Der steirische Landesrat Drexler kann sich neun teilautonome Gebietskrankenkassen unter einem Bundesdach vorstellen.
Wien. Die Pläne der Koalitionsverhandler für das Gesundheitswesen, nämlich eine Zusammenlegung von Sozialversicherungen, spaltet vorab schon einmal die Bundesländer, obwohl ÖVP und FPÖ keine Details bekannt gegeben haben. Der steirische Gesundheitslandesrat Christopher Drexler (ÖVP) zeigte sich am Mittwoch „verwundert“ über die Bekenntnisse einiger Landespolitiker zu neun unabhängigen Gebietskrankenkassen.
Man brauche zwar „kompetente Ansprechpartner vor Ort“, um im Zusammenwirken von Ländern und Sozialversicherungen Gesundheitsreformen auf Schiene zu bringen, sagte Drexler. Ob es dazu aber neun formal unabhängige Gebietskrankenkassen brauche, sei sehr wohl zu hinterfragen. „Wir Länder sollten aufpassen, dass wir nicht nur als Anwälte des Status quo oder als Hohepriester des Strukturkonservatismus wahrgenommen werden“, denn dies würde der vielfach von Reformen gekennzeichneten Politik der Bundesländer nicht gerecht. Man könne daher durchaus über neun teilautonome Einheiten unter dem Dach eines Krankenversicherungsträgers diskutieren – ebenso wie über regionale Cluster, meint der Gesundheitslandesrat.
Einige seiner Kollegen hatten am Dienstag Widerstand gegen eine mögliche Zentralisierung der Gebietskrankenkassen unter einem Bundesdach angekündigt. Bei einem Treffen in Dornbirn sprachen sich Christian Bernhard (Vorarlberg, ÖVP), Beate Prettner (Kärnten, SPÖ), Bernhard Tilg (Tirol, ÖVP) und Christian Stöckl (Salzburg, ÖVP) für „starke Systempartner vor Ort“ aus. Denkbar seien Leistungsharmonisierungen und Kooperationen in der Verwaltung.
Einig ist sich das Quartett auch darüber, dass die Spitäler in Länderhand bleiben müssten – und dass der „eklatante“ Ärztemangel in Österreich auch mit dem „antiquierten“ Aufnahmetest für das Medizinstudium zu tun habe.
Rektor rüffelt Landesräte
Das wollte wiederum der Rektor der Med-Uni Wien nicht unwidersprochen hinnehmen. Österreich bilde genügend Ärzte auf hohem Niveau aus, ärgerte sich Markus Müller am Mittwoch. Das Problem sei, dass die Absolventen das Land dann aufgrund des „extrem ineffizienten Systems“ verlassen. Daran seien nicht zuletzt die Länder als Spitalsträger mitschuld: Die Struktur der Gesundheitsversorgung benötige aufgrund des Mangels an Pflege- und Administrativkräften eine international unüblich hohe Zahl an minderqualifiziert eingesetzten Ärzten, kritisierte der Rektor. Doch statt hier Verbesserungen zu erzielen, zeige man mit dem Finger auf Institutionen, die ihre Hausaufgaben gemacht hätten.
In Österreich gebe es rund 1600 Medizin-Studienplätze für Anfänger und eine Absolventenquote von fast 100 Prozent. Die Schweiz biete nur halb so viele Studienplätze an. Nur würden in Österreich 30 bis 40 Prozent der Absolventen das Land nach dem Studium verlassen. Umgekehrt sind in Österreich nur vier Prozent im Ausland ausgebildete Ärzte beschäftigt, der OECD-Schnitt liegt bei 17 Prozent. Müller: „Wir sind Nettoexporteur. Und das ist nicht eine Frage des Tests, sondern der Struktur.“
Daran ändere auch der Ruf nach insgesamt mehr Medizinern nichts: „Wir hatten in den 80er-Jahren 20.000 Ärzte – damals hat man vor einer Ärzteschwemme gewarnt. Heute haben wir 45.000 und sprechen von einem Mangel.“ Unterstützung bekam der Rektor von der Ärztekammer, die bessere Ausbildungsbedingungen für Mediziner in Österreichs Spitälern forderte.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.11.2017)