Nationalrat: "Herr Kickl schaut, wie weit er es treiben kann"

ÖVP-Chef Sebastian Kurz, FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache, FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl und FPÖ-Vizeparteichef Norbert Hofer
ÖVP-Chef Sebastian Kurz, FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache, FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl und FPÖ-Vizeparteichef Norbert Hofer APA/GEORG HOCHMUTH
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Die "Liste Jetzt" fordert von Kanzler Sebastian Kurz eine Klarstellung zu Aussagen des Innenministers. Letzterer stellt sich heute seinem mittlerweile fünften Misstrauensantrag - blieb aber dem Parlament fern.

Die "Liste Jetzt" hat am Mittwoch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in den Nationalrat zitiert. Anlass ist ein Dringlicher Antrag, gemäß dem sich der Regierungschef Bestrebungen, aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) oder dem Europarat auszutreten, entgegenstellen soll. Anlass für die Initiative sind Aussagen von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) aus der Vorwoche. Er hatte angekündigt, Grundregeln hinterfragen zu wollen, da man darauf achten müsse, nicht über die eigenen Gesetze zu stolpern: "Denn ich glaube immer noch, dass der Grundsatz gilt, dass das Recht der Politik zu folgen hat und nicht die Politik dem Recht."

"Jetzt"-Abgeordneter Alfred Noll sieht durch letzteres Zitat das Vertrauen zumindest eines Teils der Mitglieder des Nationalrates in das Vorgehen der Bundesregierung erschüttert. Es liege nun am Bundeskanzler, dieses Vertrauen wiederherzustellen. Aufgefordert wird Kurz auch dazu, Aussagen einzelner Regierungsmitglieder, die die Menschenrechtskonvention infrage stellen, zu widersprechen. Zudem müsse der Regierungschef klarstellen, dass nur Minister sein könne, wer die Konvention anerkennt.

Kickl hat seine Aussagen vergangenen Freitag übrigens ein wenig relativiert. "Ich habe zu keinem Zeitpunkt die Europäische Menschenrechtskonvention oder die Menschenrechte als solche in Frage gestellt", schrieb Kickl in einer Stellungnahme auf Facebook. Der Innenminister erschien selber nicht zum Parlamentstermin - er postete auf Social Media, er habe sich währenddessen mit Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) getroffen. Man habe Abschiebemöglichkeiten nach Syrien besprochen. Im Parlament würden Dinge diskutiert, die er nie gesagt habe, meinte Kickl.

Kurz kam nicht als Verteidiger Kickls

Noll betonte in seiner einleitenden Rede im Plenum am Mittwochnachmittag die tiefgreifende Rolle der EMRK für Europa und die Alpenrepublik. Dass es diese Menschenrechtserklärung gebe, sei "geronnene Politik aus der Erfahrung der Vergangenheit", sagte Noll mit Verweis auf Ersten und Zweiten Weltkrieg und den Massenmord durch die Nationalsozialisten. Die EMRK sei dazu da, "ein Zurückschlittern ins Tyrannische zu verhindern". Ihre Grundidee sei, "Menschenrechtsverstöße als Anzeichen für tyrannische Mehrheiten zu werten". Tyrannen würden sich schnell dieser demokratischen Kontrollmechanismen entledigen wollen, fügte der Abgeordnete an: "Das ist unser Problem mit dem Innenminister."

Er wiederholte auch eine andere Aussage Kickls aus der ORF-Sendung der Vorwoche - der Freiheitliche habe dort gemeint, er wolle sich "anlegen" etwa mit der EMRK. "Herr Kickl schaut, wie weit ers treiben kann", meinte Noll. Mit seinen Forderungen wolle Kickl "das gesunde Volksempfinden erwecken" und anstelle der Menschenrechtskonvention eine "parteipolitische Regelung unseres Zusammenlebens" treffen - ein Hinweis auf die Ankündigung der FPÖ in ihrem Wahlprogramm 2017, die EMRK "evaluieren" zu wollen und etwaigen Ersatz durch eine "österreichische Menschenrechtskonvention" zu schaffen, die auch das "Heimatrecht der Österreicher" schütze. Noll ersuchte Kanzler Kurz, "klarzustellen, dass kein Platz für Innenminister ist, die an der EMRK zweifeln".

Kurz stimmte in seiner - sehr kurzen - Antwortrede Noll bei der Betonung der Wichtigkeit der EMRK zu. Die Regierung sei auf sie angelobt. Als Verteidiger des Innenministers trat er nicht auf. Er meinte allerdings, dass viele Bürger nicht gewusst hätten, worum sich die Diskussion in der Vorwoche gedreht habe. Und meinte, dass auch auf europäischer Ebene Gesetze geändert werden könnten: Die österreichische Regierung setze sich dementsprechend dort auch für "größeren Spielraum bei der Außerlandesbringung straffällig gewordener Asylwerber" ein. Dieser Spielraum sei "unserer Meinung nach" sehr eng.

Der FPÖ-Abgeordnete Walter Rosenkranz meinte anschließend, dass "mit jedem Misstrauensantrag das Vertrauen der Österreicher in diesen Innenminister steigt". Unterstützung für Kickl kam auch vom freiheitlichen Parteichef: Heinz-Christian Strache war zur Stelle, um dem Innenminister beizupflichten. Natürlich folge das Recht der Politik, meinte Strache, denn im Parlament "sitzt die Politik", die Gesetze beschließe und zu ändern habe, an die sich alle, auch die Regierung, "selbstverständlich" halten würden.

Fünfter Misstrauensantrag an Kickl

Innenminister Kickl muss sich indes am Mittwoch seinem mittlerweile fünften Misstrauensantrag stellen. SPÖ, Neos und Liste Jetzt haben eine gemeinsame Initiative bereits angekündigt. Kickl hat bereits fünf Abstimmungen über Misstrauensanträge – am 19. März 2018, 11. Juni 2018, 7. September 2018 und zwei am 26. September 2018 – überstanden.

Nach der Debatte des "Dringlichen Antrags" wird außerhalb der regulären Tagesordnung auch noch eine Kurzdebatte durchgeführt, das auf Antrag der SPÖ zum Thema freiwillige Helfer. Die Sozialdemokraten verlangen eine Entgeltfortzahlung von maximal fünf Tagen pro Jahr, wenn jemand dienstverhindert ist, weil er im Katastropheneinsatz ist. Die Kosten dafür sollen nicht auf die Arbeitgeber übergewälzt werden sondern von Bund und Ländern getragen werden.

(APA/Red.)

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