Kickl: „Was da drinnen steht, ist das Gegenteil von Zensur“

NATIONALRAT: KICKL
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Die Opposition hat rund 100 Fragen an Innenminister Kickl zur per E-Mail von dessen Ressort vorgeschlagenen "Informationssperre" und der Empfehlung, Sexualdelikte verstärkt zu thematisieren, in den Nationalrat eingebracht. Mit Video.

Der Nationalrat steht am Mittwoch im Zeichen des umstrittenen E-Mails, das der Ressortsprecher des Innenministeriums, Christoph Pölzl, an die neun Landespolizeidirektionen geschickt hat. In dem Schreiben war davon die Rede, dass die Kommunikation mit „kritischen“ Medien auf „das nötigste (rechtlich vorgesehene) Maß“ beschränkt werden solle. Weiters wird dazu geraten – das Innenministerium betonte umgehend, es handele sich um keine Weisung, sondern um Empfehlungen – die Staatsbürgerschaft und den Aufenthaltsstatus von Verdächtigen in Aussendungen explizit zu nennen und Sexualdelikte verstärkt zu thematisieren (siehe Infobox unten).

Bundespräsident, Bundeskanzler, Opposition und Medienvertreter übten umgehend Kritik, Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) distanzierte sich von dem Schreiben, sprach von einem Fehler seines Mitarbeiters. Die Opposition zeigte sich davon unbeeindruckt, brachte rund 100 Fragen ein.

Bevor Kickl zu Wort kam, begründete der pinke Verfassungssprecher Nikolaus Scherak die „Dringliche Anfrage“. In dem E-Mail sei zu einem „Frontalangriff auf die Pressefreiheit“ aufgefordert worden, dazu, die Staatsbürgerschaft mutmaßlicher Täter in Aussendungen der Landespolizeidirektionen zu benennen, „und dass der Opferschutz in Wahrheit außen vor gelassen werden soll“. Kickl selbst sei in erster Reaktion auf Tauchstation gegangen: „Wenn Sie 24 Stunden dazu brauchen, dass Sie sich ein Bekenntnis zur Pressefreiheit abringen, dann wundern Sie sich nicht, dass Ihnen niemand mehr glaubt in diesem Staat.“ Man müsse davon ausgehen, dass der Minister und sein Kabinett die im E-Mail formulierten Ideen teilen, so Scherak weiter, der Kickls Mitarbeitern „autokratisches Denken“ unterstellte. 

„Ich gehe davon aus, dass Sie mit Ihrer Vorgehensweise eine Gefahr für die Demokratie an sich in Österreich sind.“ So ein Vorgehen sei bislang nur aus Ländern will Polen oder Ungarn bekannt, kritisierte Scherak. Dieser Weg dürfe nicht eingeschlagen werden, sein Fazit: „Herr Bundesminister, treten Sie endlich zurück.“

Kickl: "Das ist das kleine Beamten-Ein-Mal-Eins"

Kickl ließ die Kritik nicht unkommentiert. Bevor er die Fragen beantwortete, verglich er Scheraks Auftreten mit einer „Dramaqueen“ und riet ihm, gemeinsam mit dem aus dem Parlament scheidenden Neos-Gründer Matthias Strolz „Bäume umarmen“ zu gehen: „Ich empfehle den Baum der Erkenntnis“, meinte Kickl – der dafür eine Rüge von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) ausfasste.

Schließlich kam Kickl zum E-Mail: „Es ist keine Weisung an die Landespolizeidirektionen. Glauben Sie, dass Beamte untereinander nur mit Weisungen kommunizieren? Wie weltfremd ist denn so etwas?“ Es könne auch gar keine Weisung sein, da der Mitarbeiter, der das Schreiben verfasst habe, dazu keine Befugnis habe. All jene, die das Mail erhalten hätten, wüssten das: „Das ist kleines Beamten-Ein-Mal-Eins.“ Mehr noch: „Was da drinnen steht ist das Gegenteil von Zensur.“ In dem Schreiben werde dazu aufgefordert, gemäß den gesetzlichen Rahmenbedingungen zu informieren. Von einer „Informationssperre“ sei nie die Rede gewesen. 

Weiters warf der Innenminister der Opposition ein inkonsequentes Vorgehen vor. So werde zum einen nach mehr Information gerufen, zum anderen kritisiert, dass die Polizei über die Herkunft mutmaßlicher Täter informiere: „Wir tun das Gegenteil von Vertuschen und Verharmlosen, das viel zu lange in diesem Land auch betrieben worden ist“, meinte Kickl. Und: Es liege an den Medien, was sie mit den zur Verfügung gestellten Informationen machen würden – eben das sei Pressefreiheit.

Nach einer Aufforderung von Sobotka – „wir sind weit über der Zeit“ – beantwortete Kickl zuletzt noch die Fragen der Opposition. Allerdings ausgesprochen kurz und in der Tonalität: „Ja – Nein – Nein – Ich habe bereits ein Gespräch mit dem betreffenden Mitarbeiter geführt.“

Amon ruft Kickl zu Konsequenzen auf

Werner Amon, Abgeordneter des FPÖ-Regierungspartners ÖVP, schickte eine Erinnerung an die Kollegenschaft: Kritische Artikel „müssen wir aushalten in der Demokratie. Da darf man nicht wackeln, im Idealfall keine Sekunde“. Er forderte zudem Kickl dazu auf, über Konsequenzen nachzudenken, immerhin handle es sich um ein „heikles Mail“. Genauso wie Bundekanzler Sebastian Kurz begrüße Amon die Ankündigung aus dem Ministerium, es würden neue Medienleitlinien erarbeitet. Gleichzeitig sieht er „keinen Grund, dem Herrn Bundesminister das Vertrauen zu entsagen“ - aber fügte ein Zitat Berthold Brechts an: „Vertrauen erschöpft sich dadurch, dass man es in Anspruch nimmt.“

Listengründer Peter Pilz sah in dem E-Mail ein weiteres Beispiel für den Versuch der FPÖ, ihre Macht zu zementieren. Kritische Medien seien ein „ganz, ganz großes Hindernis für die Machtübernahme von rechtsextremen Parteien“. FPÖ-Politiker Johann Gudenus nannte Kickl unterdessen den „erfolgreichsten Innenminister Österreichs“.

Die Misstrauensanträge der Opposition gegen Innenminister Herbert Kickl waren nicht von Erfolg gekrönt. Die Koalition schmetterte Mittwochabend die gemeinsam von NEOS und SPÖ getragene Initiative ebenso ab wie jene der Liste Pilz.

Misstrauensanträge abgelehnt

Die Misstrauensanträge der Opposition gegen Innenminister Herbert Kickl waren nicht von Erfolg gekrönt. Die Koalition schmetterte Mittwochabend die gemeinsam von NEOS und SPÖ getragene Initiative ebenso ab wie jene der Liste Pilz.

Die Volkspartei hatte davor klar gemacht, dass man nicht zustimmen werde, da Kickl sich von dem umstrittenen Medienpapier distanziert habe. Freilich schickte der Abgeordnete Werner Amon eine literarisch angehauchte Warnung in Richtung Kickl nach: "Vertrauen erschöpft sich dadurch, dass man es in Anspruch nimmt", zitierte der schwarze Mandatar aus Bertolt Brechts "Leben des Galilei".

Das E-Mail des Innenministeriums im Wortlaut

„Leider wird wie eh und je seitens gewisser Medien (z.B.: Standard, Falter), sowie neuerdings auch seitens des Kuriers, eine sehr einseitige und negative Berichterstattung über das BMI bzw. die Polizei betrieben. Mittlerweile zählen keine Fakten und Erklärungen mehr, bzw. werden diese einfach ignoriert, da der jeweilige Artikel jedenfalls negativ wird, wie zahlreiche Artikel in jüngster Vergangenheit zeigen. Ich darf daher bitten, bei Anfragen besonders Bedacht zu nehmen und die Auswirkungen mitzubedenken. Anfragen betreffend Ausbildung und andere Themen, die nicht nur euch betreffen können – hier werden wir auch gerne gegeneinander ausgespielt und die Anfrage mehrfach geschickt – bitte CC an mich zu schicken, sodass eine einheitliche Antwort erfolgen kann und wir uns nicht gegenseitig konterkarieren. Ansonsten erlaube ich mir vorzuschlagen, die Kommunikation mit diesen Medien auf das nötigste (rechtlich vorgesehene) Maß zu beschränken und ihnen nicht noch Zuckerl, wie beispielsweise Exklusivbegleitungen zu ermöglichen, es sei denn, ihr seht darin einen echten Mehrwert bzw. die Möglichkeit einer neutralen oder gar positiven Berichterstattung.“

(hell/epos)

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