Die Leiterin des Extremismus-Referats sollte in die Pension gedrängt werden. Die Razzia bezeichnet sie als „Drohgebärde“.
Wien. In einer bemerkenswerten Zeugenaussage hat die BVT-Beamtin Sibylle G. am Donnerstag der Führung des Innenministeriums den Versuch politischer Säuberung und der Einschüchterung des Bundesamts für Verfassungsschutz vorgeworfen.
Die Zeugin
Sibylle G. ist im BVT die Leiterin des Extremismusreferats und hat somit seit dem Regierungswechsel und der Übernahme des Innenressorts durch FPÖ-Minister Herbert Kickl eine besonders heikle Position: Sie ist auch für die Überwachung der rechtsextremen Szene zuständig, die immer wieder Anknüpfungspunkte mit der FPÖ aufweist. Etwas seltsam mutet ihre Involvierung in die aktuelle BVT-Causa an: Sie ist keine Beschuldigte und hatte weder mit den Lansky-Mails (da gibt es den Vorwurf, dass sie widerrechtlich nicht gelöscht wurden) noch mit den nordkoreanischen Reisepässen etwas zu tun. Trotzdem sind bei der Hausdurchsuchung hauptsächlich Daten aus ihrem Büro beschlagnahmt worden. Die einzige Begründung dafür: Ein Zeuge hat vor der Staatsanwaltschaft ausgesagt, dass sie ein enges Verhältnis zu einem der Beschuldigten habe.
Die Einschüchterung
Der erste Gedanke der Zeugin, als am 28. Februar Polizei-Einsatzkräfte das BVT stürmten: „Jetzt ist der Tag X, von dem in der Szene immer geredet wird. Wenn sie an die Macht kommen, dann hängen sie als Erstes die Staatspolizei auf, und als Nächstes kommt die Justiz dran.“ Sibylle G. betrachtete die Razzia jedenfalls als „Drohgebärde“ und als „Muskelspiel“. „Jemand wollte Aufsehen erregen.“ Dazu gehöre auch, dass in ein Amtsgebäude ein Rammbock mitgenommen wurde, obwohl klar war, dass es einen zentralen Zugangsschlüssel gibt.
Für das BVT sei die Hausdurchsuchung in der Innenwirkung „eine Katastrophe“ gewesen, für die Zeugin hatte sie etliche negative Folgen: Ab da sei sie bei Dienstreisen übergangen worden und plötzlich nicht mehr stellvertretende Abteilungsleiterin gewesen. Und schließlich habe die Generaldirektorin für öffentliche Sicherheit, Michaela Kardeis, sie dazu gedrängt, sich pensionieren zu lassen. „Die wollen dich loswerden“, „das wird ganz brutal werden“, habe Kardeis gesagt und als „sanftere Methode“ die freiwillige Pensionierung vorgeschlagen. Auch solle sie „Frontalangriffe“ auf Generalsekretär Peter Goldgruber unterlassen. Sibylle G. ging darauf aber nicht ein: „Ich bin eine Kämpferin.“
Im U-Ausschuss wurde versucht, Motive hinter den Einschüchterungsversuchen herauszuarbeiten. Ein Erklärungsstrang: Die schon bekannte Anfrage des Ministerbüros über Ermittlungen im Burschenschaftsmilieu. G. hatte die Antworten zu liefern – und in einem Punkt verweigert: Bei der Frage nach dem Einsatz verdeckter Ermittler. „Ich sorge mich wirklich um unsere Kollegen und ihre Familien“, so ihre Begründung.
Die zweite Erklärung: G. habe speziell bei einer Burschenschaft ermittelt, nämlich bei der Vandalia. Und die hat prominente Mitglieder: FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache, Klubchef Johann Gudenus und Ex-EU-Abgeordneten Andreas Mölzer. Zu Mölzer gab es eine Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft, zu anderen Fällen ist öffentlich nichts bekannt, sie wurden in einer vertraulichen Sitzung unter Ausschluss der Medien abgehandelt. Der Abgeordnete Pilz will dazu aber Strache in den U-Ausschuss laden.
International isoliert
Auch Zeugin G. schilderte – wie schon einige vor ihr – Beispiele für die internationale Isolierung des BVT nach der Razzia. So habe ein Kollege zu einer Tagung über die Identitäre Bewegung fahren sollen, sei aber zwei Stunden vor dem Abflug wieder ausgeladen worden. Und ein Mail, das offensichtlich als Irrläufer im BVT gelandet ist, zeige die Ausgrenzung: Die Einladung zu einer Fachtagung sei an alle Partnerdienste gegangen – „except Austria“.
Verdacht erhärtet
Staatsanwältin Ursula Schmudermayer, die am Donnerstag ihren bereits zweiten Auftritt im Untersuchungsausschuss hatte, erklärte dort, dass aufgrund der Hausdurchsuchungen der Verdacht teilweise erhärtet wurde. So habe man beim IT-Chef Daten des Rechtsanwalts Gabriel Lansky gefunden, die eigentlich hätten gelöscht werden müssen. Und der Leiter des Nachrichtendienstes habe zu Hause eine Excel-Liste mit Daten aus 5000 Altakten gehabt. Außerdem habe es auf einem Handy „Zufallsfunde“ gegeben, konkret Bilder, die unter das Verbotsgesetz fallen. Die Durchsuchung des Büros bei G. erklärte Schmudermayer mit Zeugenaussagen, wonach die Beamtin alle E-Mails aufhebe.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.10.2018)