Kurz glaubt nicht an Kerns Karriere in Brüssel

Sebastian Kurz wünscht Kern für seinen weiteren Lebensweg „alles, alles Gute“.
Sebastian Kurz wünscht Kern für seinen weiteren Lebensweg „alles, alles Gute“.(c) APA/BKA/DRAGAN TATIC
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Auch die türkis-blaue Koalition wurde von den Ereignissen in der SPÖ überrascht. Der Kanzler machte aber klar, dass er keinen hohen EU-Job für seinen (Ex-)Kontrahenten Christian Kern erwartet.

Wien. Mit seiner Ankündigung, den Parteivorsitz niederzulegen, hat Christian Kern sowohl Freund als auch Feind überrascht. Denn auch in der ÖVP und der FPÖ hatte man vor Dienstag nicht mit den Ereignissen beim politischen Gegner gerechnet.

Hinter den Kulissen der Regierungsparteien war selbst am Mittwoch noch Verwunderung das vorherrschende Gefühl. Zwar hatten einige im Regierungsumfeld schon geahnt, dass Kern nicht mehr als Spitzenkandidat in die nächste Nationalratswahl gehen wird, der Zeitpunkt des Abdankens aber kam dann doch gänzlich unerwartet. Und insbesondere, dass Kern ohne Befassung der Parteigremien seine Zukunftspläne bekannt gab, sorgte für Kopfschütteln. Freude über Kerns Abgang nach Europa war in Koalitionskreisen am Mittwoch zwar keine zu spüren, Bedauern jedoch ebenso wenig.

Der Regierungsalltag hieß am Mittwoch Ministerrat. Und beim Pressefoyer wurde Bundeskanzler Sebastian Kurz auch auf die Veränderungen in der Opposition angesprochen. „Ich hatte immer, das wissen Sie, mit Christian Kern meine Differenzen“, betonte Kurz, der Kern nach der Wahlauseinandersetzung im Vorjahr als Kanzler abgelöst hatte. Aber er akzeptiere Kerns Entscheidung und wünsche ihm für seinen weiteren Lebensweg „alles, alles Gute“, meinte Kurz.

Kurz: Niemand glaubt an SP-Sieg

Bei guten Wünschen wird es aber auch bleiben. Denn Unterstützung bei der Karriere in Brüssel darf sich Kern, der als Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten für die EU-Wahl 2019 im Gespräch ist, von Kurz kaum erwarten. Das wurde deutlich, auch wenn Kurz auf die Frage nach einer etwaigen Unterstützung der Regierung für Kern auf EU-Ebene ausweichend antwortete: „Ich glaube, dass die Frage sich nicht stellt.“

So solle die stärkste Partei nach der Europawahl den Kommissionspräsidenten nominieren. „Und ich gehe nicht unbedingt davon aus, dass die Sozialdemokratie die stärkste Partei im Europäischen Parlament wird“, sagte Kurz. Nachsatz: „Ich kenne auch in Europa niemanden, der davon ausgeht.“

Was Österreichs Sessel in der Kommission anbelangt, machte Kurz klar, dass dieser unabhängig vom Ergebnis der EU-Wahl im nächsten Jahr von der Bundesregierung besetzt werden wird. „Und da hat die österreichische Volkspartei ein Vorschlagsrecht“, meinte Kurz.

Immerhin gestand der ÖVP-Chef Kern aber zu, dass dieser künftig in Brüssel tätig sein wird. „Nachdem die Sozialdemokratie im Europäischen Parlament vertreten ist, ist auch fix davon auszugehen, dass er dieses Mandat im Europäischen Parlament bei den Wahlen erreichen wird.“

Auch die Worte von ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer deuteten am Mittwoch nicht darauf hin, dass die Regierung Kern unterstützen würde. „In Europa brauchen wir die besten Köpfe, aber sicher keine Versorgungsposten für gescheiterte Politiker“, meinte Nehammer. Vizekanzler Heinz-Christian Strache hatte Kerns Rücktritt bereits am Dienstag kommentiert: „Ein EU-Spitzenkandidat Kern ist wahrlich eine bizarre Überraschung“, sagte Strache am Rande seines Aserbaidschan-Besuchs.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2018)

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