Die neue, bundeseinheitliche Mindestsicherung gibt es erst nach einer Wartezeit von fünf Jahren. Alleinerzieher bekommen mehr Geld, Familien weniger, Deutschkenntnisse bringen 300 Euro.
Mauerbach. 2016 war man an einheitlichen Regeln für die Mindestsicherung gescheitert. Jetzt nehmen ÖVP und FPÖ einen neuen Anlauf: Gestern stellte die Regierung bei ihrer Klausur in Mauerbach die Pläne für eine bundeseinheitliche Mindestsicherung vor. Der Gesetzesentwurf geht kommende Woche in Begutachtung und soll im Herbst vom Nationalrat beschlossen werden.
Ausländer
Kernpunkt des Vorhabens ist eine Unterscheidung zwischen jenen, die schon in Österreich leben, und jenen, die neu ins Land kommen. So gilt künftig generell für Personen aus Drittstaaten und für EU-Ausländer eine fünfjährige Wartefrist. Man wolle damit eine „Zuwanderung ins Sozialsystem“ verhindern, erklärten Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ).
Die Höhe der Mindestsicherung beträgt 863 Euro pro Monat, von denen 300 Euro als „Arbeitsqualifizierungsbonus“ vorgesehen sind. Diesen Bonus erhält, wer einen Pflichtschulabschluss in Österreich hat oder bestimmte Voraussetzungen erfüllt. Dazu gehören Sprachkenntnisse auf dem Niveau B1 (prüfen soll das der Integrationsfonds), eine Integrationsvereinbarung, ein abgeschlossener Wertekurs und Qualifizierungsmaßnahmen. Werden diese Kriterien nicht erfüllt, erhält der Betroffene nur 563 Euro pro Monat. Die deutsche Sprache werde damit „der Schlüssel“ (Kurz) für den Bezug der Mindestsicherung. Juristen äußerten gestern bereits Bedenken, ob diese Regelung verfassungs- und EU-konform sei. Die Regierung ist davon überzeugt.
Familien
Für Familien ist eine Deckelung der Mindestsicherung vorgesehen, die aber nicht starr ist (was der Verfassungsgerichtshof in Niederösterreich aufgehoben hat), sondern gestaffelt. Für das erste Kind gibt es 25 Prozent von 863 Euro (hier gilt der um 300 Euro reduzierte Betrag nicht). Für das zweite Kind 15 Prozent, ab dem dritten Kind gibt es fünf Prozent. Diese Neuregelung bringt vor allem in Wien empfindliche Verluste für Familien, die aktuell für jedes Kind mehr als 25 Prozent erhalten.
Man wolle damit einen deutlichen Unterschied zwischen arbeitenden Familien und Familien machen, die die Mindestsicherung beziehen, erklärte die Regierung (konkrete Beispiele siehe Grafik).
Alleinerzieher
Alleinerzieher werden künftig bessergestellt, für sie gibt es einen Kinderbonus. Sie erhalten zusätzlich zur Kinderstaffel (25 Prozent, 15 Prozent, fünf Prozent) 100 Euro für das erste Kind, 75Euro für das zweite und 50Euro ab dem dritten Kind.
Mit dem neuen System führe man „die soziale Gerechtigkeit“ ein, meinte ÖVP-Verhandler und -Klubobmann August Wöginger. Man sende damit auch ein Signal an jene Menschen, die tagtäglich aufstehen und arbeiten gehen würden.
Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) erklärte, dass das bisherige Modell der Mindestsicherung Arbeit und Leistung behindere. Man werde ein Kontrollsystem umsetzen, das bei unrechtmäßigem Bezug oder etwa bei Schwarzarbeit Sanktionen bis hin zu einer Rückforderung der Gelder vorsehe.
Für die Mindestsicherung wird jährlich etwa eine Milliarde Euro aufgewendet, österreichweit haben sie 2016 (aktuellste Zahlen) knapp 310.000 Menschen erhalten.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.05.2018)