Die Forderung nach Mitsprache für Länder und Gemeinden war nach der Trennung eines Dreijährigen von seiner Mutter aufgekommen. Der FPÖ-Innenminister erteilt ihr eine Abfuhr. Für Vorarlbergs ÖVP ist die Diskussion aber nicht zu Ende.
Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) hat der Forderung der beiden Landeshauptleute Markus Wallner (ÖVP; Vorarlberg) und Peter Kaiser (SPÖ; Kärnten) nach Mitsprache für Länder und Gemeinden bei der Entscheidung über humanitäres Bleiberecht eine Abfuhr erteilt. Das derzeitige System gewährleiste eine umfassende Klärung, ob eine Person dieses Aufenthaltsrecht bekomme, so Kickl gegenüber den "Vorarlberger Nachrichten".
Eine Übertragung der Entscheidungskompetenz würde "einen Rückschritt in Richtung uneinheitliche Entscheidungspraxis bedeuten", argumentierte der Innenminister am Dienstag. Für allfällige Nachprüfungen gebe es die Höchstgerichte.
Vorarlberger Fall sorgte für Diskussionen
Wallner hatte seine Forderung Anfang November nach einem Abschiebe-Debakel in Sulzberg (Bregenzerwald) deponiert, bei dem ein Dreijähriger von seiner schwangeren Mutter getrennt worden war, die aufgrund des Stresses kollabiert und ins Krankenhaus gebracht worden war. Die Möglichkeit der Einflussnahme, die es vor 2014 gab, sei gut gewesen, so der Vorarlberger Landeschef. Damit hätte ein Fall wie jener in Sulzberg verhindert werden können. Wallners Forderung hatten sich kurz darauf der Kärntner Landeshauptmann und Kardinal Christoph Schönborn angeschlossen.
Ausnahmeregeln hat die Bundesregierung bereits im September ausgeschlossen, als eine Debatte über Asylwerber entbrannte, die bei ihrer Abschiebung in einem Lehrverhältnis standen. Den Ball hatten ÖVP und FPÖ den Verwaltungsrichtern zugespielt. Sie hätten die Kompetenz, humanitäres Bleiberecht zu gewähren.
Wallner: "Unverständlich"
Für Wallner ist die Diskussion aber nicht zu Ende. "Eine deutlich bessere Abstimmung zwischen Bund und Ländern" brauche es "so oder so", sagte der Vorarlberger Landeshauptmann am Dienstag. Die Haltung Kickls bezeichnete er als "unverständlich". "Aus Sicht des Landes wurde ja durchaus auch ein Angebot formuliert. Wir haben gesagt, wir wären bereit, eine nicht so einfache Aufgabenstellung - nämlich die Mitbeurteilung des Bleiberechts - auch im Land wieder aufzunehmen", konkretisierte Wallner. Für eine komplette Übertragung allein in Länderkompetenz habe er sich nie ausgesprochen, für eine mittelbare Bundeskompetenz, wie es sie bis 2014 gab, aber schon.
Für Wallner ist oben erwähnte Fall ein Indiz, "dass es offenbar Schwierigkeiten macht, einige hundert Kilometer entfernt zu sein, richtigerweise zu entscheiden, wie man bei einer Abschiebung vorzugehen hat", nämlich "deutlich menschlicher", kritisierte der Landeschef. Im Kontakt mit anderen Landeshauptleuten werde er das Thema jedenfalls ansprechen. Allerdings wisse er nicht, inwieweit andere Länder wieder bereit wären, in diesem Fall Verantwortung zu übernehmen. Schließlich hätten die Länder der Änderung ja zugestimmt.
ÖVP: "Nicht auf wertvolle Expertise vor Ort verzichten"
Kritik an der Absage Kickls kam am Dienstag auch aus der Vorarlberger ÖVP. Roland Frühstück, Klubobmann im Landtag, mahnte ein, "nicht auf die wertvolle Expertise vor Ort zu verzichten". Menschen vor Ort könnten die Integrationsbemühungen von Asylwerbern am besten einschätzen, so Frühstück. Zusätzlich forderte der ÖVP-Klubchef Kickl auf, "schnellstens Maßnahmen zu setzen, die die Dauer der Asylverfahren deutlich verkürzen". Der Innenminister könne "nicht im Ernst behaupten, dass das aktuelle System eine rasche und umfassende Klärung schaffe, ob einer Person ein Aufenthaltsrecht zukomme oder nicht".
(APA)