In 100 Tagen werde man eine "funktionierende Fraktion" sein, glaubt Klubobmann Kolba. Wie Listengründer Pilz mitarbeiten wird, soll sich binnen drei Monaten entscheiden.
Die Liste Pilz wird sich im Parlament für die Freigabe von Cannabis für medizinische Zwecke einsetzen. Klubobmann Peter Kolba ist zuversichtlich, auch die anderen Parteien dafür gewinnen zu können, sagte er Sonntag in der ORF-"Pressestunde". Wie die Liste Pilz konkret organisiert und wie Gründer Peter Pilz mitarbeiten wird, wird binnen drei Monaten entschieden.
In 100 Tagen - um eine solche Schonfrist hatte er auch im Nationalrat gebeten - werde man jedenfalls eine "funktionierende Fraktion" sein, versprach Kolba. Schon in den nächsten Tagen muss entschieden werden, ob die Liste Pilz bei der Landtagswahl in Niederösterreich antritt. Schließlich müsste sie dort bis 22. Dezember 50 Unterschriften in jedem der 20 Wahlkreise sammeln - eine, wie Kolba meinte, hohe Hürde für eine neue Gruppierung.
Klubobmann-Tätigkeit von Nervenerkrankung abhängig
Der Klubchef - der auf einem niederösterreichischen Mandat sitzt - wird jedenfalls nicht in Niederösterreich antreten. Er bleibe im Nationalrat und will sich dort für Verbraucherrechte einsetzen. Wie lange er Klubobmann bleibt, hänge davon ab, wie er das mit seiner schmerzhaften Nervenerkrankung aushalte, sagte Kolba, der nach Pilz' Abgang einsprang. Weder er noch die anderen sieben Abgeordneten seien jedenfalls "Statthalter" für Pilz. Wie der nach Vorwürfen sexueller Belästigung zurückgetretene Listengründer künftig mitarbeitet, ist noch nicht geklärt. Aber klar sei: "Der Listengründer ist auf Urlaub, er kommt wieder" und werde in der Bewegung weiterhin eine "wichtige Rolle" spielen.
Die verbliebenen Mitstreiter bemühen sich derweil darum, die nötigen Strukturen zu etablieren. Sie wollen keine traditionelle Partei sein, sondern eine Bürgerbewegung, die Bürger in die politische Meinungsfindung einbindet und das freie Mandat hochhält. Eine Umbenennung ist geplant, nach den Landtagswahlen 2018.
Kolba: "Regie im Hintergrund, die die Medien bespielt"
Zu den Vorwürfen der sexuellen Belästigung gegen Pilz bekräftigte Kolba, dass er eine "Regie im Hintergrund, die die Medien bespielt" vermutet. Er glaubt nicht, dass die grüne Parteiführung dahintersteckt, aber hält es für möglich, dass es einer der 100 - nach dem Rauswurf der Grünen aus dem Nationalrat - zur Kündigung angemeldeten Mitarbeiter sein könnte. Sollten sich die - bisher nicht überprüften - Vorfälle mit einer Mitarbeiterin bzw. in Alpbach tatsächlich so zugetragen haben, wären das "schwere Verfehlungen", die auch einen Rücktritt rechtfertigen würden, räumte Kolba ein.
Der ehemaligen Skirennläuferin Nicola Werdenigg, der der ÖSV nach Vorwürfen sexueller Übergriffe mit einer Klage gedroht hat, hat die Liste Pilz - für die sie kandidiert hat - rechtlichen Beistand angeboten. Kolba nannte es "unzumutbar", dass der ÖSV sofort mit Druck reagiere, also eine Klage ankündigte, sollte Werdenigg keine Namen nennen.
Auf der politischen Agenda ganz oben steht für Kolba die Legalisierung von Cannabis für medizinische Zwecke. Er leidet an Polyneuropathie, einer schmerzhaften Nervenerkrankung. Ein Cannabis-hältiges Medikament lindere die Schmerzen ohne die schweren Nebenwirkungen der herkömmlichen Mittel. Aber es koste für ihn 800 Euro im Monat, das könnten sich viele der 1,5 Millionen Schmerzpatienten in Österreich nicht leisten. Deshalb will Kolba erreichen, dass Schmerzpatienten - nach dem Vorbild Deutschlands - Marihuana auf Kosten der Krankenkasse mit ärztlichem Rezept in der Apotheke bekommen.
Nun wird Peter Pilz doch nicht im Nationalrat sitzen. Das einstige grüne Urgestein hat es zwar bei der Nationalratwahl am 15. Oktober 2017 auf eigene Faust versucht und ist mit einer eigenen Liste angetreten. Auch gelang der Einzug in den Nationalrat. Wegen der Vorwürfe sexueller Belästigung wird er aber sein Mandat nicht annehmen. APA/HANS KLAUS TECHT
Was passierte, wird hoffentlich geklärt werden. Der 63-jährige Steirer gilt nicht nur in Hinblick auf seinen Anspruch auf eine Politikerpension als Dinosaurier. Seit dem ersten Einzug der Grünen in den Nationalrat 1986 (ÖVP-Chef Sebastian Kurz war damals gerade erst geboren) war Pilz als Abgeordneter mit dabei - unterbrochen nur durch einen mehrjährigen Abstecher in den Wiener Gemeinderat. Von 1992 bis 1994 war er sogar Bundessprecher der Partei, die sich damals noch "Grüne Alternative" nannte. APA/GEORG HOCHMUTH
Anlass für seinen Abgang von den Grünen war der Bundeskongress im Juni 2017. Dort ist er in der Abstimmung um den vierten Listenplatz dem Jugend-Kandidaten Julian Schmidt unterlegen. Er lehnte es ab, für einen Listenplatz weiter hinten zu kandidieren, auch einen von der Parteiführung angebotenen Vorzugsstimmenwahlkampf schlug er aus. Stattdessen verkündete er seine Trennung von der Partei, die er mitbegründet hat. Lediglich den Eurofighter-Untersuchungsausschuss brachte Pilz, der sich selbst gerne als Aufdecker der Nation darstellte, für die Grünen noch zu Ende, bevor er aus dem Parlamentsklub auszog. APA/DIE GRÜNEN/INES BACHER
Für Pilz, der schon seit längerem einen Kurswechsel der Grünen verlangt und immer wieder quer geschossen hatte, waren seine Nominierungen bei den Bundeskongressen schon in früheren Jahren Zitterpartien. Vor der letzten Nationalratswahl 2013 landete er zwar knapp auf der Liste, musste sich aber aus dem Parteivorstand zurückziehen. APA/ROLAND SCHLAGER
Mit der früheren Parteichefin Eva Glawischnig verband ihn eine "innige Feindschaft": Sie zeigte sich von seinen Alleingängen, aber auch seinem Machismo genervt - und seiner Meinung, die Grünen müssten einen kantigen, linkspopulistischen Kurs fahren, um zu wachsen und die FPÖ herausfordern zu können. (c) APA (Herbert P. Oczeret)
Pilz' Verdienste sind dennoch unbestritten. Der vor allem von den Wiener Boulevardmedien geliebte Steirer agiert seit Jahren als Aufdecker im Kampf gegen Korruption und verfügt über beste Kontakte zu Polizei, Heer und Geheimdiensten. Immer wieder stand er sich damit aber auch selbst im Weg: durch seinen Hang zur Inszenierung und zur schnellen Pointe, seinem oft aufgesetzt wirkenden Verschwörerton und mit der inquisitorischen Tendenz, als Kläger und Richter gleichzeitig aufzutreten. (a) APA
Seine bisher größte Rolle spielte der langjährige Bewohner einer Gemeindebauwohnung in Wien-Kaisermühlen als Vorsitzender des ersten Eurofighter-Ausschusses 2007. Dass er zehn Jahre später die Chance für einen zweiten nutzte und dafür auch ohne große Skrupel die FPÖ ins Boot holte, galt als weiterer Höhepunkt seiner Karriere, wurde aber auch schon als Versuch gewertet, noch einmal sein Nationalratsmandat zu retten. Erste öffentliche Sporen als Aufdecker hatte er sich in den Affären "Noricum" und "Lucona" verdient. (Bild: Gabriela Moser und Grünen-Fraktionsführer Peter Pilz vor einer Sitzung des Eurofighter-U-Ausschusses) APA/GEORG HOCHMUTH
Ein weiterer Verdienst Pilz' ist die Entdeckung Alexander Van der Bellens für die Politik. Dieser war Betreuer seiner Dissertation ("Ökonomische Bedeutung der Einführung neuer Medien in Österreich", 1983). Pilz brachte ihn zu den Grünen. Politische Anfänge hatte der Hobbymusiker - es gab legendäre Vorweihnachtsauftritte als "Nick O'Low" - bei den Trotzkisten an der Universität, aber auch den Sozialdemokraten. Ein gewisser Michael Häupl schloss ihn damals aus dem Verband der sozialistischen Studenten aus. APA
Zur Person: Peter Pilz wurde am 22. Jänner 1954 in Kapfenberg (Steiermark) geboren. Er ging in Bruck an der Mur ins Gymnasium, war Zivildiener und studierte an der Uni Wien Volkswirtschaft. 1986 zog er mit den ersten Grünen in den Nationalrat ein. Peter Pilz ist verheiratet. APA/DIE GRÜNEN/INES BACHER
Peter Pilz: Grüner Einzelkämpfer (doch) nicht im Hohen Haus
Peter Pilz will zurück in die Politik. Wo sein Platz sein wird, in welche Richtung die Partei ideologisch gehen soll, wie man die Parteiakademie aufstellen kann und ob sich die Liste Pilz nicht besser umbenennen sollte, darüber soll es derzeit innerparteilich heftige Diskussionen geben. Vor allem zwischen Pilz und Noll.
Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.