Kassenreform für Hauptverband "manageriell und wirtschaftlich dysfunktional"

 Original Alexander Biach, Präsident des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger
Original Alexander Biach, Präsident des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger (c) Clemens Fabry (Presse)
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Der Hauptverband hegt verfassungsrechtliche Bedenken und kritisiert die geplante Umwandlung zum Dachverband, das Rotationsprinzip und den Entzug von Geldmitteln.

Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger hegt schwere Bedenken gegen die von der türkis-blauen Regierung geplante Kassenreform. In einer am Dienstag veröffentlichten Begutachtungsstellungnahme wird die Umwandlung zum Dachverband, das Rotationsprinzip beim Vorsitz oder der Entzug von Geldmitteln kritisiert und auf "verfassungsrechtlich bedenkliche Bestimmungen" verwiesen. In der Vorbemerkung zur 62-seitigen Stellungnahme wird die soziale Sicherheit als verlässlichste Grundlage der Demokratie bezeichnet. "Alle Veränderungen müssen am Nutzen für die Versicherten gemessen werden", mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf werde dies aber nicht erreicht.

Wörtlich heißt es: "Die Reduktion der dem öffentlichen Gesundheitswesen zur Verfügung stehenden Geldmittel, die Reduktion der Aufgaben des Dachverbandes, die Dezimierung der Anzahl der hochqualifizierten und engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die ständig wechselnde Leitung des Dachverbands durch das Rotationsprinzip führen zu einer maßgeblichen Schwächung des Gesamtsystems der sozialen Sicherheit. Die vorgesehene übermäßige Staatsaufsicht ist ein verfassungswidriger Eingriff in die Selbstverwaltung."

Gehen Ansprechpartner für Politik und Behörden verloren?

Befürchtet wird, dass durch den reduzierten Dachverband der Ansprechpartner für Politik und Behörden verloren geht. Nur wenn dieser stark sei, könne ein Auseinanderdriften der Leistungen und Vorgangsweisen verhindert werden. Das Rotationsprinzip beim Vorsitz wird als "organisatorisch, manageriell und wirtschaftlich dysfunktional" bezeichnet: "Nur eine stabile Selbstverwaltung garantiert eine wirksame Vertretung der Versicherten und ist für Politik, Vertragspartner und andere ein kontinuierlicher, konstruktiver, kompetenter Partner."

Die Übertragung der Beitragsprüfung zur Finanz sieht der Hauptverband nicht nur im Widerspruch zum verfassungsmäßig verankerten Selbstverwaltungsprinzip, sondern auch als ineffizient und "überbürokratisch". Nicht nachvollziehbar sei die politisch mehrfach versprochene Handlungsfähigkeit und Budgethoheit auf Landesebene. "Auf Länderebene gibt es keine Budget- oder Vertragskompetenz. Damit wird verhindert, auf regionale Bedürfnisse angemessen eingehen zu können", wird die Struktur der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), in der die neun Gebietskrankenkassen aufgehen sollen, kritisiert.

Verfassungsrechtliche Bedenken

Auch eine Reihe verfassungsrechtlich bedenklicher Bestimmungen ortet der Hauptverband. "Zentraler Kritikpunkt ist die paritätische Beschickung der Selbstverwaltungskörper bei der ÖGK und der PVA (Pensionsversicherung, Anm.). Damit wird der Interessengemeinschaft der Arbeitnehmer die Möglichkeit genommen ihre eigenen Angelegenheiten selbstbestimmt zu gestalten", heißt es. Genannt werden weiters die Mehrheitsverhältnisse im Dachverband, die Beitragsprüfung, die Ausweitung der ministeriellen Aufsichtsbefugnisse und Eingriffsmöglichkeiten, der "Fit & Proper"-Test für Versicherungsvertreter, die Überleitungsbestimmungen samt kommissarischer Leitung oder die Auflösung der Betriebskrankenkassen. Insgesamt sind es 15 Punkte, die hier angeführt werden.

(APA)

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