Missstände in Pflegeheimen: Stöger mahnt "Hinschauen" ein

APA/GEORG HOCHMUTH
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Der Sozialminister fordert die zuständigen Bundesländer zum Handeln auf. Der Fachverband der Gesundheitsbetriebe in der WKÖ wehrte sich gegen eine "pauschale Verunglimpfung".

Der Bericht der Volksanwaltschaft über teils gravierende Mängel in Pflege- und Altenheimen hat am Donnerstag für zahlreiche Reaktionen gesorgt. Während Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) dafür plädierte, bei Missständen "hinzuschauen", beklagte die Gewerkschaft vor allem Personal-Mängel. Der Fachverband der Gesundheitsbetriebe in der WKÖ wehrte sich gegen eine "pauschale Verunglimpfung". Gabriele Fischer, Psychiaterin und Leiterin der Menschenrechtskommission der Volksanwaltschaft für die Steiermark und Kärnten, hatte zuvor im Ö1-"Morgenjournal" von "strukturellen Defiziten" in Alten- und Pflegeheimen gesprochen, vor allem was das sehr zeitige Zu-Bett-Bringen (vor 18 Uhr) anbelangt.

Im Bericht der Volksanwaltschaft war aber auch die Rede von teils gravierenden Vernachlässigungen und Hygiene-Mängeln. In einem Heim in Tirol etwa sollen Menschen in Harn und Kot gelegen sein, wegen Streitigkeiten über Zuständigkeiten zwischen Pflegekräften, wie das "Morgenjournal" berichtete. In einem anderen Heim sind ältere Menschen mit Inkontinenzprodukten versorgt worden, obwohl sie gar nicht inkontinent sind. In einem Wiener Heim wurden laut dem Volksanwaltschafts-Bericht unruhigen Menschen Medikamente verabreicht. Volksanwalt Günther Kräuter (SPÖ) bezeichnete dies als "krasse Menschenrechtsverletzung".

Sozialminister Stöger sagte am Rande eines Termins am Donnerstag nun, er finde es "sehr gut", dass der Bericht der Volksanwaltschaft vorliegt. Wichtig sei jetzt, dass alle Beteiligten bei Missständen "hinschauen" und die Situation der Menschen verbessern. Jedes Bundesland müsse nun in seinem Bereich handeln, verwies der Ressortchef auf die Zuständigkeit der Länder. Der SPÖ-Pensionistenverband forderte "verstärkte, strengste Kontrollen durch die zuständigen Bundesländer". "Es ist menschenunwürdig, wie viele Seniorinnen und Senioren in schlecht geführten Einrichtungen ihr Dasein fristen müssen", sagte Pensionistenverband-Generalsekretär Andreas Wohlmuth in einer Aussendung und sprach von "kriminellen Missständen".

Der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft vida, Willibald Steinkellner, machte vor allem Personalmangel für die Probleme verantwortlich: "Ja, es gibt massive Missstände in Pflegeheimen, und zwar in erster Linie was die Arbeitsbedingungen betrifft!", meinte er in einer Aussendung. Abhilfe schaffen könne nur eine bundesweit einheitliche Personalbedarfsberechnung. Auch Reinhard Waldhör, Vorsitzender der GÖD-Gesundheitsgewerkschaft, erklärte, die derzeitige Lage in der Pflege sei durch "viel zu wenig Personal sowie durch den falschen Einsatz im 'skills and grade'-Mix" bestimmt: "Wenig qualifiziertes Personal muss das Fehlen von Fachkräften kompensieren", so sein Vorwurf.

WKÖ weist "pauschale Verunglimpfung aufs Schärfste zurück"

Äußerst kritisch reagierte man in der Wirtschaftskammer auf den Bericht der Volksanwaltschaft: "Der Fachverband der Gesundheitsbetriebe wehrt sich gegen die pauschale Verunglimpfung einer gesamten Branche und weist dies aufs Schärfste zurück", sagte Martin Hoff, Vorsitzender des Fachausschusses Seniorenbetreuung in der WKÖ in einer Aussendung. Es sei unverständlich und irritierend, wenn die Volksanwaltschaft mit einzelnen Kritikpunkten mediale Aufmerksamkeit statt eines konstruktiven Gespräches mit dem zuständigen Fachverband suche. Auf eine Einladung zum "konstruktiven Dialog" seitens des Fachverbandes sei in der Volksanwaltschaft bis dato nicht reagiert worden, beklagte Hoff.

Von einem "alarmierenden Bild über die Zustände in heimischen Senioren- und Pflegeheimen" sprach FPÖ-Pflegesprecher Norbert Hofer. Der Dritte Nationalratspräsident verwies auf die langjährige Forderung seiner Partei nach einer Aufstockung des Pflegepersonals, außerdem brauche es eine "Attraktivierung" des Berufsbildes sowie die Einführung eines Lehrberufs Pflege. Die grüne Sozialsprecherin Judith Schwentner forderte die Landesverantwortlichen zum Handeln auf: Die festgestellten Missstände seien "sofort zu beheben", jene Heimbetreiber, "die mit der großen Verantwortung für oft wehrlose, pflegebedürftige Menschen nicht sorgsam umgehen können, gehören sofort sanktioniert bzw. aus dem Verkehr gezogen".

>>> Bericht im Ö1-"Morgenjournal"

(APA)

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