Mindestsicherung: Die „Märchenstunde“ im Parlament

Sozialministerin Beate Hartinger-Klein.
Sozialministerin Beate Hartinger-Klein.(c) APA/ROLAND SCHLAGER
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Für die Regierung ist die Mindestsicherung ein „Schritt zu mehr Fairness“, für die Opposition ein „Armutsbeschleuniger“. Jedenfalls sorgt sie für hitzige Diskussionen, für die sich manch Abgeordneter geniert.

Wien. Schon beim Titel der aktuellen Stunde am Mittwoch im Parlament waren sich Regierungsparteien und Opposition uneins: „Mindestsicherung neu – mehr Fairness für uns Österreicher statt Zuwanderung in das Sozialsystem“ nannte die FPÖ die Debatte. Es hätte besser „Mindestsicherung neu – Armutsbeschleuniger und -verfestiger“ heißen sollen, meinte die SPÖ. Die Mindestsicherung ist ein Garant für hitzige Debatten.

Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ), die am Mittwochvormittag allein auf der Regierungsbank ausharrte, sprach von einem „Schritt zu mehr Fairness und sozialer Gerechtigkeit“. Endlich werde das hart verdiente Steuergeld nicht mehr an Wirtschaftsflüchtlinge verteilt. Nur Wien – „Eldorado“ jener, die hier noch nicht so lang leben – wehre sich mit „Zähnen und Klauen“ gegen die Reform. Das sei, wie die Ministerin sagte, auch logisch: Weil die rot-grüne Landesregierung die illegale Einwanderung brauche, fördere und auch künftig fördern wolle.

Das sei „die schlechteste, tendenziöseste und unpackbarste Rede“ gewesen, sagte ein empörter SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried. „Ihre Worte waren das Menschenverachtendste, was ich aus ihrem Mund je gehört habe“, meinte auch Parteichefin Pamela Rendi-Wagner. Das Prinzip der Regierung sei eben „tarnen, täuschen und mit dem Finger auf Menschen zeigen“, so Rendi-Wagner. Hartinger-Klein habe beim Kippen des Rauchverbots schon beweisen, dass sie keine Gesundheitsministerin sei, nun sei klar: „Sie sind offenbar auch keine Sozialministerin.“

„Ich geniere mich für das Hohe Haus heute“, meinte Gerald Loacker (Neos). Die Regierung und ihre Abgeordneten würden nur Märchen erzählen. Die Geschichte von den hart arbeitenden Dummen, an deren Armut die Ausländerfamilien mit ihren zahlreichen Kindern schuld seien, sei nicht mehr als ein Märchen der Regierung. Die Zahlen würden eine andere Sprache sprechen. Unter den Mindestsicherungsbeziehern seien viele Alleinstehende, Alleinerzieher und Aufstocker.

Diese Argumente der Opposition waren für FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus wiederum nur ein Musterbeispiel dafür, dass man „Märchen, die man selbst erzählt, irgendwann auch glaubt“. Generell sei die Aufregung, wie ÖVP-Klubobmann August Wöginger sagte, nur der Beweis dafür, „dass wir auf dem richtigen Weg sind“.

Sollte Wien, das einst mit einem Boykott der von der Bundesregierung geplanten Mindestsicherungsregelung drohte, das Gesetz tatsächlich nicht vollziehen, „werden wir es beim Finanzausgleich sanktionieren“, so Wöginger. Eigentlich solle Wien der Regierung für die Reform dankbar sein. So würde die Stadt nicht weiter der bundesweite Sozialmagnet sein.

In der Hauptstadt selbst sah man das freilich anders. „Das ist faktisch einmalig, dass allen Ernstes ein Politiker sich hinsetzt und sagt, der Sozialstadtrat solle dankbar sein, dass man den Armen weniger Geld gibt. Das ist ungeheuerlich“, meinte Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ). Die angedrohten Sanktionen im Finanzausgleich hält er für einen Gesetzesbruch.

Pflegefinanzierung offen

Neben der Mindestsicherung wurden am Mittwoch noch zwei weitere kontroversielle Themen im Nationalrat diskutiert: das „Don't smoke“-Volksbegehren (es wurde ad acta gelegt) und die Pflege. Die SPÖ hatte einen dringlichen Antrag zur Pflege eingebracht und von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) eine Antwort darauf, wie das System künftig finanziert werden soll, gefordert. Durch Steuern oder eine Pflegeversicherung? Klare Antwort gab es keine. Aber eine Mahnung: Das Thema Pflege solle man nicht zum Schüren von Ängsten verwenden. Für hitzige Debatten im Parlament eignet sich aber auch dieses.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.03.2019)

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