Kerns Abschiedsrede: "Die Zukunft als Kanzler besteht darin, Ex-Kanzler zu sein"

 Christian Kern nach seiner Abschiedsrede im Parlament.
Christian Kern nach seiner Abschiedsrede im Parlament.APA/ROBERT JAEGER
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Fast 18 Minuten lang sprach der Altkanzler und Ex-SPÖ-Chef ins einer letzten Rede im Parlament über seine Sicht auf das Weltgeschehen, Populismus und dem Wert eines Sonntagnachmittags am Sofa.

Von Mai 2016 bis Dezember 2017 war er Österreichs Bundeskanzler. Von Mai 2016 bis September 2018 war er Bundesparteichef der SPÖ, ab Dezember 2017 zudem Oppositionsführer im Nationalrat – bis er sich im Oktober dazu entschied, der Politik den Rücken zu kehren. Es geht um Christian Kern, der heute, Donnerstag, seine letzte Ansprache im Hohen Haus hielt.

Der Altkanzler nützte die ihm zur Verfügung gestellte Sprechmöglichkeit (17:41 Minuten wurden es letztlich), um eine außenpolitische Rede zu halten, in der er seine Beobachtungen der Weltpolitik, des Klimawandels und der Demokratie kundtat. Den Anfang machte dabei eine Warnung: „Härte, Häme und Spott“ seien in die Politik eingezogen – beginnend mit Jörg Haider. Unter dem, mittlerweile verstorbenen, Kärntner Landeshauptmann (FPÖ/BZÖ) habe der Populismus seinen Platz in Österreich gefunden. Seither verlaufe zwischen „populärer und populistischer Politik“ ein schmaler Grat, der immer wieder überschritten werde.

Ex-SPÖ-Chef Christian Kern und die neue Parteichefin Pamela Rendi-Wagner.
Ex-SPÖ-Chef Christian Kern und die neue Parteichefin Pamela Rendi-Wagner. APA/ROBERT JAEGER

Verstärkt würde dies dadurch, dass die „Schlagzeilen des nächsten Tages“ das Handeln vieler bestimmen würden, der Wunsch nach den meisten Likes, den meisten Klicks, den meisten Retweets. Das alles, so Kern, erinnere an den Tanz um das goldene Kalb und sei bedenklich, da die „Werte der Aufklärung, die unsere Demokratie umfassen“, in den Hintergrund geraten würden. Das zeige sich nicht nur in Polen, Ungarn oder auf den Philippinen, sondern im Besonderen, wenn man sich ansehe, was wer derzeit im Weißen Haus sitze.

Und es lehre, so Kern mit Blick auf den nahenden hundertsten Jahrestag der Republik, dass Demokratie etwas Zerbrechliches sei. Sie bedeute, dass alle Menschen gleich in Würde und Rechten seien, daher dürfe die Gesellschaft nicht in „wir und das Andere“ getrennt oder gar „von Menschen in zweiter Kategorie“ gedacht werden.

"Kein Verrat, sondern Akt des Patriotismus"

Auch Positives führte Kern an: Die Armut habe sich verringert, die Kindersterblichkeit sei zurückgegangen, der technologische Wandel biete neue Perspektiven, zählte er auf, um dann doch wieder Negatives zu erwähnen: die Gefahr des Klimawandels. Es müsse verhindert werden, so der 52-Jährige, dass Kinder in einer Umwelt aufwachsen, „die zu ihrem größten Feind wird“. Und, ging er unumwunden in das nächste Thema über: Österreich und Europa müssten ihren Platz in der Welt – in der ein aufstrebendes China und ein unberechenbarer US-amerikanischer Präsident am Werken seien – behaupten. Konkret: Die Nationen müssten Kompetenzen „im Großen“ abgeben. „Ich halte das nicht für einen Verrat an Österreich, sondern für einen Akt des Patriotismus“, sagte Kern, der ein „starkes Österreich“ in einem „starken Europa“ eingebettet sieht.

An die Freiheitlichen gerichtet, meinte Kern, dass er sich bei „aller Wertschätzung für die einzelne Person“, immer wieder gewundert habe, „wie wenig segensreich dann die Arbeit der Gruppe ausgefallen ist“. Die FPÖ-Vertreter quittierten den Seitenhieb, indem sie Kern später keinen Abschiedsapplaus gewährten, sondern nur stumm seinen Abgang vom Rednerpult beobachteten.

Zuvor aber wurde der einstige ÖBB-Manager noch persönlich: Er habe zweieinhalb Jahre seines Lebens als Berufspolitiker verbringen dürfen und in dieser „spannenden Zeit“ viele „Momente und Begegnungen“ erlebt, die er nicht missen möchte. Das sei es schließlich, was bleibe „und nicht ein Türschild“. So sei ihm von Anfang an klar gewesen, „dass die Zukunft eines Bundeskanzlers, eines Ministers, eines Abgeordneten darin besteht, dass er einmal ein Ex-Bundeskanzler, ein Ex-Minister oder ein Ex-Abgeordneter ist.“ Halte man sich das stets vor Augen, „fällt der Umgang mit den politischen Mechanismen leichter“.

Letztere, erklärte Kern sogleich, bedeuteten etwa, dass Politiker zur positiven wie negativen Projektionsfläche würden. Das Dinge unterstellt würden, die mit der „wirklichen Person“ wenig gemein hätten. Auch diese „Einsamkeit“ habe er erlebt – „und den Wert eines Sonntagnachmittags zu Hause am Sofa so richtig zu schätzen gelernt“.

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