Grasser-Verteidiger ortet Amtsmissbrauch, Staatsanwalt lässt mögliche Verleumdung prüfen

Karl-Heinz Grasser und Norbert Wess
Karl-Heinz Grasser und Norbert Wess(c) Roland Schlager, APA
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Der größte Korruptionsprozess Österreichs, der sich um Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser dreht, wird heute fortgesetzt - mit schweren Vorwürfen gegen die Oberstaatsanwälte Gerald Denk und Alexander Marchart. Beide bestreiten.

Es war eine lange Weihnachtspause im größten Korruptionsprozess der österreichischen Justizgeschichte: Am 20. Dezember 2018 wurden die schmiedeeisernen Türen zum Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Landesgerichts für Strafsachen geschlossen - heute, Dienstag, wurden sie wieder geöffnet. Unter der Federführung von Richterin Marion Hohenecker sollten Protokolle berichtigt werden. Dazu kam es vorerst aber nicht. Denn sowie die Verhandlung wieder eröffnet wurde, erhob sich der Verteidiger des Hauptangeklagten, Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser, Norbert Wess, und verdächtigte die Oberstaatsanwälte Gerald Denk und Alexander Marchart des Amtsmissbrauchs.

Die beiden hätten gegen die Strafprozessordnung und die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen, führte Wess aus. Denn: "Über 20 Monate hinweg" sei von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft "ein Schattenverfahren" geführt worden. Weder Grasser noch das Gericht seien über diese parallel zum Gerichtsverfahren durchgeführten Einvernahmen informiert worden. Nur zufällig habe man davon Kenntnis erlangt, beanstandete er.

Verteidiger ortet "einzigartiges" Vorgehen

Hintergrund ist das sogenannte "35-Millionen-Euro-Faktum", eine Causa,  in der nach wie vor gegen Grasser ermittelt wird, die aber nicht Gegenstand der Hauptverhandlung ist. Es geht dabei um die Frage, ob dem Staat bei der Privatisierung der Bundeswohnungen 35 Millionen Euro entgangen sind, da die Wohnbaugesellschaften im Paket und nicht einzeln verkauft wurden. Das Oberlandesgericht Wien hat diesen Punkt als zu wenig begründet aus der Anklageschrift gestrichen und weitere Ermittlungen dazu angeordnet.

Vor Weihnachten habe der Ex-Minister beantragt, die Ermittlungen zu diesem Komplex einzustellen, da nach seinem Kenntnisstand seit dem Jahr 2016 nur zwei Zeugen dazu einvernommen worden seien, erläuterte Wess. Dieses Anliegen wurde abgelehnt - brachte aber zugleich einiges zutage: So habe die Verteidigung dadurch bemerkt, dass mehrere Protokolle von Zeugeneinvernahmen (darunter Grassers früherer Kabinettchef Heinrich Traumüller) erst später zum Akt genommen wurden.

Bei diesen Einvernahmen seien keine Soko-Beamten anwesend gewesen, was laut Wess ein rechtswidriges Vorgehen darstelle. Mehr noch: Traumüller, der ein Belastungszeuge im Verfahren ist, seien dabei nicht nur Fragen zu dem 35-Millionen-Euro-Faktum gestellt worden, sondern ihm wurden "unter dem Deckmantel eines anderen Ermittlungsverfahrens" Fragen zum Buwog-Verfahren gestellt, unterstellte Wess. Das sei nicht zulässig - nachdem eine Anklage eingebracht (im Fall Buwog war das 2016) und eine Hauptverhandlung begonnen wurde (12. Dezember 2017), seien Zeugenbefragungen dazu, außerhalb der Hauptverhandlung, nicht gestattet. Dass es offenbar doch gemacht wurde, sei wohl "einzigartig" in der Geschichte, meinte Wess.

Und er holte weiter aus: Dass entgegen den Vorgaben der Strafprozessordnung ermittelt werde, habe scheinbar "System" und mit den Grundsätzen eines fairen Verfahrens "nichts zu tun". Das würden auch mehrere Strafrechtsprofessoren bestätigen, die Wess mit der Angelegenheit konfrontiert habe. Sieben Gutachten seien seither erstellt worden - allesamt mit demselben Ergebnis: Die Staatsanwaltschaft habe rechtswidrig gehandelt, so Wess. Er stellte deshalb den Antrag, dass das Gericht "gemäß dem Grundsatz der Aktenvollständigkeit" die Protokolle der Einvernahmen inklusive Tonbandaufzeichnungen beischaffen solle.

Oberstaatsanwalt weist Vorwürfe zurück

Nachdem Wess seine Ausführungen abgeschlossen hatte, erhob sich Oberstaatsanwalt Alexander Marchart und wies die Unterstellungen "in aller Kürze" zurück. Sie würden "der Tatsachensubstanz widersprechen". Er beantragte seinerseits, dass das Protokoll des heutigen Verhandlungstages der Staatsanwaltschaft Wien vorgelegt werde. Die Behörde solle einerseits die Vorwürfe des Amtsmissbrauches gegen die zwei Staatsanwälte überprüfen, andererseits prüfen, ob die Verteidigung sich der Verleumdung schuldig gemacht haben könnte.

Das Oberlandesgericht Wien habe, so erläuterte Marchart, den Komplex "Einzelne Paketverkäufe" (gemeint das "35-Millionen-Euro-Faktum") aus der Anklage ausgeklammert und weitere Ermittlungen verlangt. Insofern habe dieses Thema "hier nichts zu suchen", freilich sei es aber "inhaltlich verknüpft" mit dem, was in der Hauptverhandlung seit Dezember 2017 verhandelt werde. Es sei daher nur logisch, dass bei den Ermittlungen die Zeit des Buwog-Verkaufs angesprochen wurde. Schließlich gehe es darum, herauszufinden, "was Grasser gewusst hat und wie er hätte handeln sollen", meinte Marchart. Dazu habe man Traumüller befragt.

Auf die gegenseitigen Vorhaltungen folgte eine kurze Unterbrechung der Verhandlung, bevor Richterin Marion Hohenecker zu den eigentlichen für heute geplanten Protokollberichtigungen weitermachte. 

Die Vorwürfe auf einen Blick

Causa Buwog: Die Korruptionsstaatsanwaltschaft geht davon aus, dass rund um die Privatisierung der Bundeswohnungen im Jahr 2004 Bestechungsgeld geflossen ist (9,6 Millionen Euro). Gekommen sein soll das Geld von dem im Bieterverfahren siegreichen Österreich-Konsortium um Immofinanz und RLB OÖ – geflossen über Umwege auf diverse Konten. Die Zahlung ist seit 2009 erwiesen, offen ist die Frage: Hat der damalige Finanzminister Karl-Heinz Grasser Informationen weitergegeben, um sich (und andere) zu bereichern? Und: Teilten sich Grasser, sein Trauzeuge Walter Meischberger, der Immobilienmakler Ernst Karl Plech und der Lobbyist Peter Hochegger die Provision auf?

Causa Terminal Tower: Wie beim Buwog-Deal soll auch hier ein „Tatplan“ (bei Privatisierungsprojekten serienweise „mitschneiden“) befolgt worden sein. Und zwar: Grasser soll einen Teil der 200.000-Euro-Provision eingesteckt haben, die für die Einmietung der oberösterreichischen Finanzdienststellen in den Linzer Terminal Tower geflossen sein soll.

Die Angeklagten bestreiten die Vorwürfe, lediglich Peter Hochegger legte ein Teilgeständnis ab. Es gilt die Unschuldsvermutung. 

Parteispenden-Affäre: Richterin Marion Hohenecker hat entschieden, dass Korruptionsverfahren um die Causa „schwarze Kassen“ auszuweiten. Diese „Kassen“ sollen einst von Hochegger (er ist also an beiden Fronten angeklagt) mit Geld der Telekom Austria gefüllt worden sein. Zweck laut Anklage: Die damalige Unternehmensführung habe Reserven haben wollen, um Politiker bei Bedarf gewogen stimmen zu können. Dieser Komplex soll im Herbst/Winter erstmals im Großen Schwurgerichtssaal erörtert werden. 

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