Die SPÖ und ihre Unsicherheit

 Die oberösterreichische Parteichefin Birgit Gerstorfer lehnt die Idee der Sicherungshaft für Asylwerber ebenso ab wie für Österreicher.
Die oberösterreichische Parteichefin Birgit Gerstorfer lehnt die Idee der Sicherungshaft für Asylwerber ebenso ab wie für Österreicher.APA/HARALD DOSTAL
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Die SPÖ könnte die neuen Pläne von Minister Herbert Kickl (FPÖ) nutzen, um ihr Profil zu schärfen. Doch die Partei sucht noch ihre Linie – und führt es am Beispiel Sicherungshaft vor.

Wien. Die Übung wäre eigentlich eine leichte: Ein Minister, nennen wir ihn Herbert Kickl, schlägt einen umstrittenen Plan vor. Zum Beispiel jenen, potenziell gefährliche Asylwerber in eine sogenannte Sicherungshaft zu nehmen. Die Opposition nutzt die Gelegenheit, um laut dagegen zu protestieren. Um Argumente aufzuzählen, die gegen die Maßnahmen sprechen oder noch ungeklärt sind. Sie kritisiert damit die Koalition – bekommt im Idealfall aber auch öffentliche Aufmerksamkeit und kann ihr Profil beim Wähler schärfen.

Und dann kann man es angehen wie die SPÖ: Nach und nach melden sich prominente Mitglieder der Sozialdemokraten zu Wort – jeder mit einer eigenen, anderen Meinung. Der ehemalige Bundesgeschäftsführer, Max Lercher, formulierte es auf Facebook so: „Was die Partei sich bei der ,Sicherungshaft' gegenseitig über die Medien ausrichtet, kann niemanden freuen – außer unsere Gegner.“ Der alte Streit „zwischen dem angeblich rechten und dem angeblich linken Flügel“ habe die SPÖ „noch nie weiter gebracht“. „Wenn wir uns daran wieder erinnern, dass hier keine politischen Gegner miteinander diskutieren, sondern Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, dann sind wir schon einen guten Schritt weiter.“

Doskozil prescht vor

Dabei hatte sich eigentlich Parteichefin Pamela Rendi-Wagner schon in der Vorwoche zu den Plänen der Regierung geäußert – und zwar vorsichtig skeptisch: Bevor man Verfassungsänderungen plane, müsse man den Anlassfall genau prüfen. Also die tödliche Messerattacke auf den Sozialamtsleiter in Dornbirn. Zunächst solle man eine Task Force einsetzen, dann könne man über Gesetzesänderungen verhandeln.

Der burgenländische SPÖ-Chef, Hans Peter Doskozil, nutzte am Sonntag seinen Auftritt in der ORF-„Pressestunde“, um die Linie zu konterkarieren. Und sogar einen Schritt weiter als Kickl zu gehen: Diese Sicherungshaft sollte wenn, dann für alle Menschen gelten – und eben nicht nur für Asylwerber. Grundlage dafür sei, dass eine unmittelbare Gefahrensituation vorliege, die von einem Psychologen auch so eingeschätzt wird. „Wenn der Preis des Freiheitsentzugs ist, dass unmittelbar ein Leben gerettet wird, da verstehe ich diese Diskussion überhaupt nicht.“ Wiens Bürgermeister, Michael Ludwig, gab Doskozil daraufhin recht: Die Sache gehöre ausführlich diskutiert – und zwar aus Opfersicht. Nur für Asylwerber soll die Sicherungshaft gegebenenfalls aber nicht gelten. Sondern wenn, dann eben für alle Menschen in Österreich.

Diese Aussage dürfte der Kärntner Landeshauptmann, Peter Kaiser, noch nicht gehört haben, als er Doskozils Position als „Einzelmeinung“ abtat. „Ich habe in dem Fall etwas anderes zu sagen“, sagte Kaiser auf die Frage nach seiner Meinung. „Ich möchte nicht, dass man ohne irgendeine tiefergehende Diskussion hier irgendwas beschließt, und auf einmal kann jeder und jede in Österreich kontrolliert werden.“

Koalition hofft auf SPÖ

Und was gibt es sonst für Meinungen in der SPÖ? Die oberösterreichische Parteichefin Birgit Gerstorfer lehnt die Idee der Sicherungshaft für Asylwerber ebenso ab wie für Österreicher. Das hieße, „jemanden als Räuber zu verurteilen, bevor er einen Raub begangen hat“ und falle „eher in die Kategorie indiskutabel“. Es gebe ausreichend andere „gute rechtliche Möglichkeiten“, die man ausschöpfen könne.

Die Meinung der SPÖ ist auch für die Regierung wichtig: Sie benötigt für die Umsetzung ihrer Pläne eine Zweidrittelmehrheit im Parlament. Die Neos haben bereits ihre Zustimmung verweigert, als Partner bleibt also nur noch die SPÖ. Bei der Bestimmung im Verfassungsrang will die Regierung nicht zwischen Österreichern und Asylwerbern unterscheiden, in einem einfachen Gesetz allerdings zusätzlich schon. (red./APA)

AUF EINEN BLICK

Innenminister Herbert Kickl möchte, dass seine Behörden eine sogenannte Sicherungshaft verhängen können, wenn ein Asylwerber eine potenzielle Gefahr darstellt. Erst danach soll ein Richter überprüfen, ob diese Maßnahme verhältnismäßig war. Genaue Pläne oder ein Gesetzesentwurf liegen allerdings noch nicht vor.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.02.2019)

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