Herbert Kickl schiebt die Verantwortung für die BVT-Causa in Richtung seiner Mitarbeiter und Justiz.
Wien. Schon eine Stunde bevor der U-Ausschuss begann, waren alle Plätze vergeben. Dem Schneeregen trotzte eine Handvoll Personen, die vor der Hofburg gegen den bisher prominentesten Zeugen demonstrierte: FPÖ-Innenminister Herbert Kickl.
Auf ihn hatte sich die Opposition in der Causa rund um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) bisher eingeschossen. Schon drei Mal wurde der Minister zu Sondernationalratssitzungen zitiert: Hat er Generalsekretär Peter Goldgruber angewiesen, im BVT „aufzuräumen“, wie die Staatsanwältin protokollierte? Hat Kickl Zeugen vor deren Aussagen bei der Staatsanwaltschaft getroffen? Wurde Druck auf die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ausgeübt, wie die Justiz festhält? Wurde die Hausdurchsuchung forciert? Warum wurden im Extremismusreferat mehr Daten als nötig mitgenommen? Wurden Namen von verdeckten Ermittlern in Burschenschaften verlangt?
Diese und viele weitere Fragen wurden Kickl am Dienstag ein weiteres Mal gestellt. Am Anfang antwortete er sehr ruhig, mit fortschreitender Befragung wurde er emotionaler.
Die fehlerhaften Anfragebeantwortungen
In den vergangenen Monaten gab es etliche Anfragen an das Innenministerium rund um die BVT-Causa. Die Beantwortung dieser erwies sich im Zuge des U-Ausschusses als teilweise unvollständig oder fehlerhaft. So gab Kickl etwa an, keinen Kontakt zu Zeugen gehabt zu haben. Hauptbelastungszeugin P. erzählte aber von einem Treffen mit Kickl in der FPÖ-Parteizentrale. Dieser sagte aus, dass die Anfragebeantwortung korrekt gewesen sei – er habe damals nicht gewusst, dass P. als Zeugin geführt werden wird. Und: „Es ist realitätsfremd zu glauben, dass ich jede Anfrage selbst beantworte und Inhalte genau überprüfe.“ Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) belehrte Kickl, dass er die Verantwortung für die Richtigkeit von Anfragebeantwortungen trage. Kickl wurde ersucht, die unrichtigen Anfragen zu korrigieren. „Ich werde mir die Geschäftsordnung des Parlaments ansehen“, sagte er.
Mitarbeiter mit großer Verantwortung
Auch in etlichen anderen Fragen wies Kickl die Verantwortung von sich in Richtung seiner Mitarbeiter – etwa wenn es darum ging, dass sein Generalsekretär Peter Goldgruber oder Kabinettsmitarbeiter Udo Lett engen Kontakt zur Staatsanwaltschaft gepflegt haben sollen und die Gewaltentrennung darum in Gefahr sei. Oder wenn es um Vorbesprechungen mit Zeugen und mögliche Beeinflussung dieser ging. Weiters versuchte die Opposition, die Frage zu klären, ob Goldgruber Namen von verdeckten Ermittlern in Burschenschaften verlangt habe.
Kickl sagte, dass er dazu nichts sagen könne, weil er nichts davon wisse – er sei bei diesen Gesprächen nicht dabei gewesen. Er halte viel davon, Mitarbeiter eigenverantwortlich arbeiten zu lassen. Das habe er getan. Vor allem die ÖVP schoss sich auf Goldgruber ein. „Der Minister hat sich auf ihn verlassen, wurde von diesem aber schlecht, falsch oder gar nicht informiert.“
Neos-Abgeordnete Stefanie Krisper sagte: „Entweder Kickl lügt und hat die Fäden gezogen, dann ist er rücktrittsreif. Oder er wusste von all diesen Dingen wirklich nichts, dann hat er sein Ressort offenbar nicht im Griff und ist auch rücktrittsreif.“ Peter Pilz verpasste Kickl einen neuen Spitznamen und nannte ihn fortan nur mehr Herbert „Ich weiß von nix“ Kickl.
Eine Generaldirektorin gesteht Fehler ein
„Gut gemeint ist nicht gut gemacht“, sagte Michaela Kardeis, Generaldirektorin für öffentliche Sicherheit und die zweite Zeugin an diesem Tag. Gemeint war damit, dass sie G., der Leiterin des Extremismusreferats, nahegelegt habe, in Pension zu gehen. Bei einem so sensiblen Thema hätte man anders vorgehen müssen, sagt sie. Es tue ihr darum leid. Weiters bestätigt sie, zu G. gesagt zu haben, dass „sie dich loswerden wollen“. Mit „sie“ seien Goldgruber und Lett gemeint gewesen. Sie würden G. nicht trauen.
Goldgruber habe sie mehrfach auf etwaige Ermittlungen in der Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt angesprochen, sagte Kardeis. Zur Erinnerung: Wenige Tage vor der niederösterreichischen Landtagswahl im Jänner 2018 wurde ein Liederbuch mit den Nationalsozialismus verherrlichenden Liedern publik. FPÖ-Spitzenkandidat Udo Landbauer trat daraufhin zurück. Nicht wenige in der FPÖ glauben, dass das Liederbuch aus dem BVT an Medien weitergegeben, die Behörde von der ÖVP politisch instrumentalisiert wurde. Kardeis gab an, dass dies nicht wahr sei. G. habe weder gegen die Burschenschaft ermittelt noch vorher von dem Liederbuch gewusst.
Am Mittwoch wird ein weiterer prominenter Zeuge erwartet: Justizminister Josef Moser soll seine Wahrnehmungen schildern. Am Nachmittag wird die fallführende Staatsanwältin, Ursula Schmudermayer, zum dritten Mal befragt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2018)