Die grüne Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments kritisiert die Forderung des Außenministers, wonach EU-Länder selbst über ihren Grenzschutz entscheiden sollen dürfen. Auch die Neos warnen vor einer "Zerschlagung des Schengensystems".
Die Grünen und die Neos haben in der aktuellen Diskussion über ein Ende der nationalen Grenzkontrollen im Schengen-Raum scharfe Kritik an Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) geübt. Die Forderung Kurz', dass EU-Länder selbst über ihren Grenzschutz entscheiden sollen dürfen, verstoße den beiden Oppositionsparteien zufolge gegen Grundprinzipien der Europäischen Union.
Hintergrund der Diskussion ist die Ankündigung von EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos, wonach eine Verlängerung der Grenzkontrollen im Schengenraum um weitere sechs Monate gestattet wird - allerdings sei dies das "letzte Mal". Die EU müsse schließlich langsam wieder zu einem normal funktionierenden Schengen-Raum zurückzukehren. Österreichs Bundesregierung will das so nicht hinnehmen: Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) forderte umgehend eine Neugestaltung des Schengener Grenzkodex. Kurz sagte in einem Interview mit der "Presse", solange "die Außengrenzen nicht geschützt sind, muss es weiter die Möglichkeit zur nationalen Grenzkontrolle geben. Wir ziehen das jedenfalls durch. Die EU-Länder sollen selbst entscheiden können, ob sie ihre Grenzen schützen wollen."
"Außenminister mit Innenpolitik-Avancen hat gerade noch gefehlt"
Für Ulrike Lunacek, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments und Delegationsleiterin der österreichischen Grünen, ist die Rückkehr zu einem normal funktionierenden Schengen-Raum hingegen "völlig berechtigt". Das Vorhaben würde auch von Flüchtlingszahlen bestätigt werden. In Richtung Kurz äußert sich Lunacek in einer Aussendung: "Europa hat schon genug an 'Wir ziehen das durch'-National-Egomanen', da hat ein Außenminister mit Innenpolitik-Avancen gerade noch gefehlt".
"Das widerspricht vollkommen der Idee des gemeinsamen Binnenmarktes", kommentierte auch Neos-Chef Matthias Strolz die Ankündigung von Kurz in einer Aussendung. Die "Zerschlagung des Schengensystems" hätte "mittelfristig auch massive Einschnitte in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und damit Einschnitte bei Wohlstand und Lebensqualität" zur Folge. Für den Schutz der EU-Außengrenzen fordert Strolz eine "europäische Grenzschutz-Truppe".
Zwischen den 26 Mitgliedern des Schengen-Raums, dem auch die meisten EU-Länder angehören, gilt eigentlich Reisefreiheit. Im Zuge der Flüchtlingskrise hatten Österreich, Deutschland, Dänemark, Schweden und Norwegen jedoch im Herbst 2015 vorübergehend Grenzkontrollen eingeführt, die seither immer wieder verlängert wurden.
Über Artikel 29 des Schengener Grenzkodex können die Maßnahmen jedoch jeweils nur um sechs Monate bis zu einem Maximalzeitraum von zwei Jahren ausgedehnt werden. Und dies muss von der EU-Kommission vorgeschlagen und dann von den EU-Mitgliedstaaten gebilligt werden.
(APA)