Die blaue Handschrift wird sichtbar

Strache; Kurz
Strache; KurzAPA/HANS KLAUS TECHT
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Nach der internen Aufregung um den Zwölf-Stunden-Arbeitstag ist die FPÖ bemüht, ihre Verhandlungserfolge herauszustreichen. Dazu zählt, dass das Rauchverbot in der Gastronomie nicht kommt.

Es war eine kleine Medienoffensive, die FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache da in den vergangenen Tagen gestartet hat: Ein großes Interview im Sonntag-„Kurier“, ein Posting auf Facebook am Montagvormittag, in dem er ausplauderte, dass sich FPÖ und ÖVP auf einen steuerlichen Familienbonus von 1500 Euro pro Kind und Jahr geeinigt haben. Zudem habe die FPÖ eine Entlastung für kleinere und mittlere Einkommensschichten bis 1900 Euro „durchgesetzt“. Danach käme dann die „große Steuerreform für ALLE“.

Wenig später wurde dann auch noch publik, dass sich die künftigen Koalitionäre auf eine weitere Forderung der FPÖ verständigt haben: Das von der bisherigen Regierung ab Mai 2018 geplante absolute Rauchverbot in der Gastronomie wird nicht umgesetzt – die geltende Regelung bleibt in Kraft. Die Gäste können also weiterhin in abgetrennten Räumen rauchen. Zugleich wird das generelle Rauchverbot für Jugendliche von 16 auf 18 Jahre angehoben. Außerdem soll es auch ein Rauchverbot in Autos geben, wenn Kinder und Jugendliche unter 18 im Wagen mitfahren.

Könnte all das damit zu tun haben, dass der FPÖ-Chef in der Vorwoche massiv unter Druck – auch der eigenen Anhänger – geraten war, da er der Ausweitung der maximalen täglichen Arbeitszeit auf zwölf Stunden (unter Beibehaltung der bisherigen maximalen wöchentlichen Arbeitszeit) zugestimmt hat? Möglicherweise wollte Strache nun signalisieren, dass sich auch die FPÖ in diversen Bereichen durchgesetzt hat.

Die ÖVP, so ist aus deren Verhandlerkreisen zu hören, lasse Strache das auch durchgehen. Man drücke hier, „solang es nichts Schlimmeres ist“, ein Auge zu. Denn auch das soll zum neuen Stil der türkis-blauen Koalition gehören: Leben und leben lassen. Jeder solle die Möglichkeit haben, seine Politik bestmöglich zu verkaufen.

In der öffentlichen Wahrnehmung hat das Pendel allerdings zuletzt tatsächlich deutlich aufseiten der FPÖ ausgeschlagen – da hat Straches Offensive durchaus Früchte getragen. Hatte es in der Vorwoche noch geheißen, er habe sich beim Zwölf-Stunden-Tag von der ÖVP über den Tisch ziehen lassen, so sieht die Sache, bei dem, was nun auf diesem liegt, anders aus: Die FPÖ hat sich nicht nur beim heiklen Nichtraucherschutz durchgesetzt, sondern – aller Voraussicht nach – auch bei den Ministerien: Die Freiheitlichen bekommen ziemlich sicher das Außenministerium, das Innenministerium und das Verteidigungsministerium.

Für Bundespräsident Alexander Van der Bellen war das zu Verhandlungsbeginn noch ein No-go. In einem Gespräch mit Strache und Sebastian Kurz legte Van der Bellen nun noch einmal seine Bedenken dar: etwa, dass das Innen- und das Justizressort nicht in der Hand einer Partei sein sollten. Daran ist – abgesehen davon, dass beide Ministerien bisher von einer Partei, der ÖVP, geführt wurden – aber ohnehin nicht gedacht. Das Justizressort bekommt die ÖVP.

FPÖ: Funkstille zwischen Wien und Linz

Wenn das Innenressort an die FPÖ geht (derzeitiger Favorit: Herbert Kickl), was passiert dann mit Wolfgang Sobotka? Er könnte doch noch Nationalratspräsident werden, also könnte wieder der ursprüngliche Plan in Kraft treten, demzufolge Elisabeth Köstinger nur den Platzhalter für ihn macht. Köstinger könnte Bildungsministerin werden. Eine andere Kandidatin, die oberösterreichische Landesrätin Christine Haberlander, möchte jedenfalls nicht nach Wien wechseln.

Apropos Oberösterreich: Hier hängt der blaue Haussegen schief. Strache und Co. nehmen es Manfred Haimbuchner übel, dass er nicht in die Bundesregierung will. Und der FPÖ-Chef in Linz hat der Parteiführung in Wien nach wie vor nicht verziehen, dass ihm Anneliese Kitzmüller als Verhandlerin im Kernteam vorgezogen wurde.

Erhalten bleiben könnte das Familien- und Jugendministerium: Um Sport erweitert soll es Petra Steger (FPÖ) bekommen.

Feilschen um Steuerpaket

Bei ÖVP und FPÖ ist man zuversichtlich: Bis zum kommenden Wochenende sollen alle Themenbereiche abgehandelt und die neue Koalition fixiert sein. Derzeit verhandelt man noch intensiv über eine Steuerreform, die alle entlasten soll.

Gesprochen wird über die Anpassung der ersten drei Einkommenssteuerstufen, heißt es aus Verhandlerkreisen. Das ÖVP-Modell sieht vor, die Steuersätze von derzeit 25, 35 und 42 Prozent auf 20, 30 und 40 Prozent zu senken. Die drei obersten Steuersätze blieben unverändert bei 48 bis 55Prozent. Die Besserverdiener würden aufgrund des progressiven Systems ohnehin von der Entlastung der unteren drei Stufen profitieren, wird argumentiert.

Der Spitzensteuersatz von 55 Prozent gilt derzeit nur für Einkommen von mehr als einer Million Euro pro Jahr. Die bald alte Regierung aus SPÖ und ÖVP hat ihn im Zuge der letzten Steuerreform eingeführt und mit 2020 befristet. Diese Befristung könnte jetzt fallen: Die 55Prozent könnten eine Dauereinrichtung werden, vernimmt man.

Wie schnell die Steuerreform umgesetzt werden soll – bzw. aufgrund der angespannten finanziellen Situation umgesetzt werden kann –, sei noch Gegenstand der Gespräche. Ebenso der Umfang und der Zeitpunkt der Abschaffung der kalten Progression (schleichende Steuererhöhung, weil die Tarife nicht an die Inflation angepasst werden).

Senkung der Abgabenquote

Das Ziel, die Abgabenquote in Österreich auf unter 40 Prozent zu senken, sei weiter aktuell und werde diskutiert. Die Senkung solle schrittweise umgesetzt werden.

Wobei der künftigen Regierung in dieser Frage das Wirtschaftswachstum entgegenkommen wird. Im Finanzministerium gibt es Berechnungen, dass die Abgabenquote in den kommenden fünf Jahren auch ohne Maßnahmen von aktuell 42,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf 41,6 Prozent zurückgehen wird. Dennoch müssen ÖVP und FPÖ zwischen sechs und elf Mrd. Euro bewegen, um die 40-Prozent-Marke zu erreichen. (rie)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.12.2017)

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