Das in die 15a-Vereinbarung zur Kinderbetreuung hineinreklamierte Kopftuchverbot stößt bei Vorarlbergs Landeschef auf Unverständnis. Er warnt vor einer Verbürokratisierung. Auch aus Oberösterreich und Salzburg kommt Kritik.
Die derzeit vorliegenden Vorschläge des Bundes zur Kinderbetreuung sind für Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) "so nicht umsetzbar". Am meisten Kopfzerbrechen bereite ihm die lange Reihe an Kriterien für die Mittelvergabe. Diese führten zu einer Verbürokratisierung, seien "praxisfern" und "hoffnungslos überzogen", sagte Wallner am Freitag. Seit Mittag findet zur Bund-Länder-Vereinbarung eine Verhandlungsrunde auf Beamtenebene statt.
Der Bund verlange nicht durchführbare Kontrollen und Standards, meint Wallner. So würden etwa die Qualifikationsanforderungen hochgeschraubt, dabei sei dafür das Personal gar nicht vorhanden. Zielvorgaben, wie etwa dass die Betreuungsquote pro Bundesland und Jahr um zwei Prozentpunkte wachsen soll, seien in der Praxis in dem Tempo nicht erfüllbar. Standards bei Sprachstandfeststellungen sollen laut Bund bereits ab Herbst gelten. "Das geht in dem Tempo unmöglich", so der Landeshauptmann. Erst lasse man die Länder monatelang warten, jetzt mitten in der Sommerzeit komme der Bund mit nicht umsetzbaren Vorschlägen. "Da sind wir in den Bundesländern schon sauer", so Wallner, der auf Gespräche mit anderen Landeshauptleuten verwies.
Der Vorentwurf müsse jedenfalls "gründlich neu überarbeitet" werden. Die Abholung der Mittel solle möglichst unbürokratisch gestaltet und die Bereiche Kindergarten und Kleinkindbetreuung klar getrennt werden. Er glaube, dass sich der Bund noch bewegen werde. Bei den am Freitag gestarteten Verhandlungen auf Beamtenebene müssten die Länder aber jedenfalls ein "starkes Signal" senden, "wir müssen uns schon artikulieren".
"Bund schiebt die heiße Kartoffel an Länder ab"
"Nicht so der Angelpunkt" ist für Wallner dagegen die in Aussicht gestellte Höhe des Bundesbeitrags von 110 Millionen Euro, obwohl dieser 30 Millionen Euro unter dem bisherigen liegt. "Es ist nachvollziehbar, dass eine möglichst hohe Beteiligung des Bundes wünschenswert ist, diese Forderung unterstützen wir. Aber es ist ein guter Beitrag, mit dem man im Ausbau weiterarbeiten kann", sagte Wallner. Vorarlberg sei jedenfalls bereit zu Verbesserungen. Angesprochen auf die relativ kurzen Öffnungszeiten der Kinderbetreuungen in Vorarlberg - 56 Prozent haben weniger als acht Stunden täglich geöffnet - räumte Wallner ein: "Da kann man schon noch mehr tun". Dafür liege man beim Betreuungsschlüssel im Bundesvergleich gut.
Das zuletzt noch in die 15a-Vereinbarung zur Kinderbetreuung hineinreklamierte Kopftuchverbot stößt bei Wallner auf Unverständnis, denn das habe eigentlich mit der Kinderbetreuung nichts zu tun. Es gebe bisher keine verfassungskonforme Gesamtregelung dazu, hier sei der Bund "mehr als nur säumig". Während der Bund etwa in den Bundesschulen in der Sache nichts tue, würden von den Ländern Sanktionen in ihren Bereichen gefordert. "Hier schiebt der Bund die heiße Kartoffel an Länder und Gemeinden ab", folgerte der Landeshauptmann. In Vorarlberg gebe es dazu außerdem "null Beschwerden, das stellt kein Thema dar".
Stelzer: "Politik auf Augenhöhe sieht anders aus"
Wallners oberösterreichischer Amtskollege Thomas Stelzer (ÖVP) richtete der Bundesregierung am Freitag aus: "Politik auf Augenhöhe sieht anders aus." Einerseits missfällt ihm, dass den Ländern 30 Millionen Euro weniger Geld zur Verfügung gestellt wird, und andererseits die Verknüpfung mit dem Kopftuchverbot im Kindergarten.
"Ich halte ein Kopftuchverbot für junge Mädchen im Kindergarten für eine sinnvolle Maßnahme, um Diskriminierungen zu beseitigen und Chancengleichheit herzustellen. Aber was hat das eine, also Geld für die Kinderbetreuung, mit dem Kopftuchverbot zu tun?", wunderte sich Stelzer in einer Aussendung. "Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe und gehören als solche auch gesondert verhandelt und besprochen. Ich erwarte mir eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe."
Aus Salzburg wurde am Freitag ebenfalls Kritik am türkis-blauen Vorhaben laut: Die zuständige Neos-Landesrätin Andrea Klambauer betonte, es werde vorerst keine Zustimmung geben. Einerseits geht es den Salzburgern ums Geld: Im Bundesland seien in einem Jahr 631 Kinderbetreuungsplätze geschaffen worden. Jetzt sollen noch einmal 700 Plätze genehmigt werden, um den Bedarf zu decken - mit weniger Geld gehe sich das aber nicht aus. Dass beim gesetzlich verpflichtenden Gratiskindergartenjahr um rund ein Drittel gekürzt werden soll, treffe vor allem die Gemeinden, gab die Landesrätin auch zu bedenken.
Auf einen Blick
Seit Mittag verhandeln Beamte aus den Ländern mit jenen von Familien- und Bildungsministerium über die neue 15a-Vereinbarung, die den Ausbau der Kinderbetreuung, das Gratis-Kindergartenjahr und die sprachliche Frühförderung umfassen soll.Die Vorhaben der türkis-blauen Bundesregierung sind dabei in den Ländern durchaus umstritten.
(APA)