Reportage. E-Cards, Abbiegeassistenten, Steuerreform und Karfreitag: Im Nationalrat ging es am Mittwoch um die derzeit umstrittensten Themen. Das merkte auch der Nationalratspräsident.
Irgendwann steht Jörg Leichtfried da, vor seinem Platz, und setzt sich nicht wieder hin. Rund um ihn herum, in den Reihen der SPÖ-Abgeordneten, wird es laut. „So geht das nicht!“, ruft jemand. Ein anderer: „Ich glaub's ja nicht!“ Johannes Jarolim ist besonders böse: „Schwachsinn“ und „das ist ein flegelhaftes Verhalten“, brüllt er dazwischen. Das geht dem Angesprochenen, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), dann doch zu weit: „Jetzt beruhigen Sie sich endlich und nehmen das zurück!“, meint er.
Leichtfried, roter Vize-Klubchef, steht aber noch immer da. „Herr Präsident, was Sie gemacht haben, war parteilich unerhört. Ich verlange jetzt von Ihnen, dass Sie die Sitzung unterbrechen.“ Sobotka kommt seiner Bitte nach, es gibt eine kurze Besprechung mit allen Klubobleuten. Dann geht die Debatte im Nationalrat aber wie geplant weiter.
Plan am Montag versprochen
Was war da los? Noch bevor es im Parlament um Inhalte geht, also die Karfreitagsregelung von Türkis-Blau, wird über die Form diskutiert. Die Regierungsparteien hatten der Opposition eigentlich schon am Montag einen ersten Gesetzesentwurf versprochen. Gekommen ist er aber erst am Dienstagabend kurz vor Mitternacht. Zu wenig Zeit, um schon am Tag danach darüber abzustimmen, findet die SPÖ. Leichtfried plädiert also dafür, den Punkt von der Tagesordnung zu nehmen. Als Sobotka seine Forderung ignoriert, kommt es zu der Aufregung im Plenum.
Wobei die Sozialdemokraten ohnehin nicht damit gerechnet haben dürften, die Abstimmung verhindern zu können. Eine Meinung zur Maßnahme der Regierung haben sie sich auch in der kurzen Zeit gebildet. Und sie haben Anschauungsmaterial mitgebracht: einheitliche Taferln mit einem großen, durchgestrichenen „Feiertag“ darauf, die die Mandatare in die Höhe halten.
Nationalratspräsidentin Anneliese Kitzmüller (FPÖ), die mittlerweile statt Sobotka den Vorsitz bei der Debattenleitung übernommen hat, weist eine Abgeordnete etwas schadenfroh darauf hin, dass sie das Schild verkehrt herum hält. Dann bittet sie die Mandatare, die Taferln wieder wegzuräumen. „Sehr schön, aber wir haben sie jetzt alle gesehen.“
Heikle Tagesordnung
Dass es an diesem Tag in der Hofburg, dem Ausweichquartier des Parlaments, emotional zugehen würde, war zu erwarten. Die Tagesordnungspunkte lasen sich wie eine Liste der derzeit umstrittensten Themen zwischen Koalition und Opposition – nur ohne Misstrauensantrag gegen Innenminister Herbert Kickl (FPÖ). Zuerst ging es im Plenum um die verpflichtende Einführung von Abbiegeassistenten für Lkw, die laut Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) noch nicht kommen soll. Später wurden die Änderung bei der E-Card von den Parlamentariern abgesegnet, unter anderem das verpflichtende Foto. Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) wurde von den Neos zu den Steuerreformplänen der Regierung befragt.
Und dann, am Nachmittag, wurde eben auch über die Abschaffung des Karfreitags als Feiertag für bestimmte Religionsgruppen abgestimmt. ÖVP und FPÖ hatten verschiedene Verteidigungsstrategien für ihren Entwurf vorbereitet: „Wir haben nichts anderes getan, als Gerechtigkeit zu schaffen“, sagte der ehemalige Wirtschaftsbund-Generalsekretär Peter Haubner von der ÖVP. Bisher hätten evangelische und altkatholische Arbeitnehmer 14 Feiertage gehabt und die anderen 13. Diese Ungleichbehandlung habe den EuGH auch zu seinem Urteil veranlasst. Nun gebe es „ein Stück mehr Wahlfreiheit“. FPÖ-Klubchef Walter Rosenkranz war allgemein froh, dass nicht die SPÖ eine Lösung ausarbeiten musste: „Wie heißt das Sprichwort: Da ist es besser, dem Hund eine Knackwurst anzuvertrauen.“
ÖVP und FPÖ sind stark genug
Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) verteidigte vor allem die Unternehmer und den Handel. Sie fragte in das Plenum: „Sorry, wer schafft die Arbeit?“ Als ihr die Antwort der Abgeordneten nicht gefiel, fügte sie hinzu: „Die Wirtschaft schafft sie. Merkt's euch das einmal.“
Am Ende müssen ÖVP und FPÖ aber die Opposition ohnehin nicht überzeugen. Mit ihrer Mehrheit im Parlament können die beiden Regierungsparteien den Karfreitag aus dem Feiertagskalender streichen. Bei der Abstimmung stehen dieses Mal also die Abgeordneten der Freiheitlichen und der Volkspartei auf.
AUF EINEN BLICK
Im Nationalrat wurde über die Karfreitagslösung der Regierung abgestimmt: In Zukunft soll es einen sogenannten persönlichen Feiertag geben, für den Arbeitnehmer aber einen Urlaubstag nehmen müssen. Die SPÖ, Neos und Liste Jetzt protestierten gegen das Vorhaben von ÖVP und FPÖ. Die beiden Parteien brauchen die Stimmen der Opposition aber nicht.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2019)