Mindestsicherung: Staat greift weiter auf Vermögen zu

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Symbolbild. (c) APA/BARBARA GINDL (BARBARA GINDL)
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Die Koalition einigt sich auf ein neues bundeseinheitliches Modell. Für Asylberechtigte gibt es künftig um 300 Euro weniger. Bezieher müssen wie bisher ihr Vermögen aufbrauchen.

Wien. Die umstrittene Reform der Mindestsicherung hat die nächste Hürde genommen und wird am Mittwoch in den Ministerrat eingebracht. Die Koalition einigte sich nach monatelangen Verhandlungen auf ein Modell, das im Kern Kürzungen für Migranten und kinderreiche Familien vorsieht. Die Lösung im Detail:

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Bundeseinheitlich

Die Mindestsicherung ist Ländersache, das soll sie im Vollzug auch bleiben. Der Bund wird den Ländern mit der neuen Regelung aber einen engen Rahmen vorgeben. Von der Höhe her orientiert sich die Mindestsicherung an der Mindestpension: Es gibt 863 Euro im Monat – allerdings zwölfmal im Jahr, während die Pension 14-mal ausbezahlt wird. Zudem kann man zur Pension auch noch Wohnbeihilfe beantragen, nicht aber zur Mindestsicherung.

Kürzung für Asylberechtigte

Für die türkis-blaue Koalition ist das der Kernpunkt der Reform: Um „Zuwanderung ins Sozialsystem“ zu verhindern, sollen Asylberechtigte deutlich weniger bekommen. Dem steht allerdings das EU-Recht entgegen, das gleiche Sozialleistungen für anerkannte Flüchtlinge vorschreibt. Erste Versuche der Länder Niederösterreich und Oberösterreich, in dem Bereich zu kürzen, wurden vom Verfassungsgerichtshof bzw. vom EuGH bereits gekippt. Die Koalition versucht nun eine verfassungskonforme Lösung, indem sie die volle Mindestsicherung an Sprachkenntnisse bzw. an den Pflichtschulabschluss koppelt. Damit sind Flüchtlinge zwar formal nicht diskriminiert, in der Praxis trifft es aber genau diese Gruppe. Verfassungsjuristen bezweifeln allerdings, dass die Regelung vor den Höchstgerichten halten wird.

Deckel für Familien

Auch der Deckel von 1500 Euro für Familien ist in Niederösterreich vom Verfassungsgerichtshof als nicht sachgerecht gekippt worden. Die Koalition versucht nun, einen flexibleren Deckel einzuziehen: Ab dem dritten Kind gibt es nur noch eine geringe Steigerung pro Kind. Diese Variante könnte verfassungskonform sein.

Zugriff aufs Vermögen

Das war bis zuletzt der strittigste Punkt in den Verhandlungen: Wer Mindestsicherung beantragt, muss Vermögen über 4200 Euro verwerten. Die FPÖ wollte diesen Zugriff auf Sparbuch und Eigenheim abschaffen, konnte sich aber nicht gegen die ÖVP durchsetzen. Den Ausschlag sollen die Länder gegeben haben: Sie befürchteten einen Ansturm auf die Mindestsicherung und dass diese auch von Personen in Anspruch genommen wird, für die dieses soziale Netz nicht gedacht war.

Notstandshilfe

Brisant ist der Vermögenszugriff in Kombination mit einem weiteren Reformprojekt der Koalition: der Reform des Arbeitslosengeldes. Wenn – wie geplant – die Notstandshilfe abgeschafft wird, bleibt vielen Langzeitarbeitslosen als letztes soziales Netz nur noch die Mindestsicherung. Und damit würde auch diese Personengruppe ihr Erspartes und ihr Eigenheim verlieren. Vizekanzler Heinz-Christian Strache versuchte am Dienstag zu beruhigen: „Die Notstandshilfe bleibt.“ Doch das scheint in der Koalition noch nicht ausgemacht zu sein. Von ÖVP-Seite heißt es, es bleibe beim Plan, Arbeitslosengeld und Notstandshilfe zu verschmelzen. Und Details dieses neuen Arbeitslosengeldes seien noch nicht ausverhandelt. Das stehe erst nächstes Jahr auf der Agenda. Ob man wie derzeit die Notstandshilfe zeitlich unbegrenzt beziehen kann, ist damit noch offen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2018)

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