Wolfgang Schüssels 70er: ''Ein Abend mit Freunden''
Anfangs galt er als Mascherl tragende Notlösung, heute ist er gern gesehener Redner: Der Ex-Kanzler bescherte Österreich die wohl umstrittenste Zeit der Zweiten Republik.
30.12.2016 um 16:00
In der Orangerie des Schlosses Schönbrunn hat die ÖVP am Montagabend den 70. Geburtstag ihres ehemaligen Parteiobmannes und Bundeskanzlers Wolfgang Schüssel gefeiert. Rund 650 Gäste kamen zu dem "Abend mit Freunden", unter ihnen etwa der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban. Schüssel appellierte in seiner Ansprache für Solidarität in der Flüchtlingsproblematik.
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Der Ex-Kanzler gab sich in seiner Rede als glühender Europäer. Bei all den Problemen handle es sich um "ein unglaubliches Erfolgsmodell". Er zeigte sich verärgert, dass dies "nicht erzählt" wird. "Gute Nachbarschaft ist der Schlüssel für Frieden", erklärte er auf Englisch und freute sich über die Gäste aus den Nachbarstaaten.Österreich soll "groß denken" und angesichts der politischen Herausforderungen in der Welt könne man "nicht neutral bleiben". Das gleiche gelte beim Leid der Flüchtlinge:" Das kann uns nicht kalt lassen, da braucht es Solidarität." Auch verdiene in dieser Thematik Innenministerin Mikl-Leitner (ÖVP) "jede Unterstützung", betonte der frühere Bundeskanzler.(Bild: Schüssel und der ungarische Regierungschef Viktor Orban)
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In seinem Redebeitrag räumte Schüssel auch ein, dass er sich "nicht darum gerissen" hat, ÖVP-Obmann zu werden. Dass seine Frau Krista diverse Funktionen mitunter nicht gut geheißen hat, gestand er ebenfalls ein. Er bedankte sich daher bei ihr, dass sie ihre "Scheidungsdrohungen", wenn er bestimmte Funktionen übernahm, nicht wahr gemacht habe.
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Der heutige Parteiobmann Reinhold Mitterlehner (ÖVP) bezeichnete Schüssel als "Homopoliticus", der unter anderem 18 Jahre Regierungsmitglied und zwölf Jahre ÖVP-Chef war - "Die schwierigste" Funktion, wie Mitterlehner meinte. Schüssel sei in einer "Zeit des Schuldenmachens" unter Bruno Kreisky politisch geprägt worden, so Mitterlehner.
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Tatsächlich blickt die ÖVP bis heute beinahe sehnsüchtig in jene Zeiten zurück, als man dank des vifen Taktikers das Kanzleramt bevölkern durfte. Dabei war die Ära Schüssel die wohl umstrittenste der Zweiten Republik und eine, die auch den Jubilar geprägt hat.
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Besonders in Erinnerung geblieben von Schüssels (geboren am 7. Juni 1945 in Wien) politischen Weg ist das Jahr 2000 als er von Platz drei in der Wählergunst aus mit Hilfe des international weithin geächteten Jörg Haider (FPÖ) die Regierungsspitze erklommen hatte und Österreich mit EU-Sanktionen versehen worden war.
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Heute ist Schüssel ein gerne gehörter Mann. Schüssel sitzt im Kuratorium der renommierten Bertelsmann-Stiftung, im italienischen Think-Tank Ambrosetti-Forum, ist Aufsichtsrat beim Energie-Riesen RWE und schreibt auch ganz gerne ein Buch. Zuletzt erschienen anlässlich seines Geburtstages Schüssels Kolumnen für die "Neue Zürcher Zeitung" in gebundener Form.
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Dass es um den "Wendekanzler" so ein G'riss gibt, hängt mit dessen rhetorischem Talent zusammen. Dazu kommt, dass er sich nie vor kantigen, durchwegs konservativen Thesen scheut, mittlerweile freilich nur mehr zu internationalen Themen. Das Feld der Innenpolitik hat Schüssel hinter sich gelassen. Tagespolitische Zwischenrufe aus dem Altenteil sind von ihm nicht zu vernehmen. Um Rat gefragt wird er in der ÖVP freilich allemal noch.Bild: Die ehemaligen ÖVP-Parteichefs Josef Proll, Josef Riegler und Wolfgang Schüssel
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Der promovierte Jurist, der - wiewohl aus finanziell eher schwächeren Verhältnissen kommend - ein Wiener Privatgymnasium absolviert hatte, begann schon in seinen frühen 20ern im ÖVP-Parlamentsklub als Sekretär. Mit 30 wurde er Generalsekretär des Wirtschaftsbunds und dabei schnell zum Hoffnungsträger der Partei. Ein Mandat im Nationalrat gab es rasch, doch hieß es dann warten und zwar nicht zu kurz.
Nachdem er ein Duell um die Klubführung gegen den wenig charismatischen Fritz König verloren hatte, schaffte es der damals noch leidenschaftliche Mascherl-Träger und Brillen-Fetischist 1989 in die Bundesregierung als Wirtschaftsminister. Als er 1995 Erhard Busek an der Parteispitze ablöste, galt er als Notlösung. Doch der nunmehrige Außenminister ging gleich in die Vollen, brach Neuwahlen vom Zaun und fiel auf die Nase. Franz Vranitzky blieb mit seiner SPÖ an der Spitze, eine bleibende Wunde für den ehrgeizigen VP-Chef.
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Dass Schüssel sich dann mit dem erstmaligen und bisher einmaligen Rückfall der ÖVP auf Platz drei der Wählergunst 1999 das Kanzleramt sicherte, ist eine Ironie der Geschichte. Schüssel hielt dabei allem erdenklichem Druck Stand, dem der EU, dem der Demonstranten auf der Straße und auch dem der wütenden Opposition. Auch als die erste Koalition mit der FPÖ scheiterte, verlor Schüssel nicht die Nerven, ganz im Gegenteil eilte der von Parteifreunden mittlerweile als Reformkanzler Gefeierte 2002 sogar zu Platz eins bei der Nationalratswahl. Bild: Im Jahr 1999: Bundeskanzler Viktor Klima mit Ehefrau Sonja (2.v.l.), Wolfgang Schüssel mit Ehefrau Krista (2.v.r.)
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2006 war es dann vorbei, zu sehr verließ sich Schüssel auf eigenen Ruhm, BAWAG-Skandal und vermeintlich fehlenden Glanz von Herausforderer Alfred Gusenbauer. Doch die SPÖ zog an der ÖVP vorbei, Schüssel torpedierte noch einige Zeit die von ihm selbst mit ausverhandelte Große Koalition als Klubchef und später einfacher Abgeordneter, ehe er sich im September 2011 im Zug der Telekom-Affäre zurückzog und das, obwohl gegen ihn persönlich keine ernsthaften Vorwürfe vorlagen.
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Doch die Telekom ist einer jener Skandale, die Schüssels Kanzlerschaft, die auf der anderen Seite etwa die NS-Restitutionen und wohl kaum vermeidbare Reformen etwa im Pensionsbereich brachte, bis heute überschatten. Vor allem der von ihm hoffähig gemachte Koalitionspartner FPÖ bzw. später BZÖ dürfte bei der ein oder anderen Privatisierung ein wenig mitgenascht haben. Schüssel lassen entsprechende Vorhaltungen zumindest nach außen bis heute kalt.
(c) Michaela Bruckbeger
In ihn hineinzublicken ist nicht so leicht. Er scheut öffentlichen Zorn nicht, ist oft herablassend, kann aber auch charmant sein und ist nicht humorbefreit. Schüssel kann sich Situationen anpassen, war auch kein schlechter Wahlkämpfer. Seine Tochter, Künstlerin Nina Blum, dürfte einen guten Teil ihres schauspielerischen Talents von ihrem Vater geerbt haben. Schüssels Frau Krista ist Kinderpsychologin. Der Ehe entstammt auch ein Sohn.Bild: Nina Blum als Viola im Theaterstueck "Was ihr wollt" von William Shakespeare, Juli 2005
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Kreativ war Schüssel nicht nur in seinem politischen Vorkommen, er spielt Cello, ist ein begabter Karikaturist und bastelt Papier-Schnitte. Den sportlichen Ehrgeiz befriedigt er in den Bergen oder am Fußball-Feld.
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Wolfgang Schüssels 70er: ''Ein Abend mit Freunden''
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