Sozialpartner „nicht übermäßig motiviert“

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BAD ISCHLER DIALOG 2016: FOGLAR / KASKE / LEITL(c) APA/BARBARA GINDL
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Das Ende der Koalition trifft Gewerkschaft und Wirtschaftskammer mitten in den Verhandlungen. Während die einen trotzdem zuversichtlich sind, klingen die anderen resigniert.

Wien. Auf der Tagesordnung steht die Flexibilisierung der Arbeitszeit und ein Mindestlohn von 1500 Euro brutto pro Monat. Doch wenn sich die Präsidenten von Wirtschaftskammer und ÖGB diese Woche treffen, wird in erster Linie zweifellos über etwas anderes gesprochen werden: über das Ende der Koalition etwa, über die vermutliche Wahl im Herbst und darüber, welche Konsequenzen all das nun für die Verhandlungen der Sozialpartner hat.

Denn sie wurden von der Regierung beauftragt, bis Ende Juni eine Lösung für flexiblere Arbeitszeiten und einen Mindestlohn in allen Branchen zu finden. Schon so keine leichte Aufgabe, wenn die Interessen der Gesprächspartner so weit auseinandergehen – aber noch schwieriger, wenn einem die Ansprechpartner auf Regierungsebene abhanden kommen. So viel ist jedenfalls klar: Wenn sich die Sozialpartner in den beiden Fragen bis Ende Juni nicht einigen, dann sind die Themen vorerst erledigt. Die Regierung hatte zwar gedroht, in dem Fall selbst mit einem Gesetzentwurf aktiv zu werden. Doch dass SPÖ und ÖVP vor einem Urnengang im Wahlkampfmodus Zugeständnisse machen, die ihnen bei ihrer jeweiligen Klientel schaden könnten, ist sehr unwahrscheinlich.

Nationalrat bleibt handlungsfähig

Also liegt es bei Wirtschaftskammer und ÖGB, in den kommenden Wochen eine Vereinbarung zu erzielen. Wie groß die Chancen dafür sind, darüber gehen die Meinungen auseinander. Martin Gleitsmann, Leiter der Abteilung für Sozialpolitik in der Wirtschaftskammer, gibt sich „optimistisch“. Er glaube, dass eine Einigung in beiden Fragen bis Ende Juni erzielt werden könne.

Beim ÖGB ist man skeptischer. Bisher sei man in Bezug auf einen positiven Abschluss recht zuversichtlich gewesen. Doch die neue Situation sei „nicht übermäßig motivierend“ für die Beteiligten. „Es kann schon sein, dass sich die Verhandlungspartner fragen, ob sich die Gespräche überhaupt noch auszahlen“, meinte eine Gewerkschaftsfunktionärin. Denn es bestehe die Möglichkeit, dass die Regierungsparteien im Juni bereits im Wahlkampfmodus sind und eine Einigung der Sozialpartner nicht im Parlament umsetzen.

Rechtlich könnte der Nationalrat auch noch nach seiner Auflösung Gesetze beschließen. Das Hohe Haus bleibt mit allen Ausschüssen (ausgenommen einem Untersuchungsausschuss) so lange funktionsfähig, bis die neuen Abgeordneten nach der Wahl angelobt sind.

Inhaltlich wollte sich gestern weder die Wirtschaftskammer noch die Gewerkschaft äußern. Gesprächspartner beider Seiten erklärten aber, dass die Verhandlungen über einen Mindestlohn von 1500 Euro leichter seien. Bei der Flexibilisierung der Arbeitszeit sei es schwieriger. Dem Vernehmen nach wollen die Arbeitnehmervertreter dafür eine Arbeitszeitverkürzung und einen leichteren Zugang zur sechsten Urlaubswoche für alle.

Erschwerend kommt noch hinzu, dass die Wirtschaftskammer ein Junktim herstellt zwischen Mindestlohn und Arbeitszeitflexibilisierung. Die Gewerkschaft dagegen sieht beides als eigenständige Themen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.05.2017)

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