Die ehemalige Grünen-Chefin rechtfertigt ihren Wechsel zu Novomatic und kritisiert den Wiener Grünen David Ellensohn, der glaube, "mit Verboten Probleme lösen zu können". Ihr Rücktritt sei für viele ein Abschied "von der Kunstfigur" Eva Glawischnig gewesen.
Im Mai 2017 gab Eva Glawischnig-Piesczek die Führung der österreichischen Grünen ab – und tauchte aus der Öffentlichkeit ab. Bis in den März 2018, als sie für den wohl spektakulärsten, weil durchaus umstrittenen Jobwechsel der jüngeren heimischen Politikgeschichte sorgte: Sie wechselte zu Europas größtem Glücksspielkonzern, der österreichischen Novomatic, wo sie seither die Stabstelle für Nachhaltigkeitsmanagement und verantwortungsvolles Spiel leitet. Ob sie mit dem Wechsel bezweckte, „einfach mal mehr zu verdienen“, wurde sie nun in der „Süddeutschen Zeitung“ gefragt. Bestimmt nicht, lautete die Antwort der Ex-Politikerin in dem am Freitag erschienenen Interview.
Sie habe auch andere Angebote erhalten, nachdem sie der innenpolitischen Bühne den Rücken gekehrt habe, beteuerte Glawischnig. Und: „Ich verdiene jetzt weniger als in der Politik.“ Als Politikerin habe sie kaum um ihr Gehalt verhandelt: „Geld hat in meinem Leben nie eine entscheidende Rolle gespielt.“ Selbst, als sich nach ihrem Studium in ihrer damals ersten Wohnung Kakerlaken eingenistet hatten, „habe ich nicht damit gehadert, dass ich mir keine schönere Wohnung leisten konnte“.
"So viele illegale Spielstätten in Wien wie noch nie zuvor"
Ihr Polit-Aus schilderte Glawischnig in der deutschen Zeitung folgendermaßen: „Ich hatte einen allergischen Schock. Im Krankenhaus sagten die Ärzte: ‚Wenn wir nicht Ihren Namen gelesen hätten, dann hätten wir nicht gewusst, wer Sie sind‘.“ Der Schock sei eine „Gnackwatschn“ gewesen. Ihr Körper habe ihr gezeigt, „dass es mit der Politik reicht – und ich habe auf ihn gehört“.
Angesprochen auf den Wiener Grünen David Ellensohn, der sich in Richtung Glawischnigs Wechsel zu Novomatic mokiert hatte: „Mir tun alle Menschen leid, die mit so etwas Geld verdienen müssen“, konterte die Kärntnerin: „Solche Aussagen sind natürlich gezielter Populismus.“ Und legte einen Seitenhieb nach: „Meine Entscheidung mag für jemanden, der glaubt, mit Verboten Probleme lösen zu können, schwer nachvollziehbar sein. Tatsache ist: In Wien gibt es – auch dank Ellensohn – seit dem Automatenverbot so viele illegale Spielstätten wie noch nie zuvor.“
Dass ihr Job beim Glücksspielkonzern so vielen missfalle, erklärt sich Glawischnig mitunter folgendermaßen: „Der Wechsel zu Novomatic war für viele auch ein Abschied von Eva Glawischnig als Kunstfigur.“ Sie sei als Bundessprecherin der Grünen „Projektionsfläche“ einer ganzen Bewegung gewesen. „Ich bin aber als Persönlichkeit vielschichtiger, als es öffentlich sichtbar war.“
"Ich bin dann reduzierter unterwegs gewesen"
An der Art, wie derzeit auf (innen-)politischer Ebene kommuniziert werde, stört Glawischnig ebenfalls so manches. „Viele Politiker sehen es vor allem als ihre Aufgabe an, mit Ängsten, Stimmungen und Feindbildern Debatten am Laufen zu halten.“ Hinzu komme, dass viele Probleme nicht national gelöst werden könnten: „Ich war deswegen immer eine Verfechterin eines starken Europas.“
Danach gefragt, wie es für sie war, als am Ende ihres Jusstudiums ihre Wohnung abgebrannt ist, meinte Glawischnig: „Die Feuerwehr hat Teile des Zimmers aus dem Fenster geschmissen, im Hof lagen verschmorte Barren CDs und Platten. Meine Schwester hat mir dann Bettwäsche und Kleidung geschickt. (…) Ich bin dann reduzierter unterwegs gewesen“, sie wolle das aber nicht mit der Situation mancher vergleichen, die weit mehr verloren hätten.
Nach einem knappen Jahr Auszeit hat Eva Glawischnig einen neuen Job: Sie wird sich beim Glücksspielkonzern Novomatic um das Nachhaltigkeitsmanagement kümmern. An Novomatic reize sie die "Internationalität, Innovation und High Tech als gesellschaftliche Herausforderung", sagt sie in einer ersten Stellungnahme. Und Glücksspiel sei ein gesellschaftlicher Faktor. Und deshalb: "Man kann Glücksspiel nicht wegverbieten." APA/HERBERT-PFARRHOFER
Erst im Mai 2017 hatte Glawischnig die Politik verlassen. Mit ihr haben die Grünen ihre bisher größten politischen Erfolge eingefahren - allen voran den Sieg Alexander Van der Bellens bei der Bundespräsidentenwahl. Nach achteinhalb Jahren an der Parteispitze gab die gebürtige Kärntnerin im vergangenen Mai überraschend ihren Rücktritt bekannt. Ein Rückblick auf ihren politischen Werdegang. APA/GEORG HOCHMUTH
Als Langzeitparteichef Alexander Van der Bellen nach der Nationalratswahl 2008 von der Parteispitze abtrat, war die langjährige "Kronprinzessin" Glawischnig zwar die logische Nachfolgerin. Die Ausgangslage der heute 48-Jährigen war allerdings durchaus schwierig: Unter Van der Bellen hatten die Grünen erstmals zweistellige Ergebnisse auf Bundesebene geschafft, und ob die Ökopartei das auch ohne ihr bürgerliches Aushängeschild schaffen würden, galt vielen als zweifelhaft. APA/HANS PUNZ
Doch Glawischnig überzeugte: Bei der Nationalratswahl 2013 schafften die Grünen das beste Ergebnis der Parteigeschichte (12,4 Prozent). Die Regierungsbeteiligung in Oberösterreich wurde zwar an die FPÖ verloren, dennoch regieren die Grünen derzeit in fünf Bundesländern mit (Wien, Kärnten, Salzburg, Tirol und Vorarlberg). Und seit Jänner sitzt erstmals ein grüner Bundespräsident in der Hofburg. Die Presse
Unmittelbar nach dem Urnengang im Dezember 2016 begann es jedoch zu kriseln: Den Anfang machte ein Konflikt mit dem Langzeitabgeordneten Peter Pilz, der nach der gewonnenen Präsidentschaftswahl zum wiederholten Mal eine Strategiedebatte vom Zaun brach. Pilz traf sich mit anderen Kritikern, die dem Führungsteam um Glawischnig vorwarfen, im Kampf um Wählerstimmen zu stark auf stromlinienförmiges Politmarketing zu setzen und den inhaltlichen Kurs zu verwischen. (Bild aus dem Jahr 2007, Van der Bellen, Glawischnig, Pilz) APA
Im März 2017 eskalierte schließlich der Konflikt mit der Führung der "Jungen Grünen": Weil die bei der ÖH-Wahl eine Abspaltung der offiziellen Grünen Studentenvertretung (Gras) unterstützen wollten, drehte die Partei der Jugendorganisation den Geldhahn zu. Zwar trat der Vorstand der Jungen Grünen und Glawischnig-Kritikerin Flora Petrik zurück. Intern gab es allerdings viel Kritik am Krisenmanagement der Parteispitze. Dazu kamen gesundheitliche Probleme: Anfang April erlitt Glawischnig einen allergischen Schock und musste eine Woche pausieren. APA/GEORG HOCHMUTH
Den nun anlaufenden Nationalratswahlkampf wollte sich Glawischnig nun offenbar nicht mehr antun. Dabei hatte sie schon vor ihrer Kür zur Parteichefin gezeigt, dass sie Wahlkampf kann - und dass die medial oft ein wenig unterkühlt wirkende Juristin auch den Bürgerkontakt nicht scheut: Im Landtagswahlkampf 2004 übersiedelte sie kurzerhand nach Kärnten, tourte mit Spitzenkandidat Rolf Holub durch die Wirtshäuser des Landes und ermöglichte den Grünen damit erstmals den Einzug in den Kärntner Landtag. APA/GERT EGGENBERGER
Geboren wurde Eva Glawischnig am 28. Februar 1969 in Seeboden am Millstätter See. Die Schulbank drückte sie unter anderem mit dem heutigen FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl. Ins Rampenlicht zog es die Wirtstochter schon früh: Bereits mit 18 Jahren war sie als Keyboarderin der "Gerald Gaugeler Band" mit dem Song "Gelati" in den Top 10 der Austro-Hitparade, davor spielte sie in der "Hausmusik Glawischnig" am Hackbrett. APA/ROLAND SCHLAGER
Drei Jahre später schaffte Glawischnig als Spitzenkandidatin der Wiener Grünen den Sprung in den Nationalrat. Dort konnte sie sich als Umweltsprecherin rasch etablieren und rückte 2002 zur stellvertretenden Parteichefin auf. Im selben Jahr dann ein Rückschlag für die ehrgeizige Kärntnerin: Bei den Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP war sie schon als Umweltministerin einer schwarz-grünen Regierung gehandelt worden, doch die Gespräche scheiterten. APA/GEORG HOCHMUTH
Während ihres Studiums in Graz baute Glawischnig praktisch im Alleingang die Landesgruppe von Global 2000 auf. Aus der gemeinsamen Zeit bei der Umweltorganisation stammt auch die langjährige Freundschaft mit der Wiener Umweltstadträtin Ulli Sima von der SPÖ. Glawischnigs Start in die Parteipolitik über die Wiener Grünen war dagegen ein Fehlstart: Bei den Landtagswahlen 1996 verfehlte sie den Einzug in den Landtag und arbeitete ohne Mandat als Umweltsprecherin der Wiener Grünen. 2006 wurde sie Dritte Nationalratspräsidentin. APA/ROLAND SCHLAGER
Kritik brachte Glawischnig auch ihre Nähe zu den Society-Seiten des Landes ein: Ihre Hochzeit mit dem TV-Moderator Volker Piesczek im Jahr 2005 wurde ebenso öffentlichkeitswirksam vermarktet wie ihre anschließende Schwangerschaft. In der Folge ging Glawischnig merkbar auf Distanz, ihre beiden Söhne versucht sie bis heute aus der Öffentlichkeit völlig herauszuhalten. APA/HERBERT P. OCZERET
Immer wieder gab es Häme von den anderen Parteien: So wurde Glawischnig vom damaligen Nationalratspräsidenten Andreas Khol (ÖVP) einst als "radikale, aber wunderschöne Marxistin" bezeichnet. Die Grüne Frontfrau schenkte aber den anderen Parteien nichts. Einige "Sager" von Glawischnig: "Der sich virusartig ausbreitende Realitätsverlust scheint von der FPÖ auf die ÖVP übergesprungen zu sein", die "unverschämte" Parteienförderung in Kärnten für FPÖ, SPÖ und ÖVP, "Haider ist ein Pensionsräuber", "Schüssel ein unehrlicher Spieler" oder "Schwarz-Blau ist ein totes Projekt". APA/HERBERT PFARRHOFER
Lieblingsmusikstil: Gutes aus allen Genres von Klassik (Puccini, Beethoven) über Jazz, Funk, Soul (von Ray Charles bis Vienna Art Orchestra und Vienna Scientists) aber auch Michael Jackson oder Prince. Seit dem Regierungswechsel wieder vermehrt Kärntner Lieder. Lieblingsbuch: Douglas R. Hofstadter: "Gödel, Escher, Bach" Hobbys: Laufen, Musik, Sport, Zeit in der Natur, Wandern APA/ROBERT JAEGER