gehen. Warum gerade jetzt?

Heide Schmidt: Ich spüre und ich sehe, dass es eine außergewöhnliche Situation ist. Es ist keine Wahl wie jede andere. Ich verfolge mit Sorge, dass sich immer mehr Menschen von der Politik abwenden. Doch Demokratie lebt von der Beteiligung der Bürger. Da hat zum ersten Mal auch das strategische Argument eine Rolle gespielt, das für mich normalerweise nicht ausschlaggebend ist. Es sieht sehr danach aus, dass es künftig außer einer Großen Koalition nur die Möglichkeit einer Dreierkoalition geben wird. Und das ist für uns schon eine ernsthafte Option: Eine Dreierkoalition mit einer anderen Haltung, als es sie etwa bei einer Beteiligung von BZÖ oder FPÖ gäbe.

Also das LIF plus die Grünen und eine der beiden Großparteien. Wer wäre Ihnen denn lieber: die SPÖ oder die ÖVP?

Schmidt: Das wäre ein Unfug, sich jetzt schon damit auseinanderzusetzen. Es geht jetzt erst einmal darum, eine Dreierkoalition der Vernünftigen überhaupt möglich zu machen.

Im Nationalratswahlkampf 2006 hat es eine Allianz des Liberalen Forums mit der Gusenbauer-SPÖ gegeben. War der Faymann-Brief an die „Kronen Zeitung“ mit ausschlaggebend dafür, dass Sie nun wieder antreten? Sie waren früher ja ein erklärtes Feindbild der „Kronen Zeitung“.

Schmidt: Nein, für die Eigenständigkeit des LIF und das nunmehrige Antreten hat der Brief keine Rolle gespielt. Denn Alexander Zach hat es als LIF-Chef und Abgeordneter geschafft, seine Eigenständigkeit auch in dieser besonderen Situation die ganze Zeit über zu beweisen. Aber für mich hat der Brief insofern eine Rolle gespielt, als ich dies als einen Tabubruch empfunden habe, den ich der SPÖ so nicht zugetraut hätte. Eine solche Auslieferung, eine solche Verbeugung vor dem Boulevard bewirkt ja zweierlei: Einerseits diese offene Zusammenarbeit, andererseits aber auch die Legitimation eines Geflechts, das von der „Kronen Zeitung“ im Zusammenhang mit der EU maßgeblich getragen wird. Dass die SPÖ da mitmacht, das hat mich wirklich tief ins Mark getroffen.

Ihr Mitstreiter Hans-Peter Haselsteiner plädiert dafür, „unverhältnismäßig hohe Einkommen auch unverhältnismäßig hoch zu besteuern“. Vor Monaten sprach er sogar von einem Spitzensteuersatz von 80 Prozent für Superreiche. Werden Haselsteiners Überlegungen, der ja immerhin auch Ihr wirtschaftspolitischer Berater sein wird, in das Wahlprogramm der Liberalen einfließen?

Schmidt: Ja. Aber darum geht es nicht in erster Linie. Es geht vor allem darum, dass man heute viel zu früh in eine hohe Progression rutscht. Das führt zu einer Schwächung des Mittelstandes, die man nicht dulden darf. Da muss schon mehr Gerechtigkeit hinein. Ich habe kein Problem mit dem derzeitigen Höchststeuersatz – wenn da nur wirklich hohe Gehälter auch hineinfallen.

Was ist Ihr Wahlziel?

Schmidt: Unser Wahlziel ist es, eine neue Regierungskonstellation zu erreichen. Die Voraussetzung dafür ist natürlich, dass wir im Parlament sind.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.07.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.