Der Bundespräsident mahnte und lobte den neuen Kanzler Kurz und dessen Vize Strache. Anders als einstmals Klestil zeigte Van der Bellen eine freundliche Miene - und sorgte mit zwei Hoppalas für Schmunzeln.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat am Montagvormittag die türkis-blaue Bundesregierung von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) angelobt. Anders als bei der ersten schwarz-blauen Regierung im Jahr 2000 schritt die Regierung heute nicht unterirdisch, sondern vom Kanzleramt über den Ballhausplatz in die Präsidentschaftskanzlei. Und anders als dereinst das damalige Staatsoberhaupt Thomas Klestil zeigte Van der Bellen keine saure, sondern eine freundliche Miene.
"Wir haben in den vergangenen gut zwei Monaten intensiv daran gearbeitet, eine tragfähige gemeinsame Lösung zu finden", erklärte der Bundespräsident. Er habe Kurz und Strache als "kooperativ und lösungsorientiert erlebt", und so müsse eine Bundesregierung auch arbeiten.
Österreich hat eine neue Regierung: Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat Montagvormittag das aus ÖVP- und FPÖ-Repräsentanten bestehende Kabinett angelobt. (c) APA
Vorbei an einem guten Dutzend Polizei-Kleinbussen machte sich das Kabinett vom Außenministerium am Wiener Minoritenplatz zu Fuß zur Angelobung in die Präsidentschaftskanzlei am Ballhausplatz auf. Dieser war Sperrzone - aus der Ferne waren die Demonstranten am Heldenplatz zu hören. (c) APA
Die künftigen Regierungsmitglieder hatten (Ehe-)Partner mit dabei. Es wurden Händchen gehalten, es wurde gelächelt. Im Bild: Sebastian Kurz in Begleitung seiner Freundin Susanne und Heinz-Christian Strache mit Ehefrau Philippa. (c) APA
Die Angelobungszeremonie lief feierlich, aber insgesamt auch ziemlich gelöst ab. So lobte Van der Belle die neue Regierungsspitze: Er habe sie in den Gesprächen der vergangenen Wochen als kooperativ und lösungsorientiert kennengelernt. (c) APA
Positiv sieht der Präsident auch, dass bei den Koalitionsverhandlungen wichtige Punkte außer Streit gestellt wurden. Dazu zählt er das Bekenntnis zur EU, zu einer Kontinuität in der Außenpolitik insgesamt sowie die Feststellung, dass die Einhaltung von Grund- und Freiheitsrechten ein wichtiges Grundprinzip sei. (c) APA
Einzelne Minister wie Infrastrukturminister Norbert Hofer (FPÖ) oder Frauenministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) fügten an die Gelöbnisformel noch den Zusatz "so wahr mir Gott helfe" an. (c) APA
Zwei kleine Hoppalas leistete sich Van der Bellen: Er vergaß kurzfristig sowohl, Strache die Hand zu geben und ihn um das Gelöbnis zu ersuchen, als auch die Unterzeichnung der Bestallungsurkunden der Minister. Das sorgte rundherum für Schmunzeln - und beim Präsidenten für einen Griff an den Kopf. (c) APA/ROBERT JAEGER (ROBERT JAEGER)
Der neue Infrastrukturminister Norbert Hofer erschien frisch rasiert zur Angelobung. Er hatte sich während der Regierungsverhandlungen einen Bart wachsen lassen, den er erst nach Abschluss der Gespräche abrasieren wollte. (c) APA/ROBERT JAEGER (ROBERT JAEGER)
Auf dem Heldenplatz demonstrierten unterdessen rund 5500 Menschen. Zu gröberen Zwischenfällen kam es dabei laut Polizei nicht. (c) APA
Nach der Angelobung begleiteten dutzende nationale und internationale Medienvertreter die neue Regierung quer über den Ballhausplatz ins Kanzleramt. Dabei kamen die neuen Regierungsmitglieder nur langsam voran, teilweise kam es zu chaotischen Szenen: Den frisch angelobten Vizekanzler Strache erwischte ein Richtmikrofon am Kopf, worauf hin er seine Brille vom Asphalt aufheben musste. APA
Abschließendes Gruppenfoto: (v.l. 1 Reihe) Herbert Kickl (FPÖ/Innenministerium), Juliane Bogner-Strauß (ÖVP/Frauen und Familie), Karin Kneissl (FPÖ/Aussenministerium), Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ), Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Elisabeth Köstinger (ÖVP/Landwirtschaft, Umwelt und Tourismus), Gernot Blümel (ÖVP/Kanzleramtsminister für EU, Medien, Kunst und Kultur), Margarete Schramböck (ÖVP/Wirtschaft und Digitales) und Norbert Hofer (FPÖ/Infrastruktur und Verkehr) sowie (v.l. 2 Reihe) Hubert Fuchs (FPÖ/ STS für Finanzen), Heinz Faßmann (ÖVP/Bildung, Universitäten, Kindergärten), Beate Hartinger (FPÖ/Soziales und Gesundheit), Hartwig Löger (ÖVP/Finanzen) , Mario Kunasek (FPÖ/Verteidigung), Josef Moser (ÖVP/Justiz und Staatsreform) und Karoline Edtstadler (ÖVP/STS im Innenministerium) APA
Händchenhalten und ein Griff an den Kopf: Bilder von der Angelobung
"Ich verrate ein Geheimnis, wir haben doch eine sehr unterschiedliche politische Herkunft", scherzte Van der Bellen. Als Präsident müsse er aber das Wohl aller im Auge haben. "Das gleiche gilt für Sie", mahnte Van der Bellen. Wichtig sei außerdem, Verantwortung für die Geschichte zu tragen - auch für die dunklen Seiten. Außerdem lege er Wert auf "Achtsamkeit beim Gebrauch unserer Sprache" und "Respekt vor Andersdenkenden und vor Minderheitenrechten".
Beinahe Unterzeichnung der Bestellungsurkunden vergessen
Die Regierung besteht aus 14 Ministern. Dazu kommen noch zwei Staatssekretäre. Sie bejahten allesamt die Gelöbnisformel, mit der sie versicherten, Bundesverfassung und alle Gesetze der Republik Österreich getreulich zu beobachten und die mit ihrem Amt verbundenen Pflichten nach bestem Wissen und Gewissen zu erfüllen. Einzelne Minister wie Infrastrukturminister Norbert Hofer (FPÖ) oder Frauenministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) fügten an die Formel noch den Zusatz "so wahr mir Gott helfe" an.
Ungewöhnlich an der Angelobung war zweierlei. Erstens verzichtete Van der Bellen darauf, die Titel der Regierungsmitglieder vorzulesen ("Das ist mir zu umständlich") und zweitens begnügte er sich nicht damit, einfach die Gelöbnisformel abzunehmen, sondern wechselte mit jedem Minister und Staatssekretär auch noch einige persönliche Worte. Zwei kleine Fauxpas leistete sich der Bundespräsident auch: Er vergaß kurzfristig sowohl, Strache die Hand zu geben und ihn um das Gelöbnis zu ersuchen, als auch die Unterzeichnung der Bestellungsurkunden der Minister. Das sorgte rundherum für Schmunzeln.
Während die Regierung angelobt wurde, demonstrierten etwa 5500 Menschen gegen Türkis-Blau. Die Demos verliefen über weite Strecken ohne gröbere Zwischenfälle, beim Abstrom gab es dann aber doch drei Festnahmen. Rund 1500 Polizisten waren im Einsatz. Die Polizei hatte für das Regierungsviertel in Wien ein Platzverbot und weiträumige Sperren rund um Kanzleramt, Ballhausplatz und Hofburg verhängt.
Von Landstraße/Wien Mitte ging der Zug der Schülerinnen und Schüler los. Christine Imlinger
"Schülerinnen gegen Schwarz-Blau". Christine Imlinger
"Strache raus, Basti raus" wurde skandiert. Christine Imlinger
Die Plattform Radikale Linke und die Autonome Antifa machten sich vom Karlsplatz aus auf den Weg. Christine Imlinger
Christine Imlinger
Die ÖH organisierte eine Demo mit Start am Platz der Menschenrechte beim Museumsquartier. Christine Imlinger
Über den Ring zogen die Demonstrationszüge Richtung Heldenplatz, wo eine Abschlusskundgebung angemeldet war. Christine Imlinger
Auch eine Fahrraddemo war unterwegs. Christine Imlinger
Gegen 10 Uhr begann sich der Heldenplatz zu füllen. Christine Imlinger
Von der "Offensive gegen Rechts" waren laut Veranstalter schon 1200 Menschen da, weitere wurden noch erwartet. Christine Imlinger
Nicht alle Teile des Platzes waren zugänglich - die Polizei hatte ein Platzverbot rund um Ballhausplatz und Hofburg verhängt. Christine Imlinger
Insgesamt waren 1500 Polizisten im Einsatz. Christine Imlinger
Durch das Burgtor strömten weitere Menschen auf den Platz. Christine Imlinger
Gegen 11 Uhr war nach Angaben der Polizei von 3500 Teilnehmern die Rede. Christine Imlinger
"Widerstand, Widerstand" wurde am Heldenplatz skandiert. Eine Erinnerung an die Donnerstagdemos, die rund um die Demos gegen die erste schwarz-blaue Regierung im Jahr 2000 abgehalten wurden. Christine Imlinger
Die Polizei hatte mittlerweile die Helme aufgesetzt. Aber die Lage blieb weiter ruhig. Christine Imlinger
Noch-Innenminister Wolfgang Sobotka schaute vorbei. Die Demonstranten riefen - wenig sinnvoll, zugegeben - nach seinem Rücktritt. Christine Imlinger
Hinter den Kulissen lief mittlerweile die Angelobung an. Christine Imlinger
Demos gegen die Angelobung: "Strache raus, Basti raus"
An mehreren Standorten versammelten sich in den Morgenstunden Demonstranten. Unter anderem vom Platz der Menschenrechte vor dem Museumsquartier, vom Karlsplatz, von der Uni Wien und von Landstraße Wien Mitte setzten sich Demozüge in Bewegung. "Strache raus, Basti raus", skandieren etwa die Schülerinnen und Schüler, die sich gegen 9 Uhr von Wien Mitte aus Richtung Heldenplatz auf den Weg machten. "Tod dem Faschismus!", "Türkis ist auch nur helles Blau" und "Raus aus meinem Kurzzeitgedächtnis", war auf Plakaten zu lesen.
Das ursprünglich befürchtete große Verkehrschaos blieb aus. Der ÖAMTC führte dies einerseits auf umfangreiche Aufklärungsarbeit im Vorfeld zurück, was doch einige zum Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel bewogen haben dürfte. Auch dass die letzte Woche vor Weihnachten begonnen hat und manche bereits frei haben, hat vermutlich zur Deeskalation beigetragen. "Es gab zwar einige Staus, aber so wie befürchtet war es nicht", resümierte eine ÖAMTC-Sprecherin. Gegen Mittag waren die meisten Sperren in der Innenstadt bereits aufgehoben. Bei den Öffis kam es in der Innenstadt ebenfalls zu Behinderungen.
Die Angelobungsformel im Wortlaut
Die Angelobung von Regierungsmitgliedern durch den Bundespräsidenten erfolgt nach der Verlesung der Gelöbnisformel mit den Worten "Ich gelobe". Bekräftigt wird das Gelöbnis mit Handschlag und Unterschrift. Das Dekret hat folgenden Wortlaut:
"Sie werden im Sinne des Artikel 72 des Bundes-Verfassungsgesetzes geloben, die Bundesverfassung und alle Gesetze der Republik Österreich getreulich zu beobachten und die mit Ihrem Amte verbundenen Pflichten nach besten Wissen und Gewissen zu erfüllen." Nach den Worten "Ich gelobe" erfolgt die Unterschrift des neuen Regierungsmitgliedes und des Bundespräsidenten unter das Ernennungsdekret.
Beim neu gestalteten Pressefoyer nach dem Ministerrat trat erstmals Regierungssprecher Launsky-Tieffenthal auf. Regierungskoordinatoren werden Kanzleramtsminister Blümel und Staatssekretär Fuchs.
Die FPÖ-Regierungsriege zog vor dem Ministerrat geschlossen schweigend an den Journalisten vorbei, ÖVP-Staatssekretärin Edtstadler referierte einen offenbar auswendig gelernten Text.
Während Alexander Van der Bellen drinnen für eine freundliche, ja ungezwungene Angelobung sorgte, gab es draußen Protest. Der erste Tag der neuen Regierung.