Mindestsicherung: Bundesregierung hält an Plänen fest

Die Presse/Clemens Fabry
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ÖVP und FPÖ streben weiterhin ein einheitliches bundesweites Mindestsicherungssystem an. Der Regierungsvorschlag soll Ende 2018 stehen. Die ursprünglichen Pläne ähneln stark dem niederösterreichischen Gesetz, das vom VfGH für verfassungswidrig befunden wurde.

Die Bundesregierung hält trotz des Entscheids des Verfassungsgerichtshofes, die Mindestsicherungsregelung in Niederösterreich aufzuheben, an ihren Plänen fest: Man werde eine bundesweit einheitliche Lösung erarbeiten, die zwischen jenen unterscheidet, "die schon länger in das Sozialsystem eingezahlt haben und jenen Nicht-Österreichern, die neu in das Sozialsystem dazu gekommen sind". Das sagten die Regierungskoordinatoren Gernot Blümel (ÖVP) und Norbert Hofer (FPÖ) in einer gemeinsamen schriftlichen Stellungnahme: "Natürlich respektiert die Bundesregierung die Entscheidung des VfGH zur Mindestsicherung in Niederösterreich."

"Wir halten aber an unserem Ziel fest, eine bundesweit einheitliche Lösung zu erarbeiten, die differenziert zwischen denjenigen Personen, die schon länger in das Sozialsystem eingezahlt haben und jenen Nicht-Österreichern, die neu in das Sozialsystem dazu gekommen sind", hieß es in der Stellungnahme. Einen entsprechenden Vorschlag soll es bis Ende des Jahres geben.

Löger: "Neuorientierung"

Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) nannte den VfGH-Beschluss eine "Neuorientierung" für eine gute und richtige Gesetzgebung. Vor Beginn der Eurogruppe Montag in Brüssel sagte Löger, die zuständigen Behörden würden sich mit der Causa beschäftigen.

Der VfGH hatte in seiner Märzsession Verschärfungen der Zumutbarkeitsbestimmungen zur Bedarfsorientierten Mindestsicherung als unsachlich und daher verfassungswidrig bezeichnet. Damit werde der Zweck der Mindestsicherung, nämlich die Vermeidung und Bekämpfung von sozialen Notlagen bei hilfsbedürftigen Personen, verfehlt.

Starke Ähnlichkeit zu Niederösterreich

Der VfGH hat in seiner Märzsession befunden, dass eine von der Dauer des Aufenthalts in Österreich abhängige Wartefrist für die Mindestsicherung in voller Höhe und eine starre Deckelung der Bezugshöhe bei Haushalten mit mehreren Personen im niederösterreichischen Mindestsicherungsgesetz "unsachlich und daher verfassungswidrig" seien.

Ganz ähnlich lauten allerdings die Pläne im Regierungsprogramm von ÖVP und FPÖ im Bund, wo eine österreichweite Vereinheitlichung der Mindestsicherung vorgesehen ist. "Leistungen für eine Bedarfsgemeinschaft werden mit 1500 Euro gedeckelt", heißt es dort. "Anspruch auf Bedarfsorientierte Mindestsicherung in Österreich setzt voraus, in den vergangenen sechs Jahren mindestens fünf Jahre legal in Österreich gelebt zu haben." Die Geldleistung für Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte soll laut Regierungsprogramm auf 365 Euro Grundleistung sowie einen möglichen Integrationsbonus von 155 Euro reduziert werden.

Stadtregierung: Wiener Mindestsicherung als Vorbild

Bestätigt fühlt sich unterdessen die rot-grüne Wiener Stadtregierung: Die Bundeshauptstadt will nun als Vorbild für eine bundesweit einheitliche Regelung dienen. Das meinte Sozialstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) am Montag in einer Aussendung. Die Wiener Mindestsicherung ist seit 1. Februar in Kraft. Statt Kürzungen oder Deckelungen setzt die Stadt auf teils strengere Voraussetzungen für einen Bezug beziehungsweise auf raschere Eingliederung in den Arbeitsmarkt. Etwa ist die Bereitschaft, eine Beschäftigung oder ein Kursangebot anzunehmen, ein Kriterium. Eine Wartefrist wurde zwar von SPÖ-Seite zwischenzeitlich ventiliert, letztendlich aber auf eine solche verzichtet.

Auch Vorarlberg bringt sich als Vorbild-Modell für die Regierung in Position. Mit dem Maßnahmenpaket seien in Vorarlberg die Kosten der Mindestsicherung sowie die Anzahl der Bezieher reduziert worden, teilte ÖVP-Vorarlberg-Klubobmann Roland Frühstück mit. Die Lösung in Vorarlberg wurde bereits vom VfGH bestätigt.

Grüne: "Haben von Anfang an Verfassungswidrigkeit aufgezeigt"

Und auch die niederösterreichischen Grünen fühlen sich vom VfGH-Beschluss bestärkt: "Wir haben vom Anfang an die Verfassungswidrigkeit aufgezeigt", sagte Klubobfrau Helga Krismer.

Die Grünen hätten seit mehr als einem Jahr darauf hingewiesen, "dass die ÖVP hier ein Gesetz schlampig erstellt und beschlossen hat, die Verschärfungen existenzbedrohend sind und durch die Kürzungen der Sozialleistungen mehr Armut bei Kindern, Alleinerziehern, Familien, Senioren und Behinderten bedeutet". Die Landesregierung sei nun aufgefordert, das Gesetz so zu "reparieren, dass einerseits die Deckelung fällt und die Existenz der Menschen gesichert bleibt".

(APA)

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