In der SPÖ tritt "Plan B" in Kraft

BUNDESKANZLER KERN TRIFFT BUNDESPR�SIDENT
BUNDESKANZLER KERN TRIFFT BUNDESPR�SIDENT(c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Mit Sebastian Kurz haben die SPÖ-Strategen gerechnet, aber nicht mit einer Neuausrichtung der ÖVP. Kanzler Christian Kern ist in Sorge, er muss nun seine Strategie ändern.

Wien. „Schockiert“ ist das falsche Wort für den Gemütszustand der SPÖ. Aber eingeschüchtert ist die Kanzlerpartei nach den Kurz-Reformen in der ÖVP schon. Man hatte erwartet, dass Sebastian Kurz irgendwann Reinhold Mitterlehner ablösen würde. Aber dass er auch die Erlaubnis bekommt, die ÖVP nach seinen Wünschen umzubauen – damit war nicht zu rechnen gewesen.

Kurz habe das sehr geschickt gemacht, das müsse man anerkennen, sagt ein Sozialdemokrat. „Aber wir dürfen uns jetzt nicht von ihm treiben lassen oder gar in Ehrfurcht erstarren.“ Allerdings wird die SPÖ ihre Strategie ändern und sich insgesamt neu ausrichten müssen. Die ersten Maßnahmen zeichneten sich am Montag bereits ab.

Personelle Öffnung

Am schwersten trifft die SPÖ, dass Sebastian Kurz die Parteistruktur der ÖVP mit einer neuen, zum Teil überparteilichen Bewegung kombinieren möchte. Das ist nicht ganz Emmanuel Macron, aber Alexander Van der Bellen wurde auf ähnliche Weise Bundespräsident. Gelingt Kurz diese Übung, könnte die SPÖ daneben ziemlich alt aussehen.

Kopieren will die SPÖ das Kurz-Modell nicht. „Aber auch wir werden uns personell öffnen müssen“, heißt es. In der Regierung hat Kanzler Christian Kern zwar schon damit begonnen – die Ministerinnen Sonja Hammerschmid und Pamela Rendi-Wagner haben keine klassischen SPÖ-Karrieren hinter sich. Das allein wird allerdings nicht ausreichen. Wenn es Kurz gelingt, mit Leuten wie Ex-Rechnungshofpräsident Josef Moser oder sogar Irmgard Griss eine gewisse gesellschaftliche Breite abzubilden, wird auch die SPÖ mit prominenten Namen auf ihrer Wahlliste nachziehen müssen.

Ansonsten wird sich die SPÖ bemühen, das Kurz-Projekt schlechtzureden. Einen Vorgeschmack gab es am Montag vom Wiener Bürgermeister, Michael Häupl: „Wo Kurz draufsteht, ist die ÖVP drinnen.“

Spiel auf Zeit

Die SPÖ geht davon aus, dass Sebastian Kurz an Glanz verlieren wird, je mehr Zeit vergeht. Deshalb will sie auch den Wahltermin möglichst lange, nämlich bis Ende Oktober oder Anfang November, hinauszögern. Wie schnell der Hype um einen neuen Parteivorsitzenden zu Ende sein kann, sieht man gerade bei SPD-Chef Martin Schulz.

Apropos Deutschland: Die – aus heutiger Sicht – erwartbare SPD-Niederlage bei der Bundestagswahl am 24. September könnte die Stimmung in Österreich zu Ungunsten der SPÖ beeinflussen. Auch deshalb drängt sie auf einen späteren Wahltermin.

Inhaltlicher Druck

Inhaltlich hat sich Sebastian Kurz, von der Migrationspolitik einmal abgesehen, noch nicht wirklich positioniert. Die SPÖ, die hier mit dem Plan A vorgelegt hat, wird nun versuchen, den designierten ÖVP-Obmann in sämtlichen Bereichen festzunageln. Am Montag legte Kern eine Liste mit Punkten aus dem Regierungsprogramm vor, die er vor der Nationalratswahl noch abarbeiten möchte. Darunter sind auch ideologische Streitfragen wie die Bildungsreform oder der Mindestlohn, von denen man bisher nicht weiß, wie Kurz zu ihnen steht.

Außerdem wurde der Außenminister aufgefordert, das Vizekanzleramt zu übernehmen, „um eine reibungslose Abwicklung der offenen Vorhaben zu gewährleisten“. Damit versucht Kern, Druck aufzubauen. Er weiß, dass Kurz nicht den Vizekanzler neben ihm geben möchte, weder vor noch nach der Wahl. Aber wenn er es öffentlich einfordert, kann er Kurz hinterher vorwerfen, dass es ihm nur um Macht gehe, nicht um Inhalte.

Doppelstrategie

Christian Kern oder Sebastian Kurz: Die Frage, welcher Kanzlerkandidat mehr Wähler von der FPÖ zurückholen kann, wird diese Wahl zumindest mitentscheiden (oder aber Heinz-Christian Strache hält sie bei den Freiheitlichen). Die Kombination „neues Gesicht und harte Linie in der Flüchtlingspolitik“ könnte Kurz hier Vorteile bringen.

Die SPÖ dagegen kann in Zuwanderungsfragen nicht noch weiter nach rechts rücken, sonst verliert sie am anderen, linksliberalen Ende des politischen Spektrums. Sie wird daher ihre Doppelstrategie verstärken: Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil gibt, als Rechtsaußen der Sozialdemokraten, den Gegenspieler zu Kurz und Strache, während sich der Kanzler auf die Kernthemen der SPÖ konzentriert: Arbeitsplätze und soziale Gerechtigkeit.

So wird es schwer werden, die Wahl zu einer Richtungsentscheidung hochzustilisieren. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler hat das zwar schon einmal erfolgreich versucht, aber unter anderen Voraussetzungen. Bei der Wien-Wahl 2015 ging es um die Frage: Michael Häupl oder Heinz-Christian Strache? Bei dieser Nationalratswahl haben drei Kandidaten in etwa gleich große Chancen auf den Wahlsieg.

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