Griechische Flüchtlingscamps: "Wir können nicht zur Polizei, weil wir 'illegal' sind"

Flüchtlinge in Griechenland
Flüchtlinge in Griechenland APA/AFP/ARIS MESSINIS
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Mehr als 60 Prozent der Geflüchteten, die in Griechenland eintrafen, waren 2018 Frauen und Kinder. Sie werden laut Amnesty International besonders von Schleppern ausgenützt - und hausen zu tausenden in schmutzigen Lagern mit wenig Trinkwasser.

Im laufenden Jahr sind laut Amnesty International über 60 Prozent der Geflüchteten und Migranten, die in Griechenland eintrafen, Frauen und Kinder gewesen. Sie leiden besonders an Übergriffen durch Schlepper und den sich verschlechternden Zuständen in den Flüchtlingslagern auf den Inseln, heißt es in dem am Freitag veröffentlichten Bericht. "Wir können nicht zur Polizei gehen oder jemanden anderen um Hilfe bitten, weil wir 'illegal' sind", wird darin eine 27-jährige Frau zitiert, die mit ihren beiden Schwestern aus Afghanistan geflüchtet ist. "Die Schmuggler nützen das aus." Eine weitere Geflüchtete erzählte Amnesty, ein Schlepper hätte für einen Flug nach Deutschland ihre Tochter gefordert.

Andere berichteten, sie seien sowohl von türkischen Sicherheitskräften und Einwohnern als auch von den eigenen Verwandten oder Mitreisenden belästigt worden. Eine Frau aus dem Iran schilderte Amnesty, ihr Ehemann habe sie zum Geschlechtsverkehr mit einem Schlepper gezwungen, als sie kein Geld mehr hatten, um die Reise fortzusetzen.

"Die europäischen Regierungen haben absolut versagt, sichere und legale Wege für Menschen auf der Flucht zu schaffen. Damit setzen sie insbesondere Frauen und Mädchen einer erhöhten Gefahr von Menschenrechtsverletzungen aus", kritisiert der Generalsekretär von Amnesty International, Kumi Naidoo. Selbst wenn sie es nach Europa schafften, sei ihr Leidensweg noch nicht zu Ende. "Tausende Menschen, darunter viele mit spezifischen Bedürfnissen - wie Menschen mit Behinderungen oder Babys - schlafen in Zelten außerhalb des offiziellen Lagers", heißt es in dem Bericht. Die fünf Flüchtlingslager auf den griechischen Inseln sind für 6400 Menschen konzipiert, aktuell sollen dort mehr als 15.500 Menschen untergebracht sein.

Ratten- und Mäuseplagen, offenes Abwasser

Mangelhafte oder fehlende sanitäre Einrichtungen, zu wenig sauberes Trinkwasser, offen durch das Lager fließendes Abwasser sowie Ratten- und Mäuseplagen prägten das Leben in den Camps. "Alles hier ist schmutzig", erzählte eine Frau aus der Demokratischen Republik Kongo Amnesty. "Es ist unmöglich, sauber zu bleiben, und wenn wir unsere Periode haben, ist es sehr schwierig."

"Es wird jeden Tag schlimmer... Das Lager ist so überfüllt", sagte eine Frau im Camp Moria auf Lesbos, das laut Amnesty zweieinhalb Mal so viele Menschen beherbergt wie die vorgesehene Kapazität von 3100. Mehrere schwangere Frauen hätten erzählt, dass sie auf dem Boden schlafen müssen und keinen oder nur minimalen Zugang zu pränataler Betreuung haben, so der Bericht, für den über 100 Frauen und Mädchen interviewt wurden.

Verantwortlich für die Situation in Griechenland macht Amnesty International das zwischen der EU und der Türkei im März 2016 geschlossenen Migrationsabkommen. Die EU hatte 2016 mit der Türkei vereinbart, dass alle Migranten, die aus der Türkei zu den Inseln übersetzen und kein Asyl in Griechenland bekommen, in die Türkei zurückgeschickt werden können. Die Bearbeitung der Asylanträge geht jedoch wegen Personalmangels nur mühsam voran. Da dies nicht in dem vorgesehenen Umfang stattfinde und wöchentlich Hunderte Menschen zusätzlich ankämen, würden Tausende Menschen monatelang auf griechischen Inseln unter unmenschlichen Bedingungen festgehalten, so Amnesty. Der erzwungene Stillstand habe große Auswirkungen auf die psychische Gesundheit der Menschen.

(APA)

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