Der Ex-ÖVP-Chef, dessen Buch „Haltung“ bereits ausverkauft ist, ortet Österreich auf dem Weg in eine „autoritäre Demokratie". Staatssekretärin Edtstadler kritisiert ihn, SPÖ-Bundesgeschäftsführer Drozda dankt für das „Lüften“ des Vorhangs.
Er hatte sich den 17. April ausgesucht - den offiziellen Gründungstag der ÖVP -, um sein Buch „Haltung“ vorzustellen, in dem er über Mobbing, Intrigen und eine geplante Machtübernahme innerhalb der Volkspartei berichtet. Die Rede ist von dem früheren Vizekanzler und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner, der vor zwei Jahren zurückgetreten ist. Nun präsentierte er eine Abrechnung, insbesondere mit seinem Amtsnachfolger Sebastian Kurz - auch wenn er das Buch offiziell nicht als solche, sondern vielmehr als „Klarstellung" verstanden haben will.
Auf die Buchpräsentation folgte ein Schweigen seitens der Bundespartei und ein Stellungbeziehen von ehemaligen Parteichefs: Josef Pröll und Michael Spindelegger unterstellten Mitterlehner „verletzte Eitelkeit“ und erklärten, dessen Abgang sei keine Intrige, „sondern die Rettung der Volkspartei" gewesen.
Auftrag für zweite Auflage erteilt
Am selben Abend wurde die Causa um eine weitere Facette reicher: In der ORF-Sendung „ZiB2“ war Mitterlehner zu Gast bei Moderator Armin Wolf und erklärte, angesprochen auf die Kritik: „Das hat mich eigentlich nicht überrascht, ich kenne ja die Parteigepflogenheiten", ortete er einen „relativ orchestrierten Vorgang“ auf den er nicht im Detail eingehen wolle. Nur so viel: „Offensichtlich habe ich auch die Themen richtig getroffen und ich kann nur sagen: Der Verlag freut sich, die Verkaufszahlen gehen in die Höhe - mir ist es egal.“
Tatsächlich gingen die Zahlen so weit in die Höhe, dass die „Tiroler Tageszeitung“ in ihrer Freitagsausgabe vom nahenden Ausverkauf der Startauflage berichtet. Das Buch, wovon 10.000 Stück im Salzburger Ecowin-Verlag erschienen sind, sei so gut wie ausverkauft. In der - stündlich aktualisierten - Amazon-Bestsellerliste schaffte es „Haltung: Flagge zeigen in Leben und Politik“ schon am Donnerstag auf Platz acht.
Weiters heißt es: Der Verlag soll bereits den Auftrag für die zweite Auflage erteilt haben, sodass in den nächsten Tagen die Buchhandlungen wieder beliefert werden können.
Edtstadler: „Das stimmt einfach nicht"
Nicht nur in den Büchereien, auch auf dem innenpolitischen Parkett beschäftigt das Buch weiter: ÖVP-Staatssekretärin Karoline Edtstadler - Listenzweite für die EU-Wahl - glaubt nicht, dass es den EU-Wahlkampf stört. Aber sie trat im Interview mit den „Oberösterreichischen Nachrichten" einem Befund Mitterlehners entgegen: „Wie er darauf kommt, dass Österreich auf dem Weg in eine autoritäre Demokratie ist, verstehe ich überhaupt nicht. Das stimmt einfach nicht."
Im „Standard“ meldete sich indes ein weiterer Altparteichef zu Wort: Josef Riegler nennt Mitterlehners Vorgangsweise dort „unmöglich, parteischädigend und illoyal". Und zwar: „Menschlich gegenüber Sebastian Kurz, den ich insgesamt unterstütze, aber auch der Partei und der jetzigen Arbeit gegenüber.“ Ex-ÖVP-Chef Erhard Busek bewertet Mitterlehners Buchaktion hingegen als „menschlich verständlich, im Moment aber nicht sehr nützlich“.
SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda rechnete es Mitterlehner unterdessen hoch an, „dass er den Vorhang gelüftet" hat - denn: „Was Kurz getan hat, war Meuchelmord hinter dem Vorhang, das war eine der verlogensten Darbietungen der Politik." Den Vergleich mit der Demontage Werner Faymanns in der SPÖ ließ er im „Tiroler Tageszeitungs"-Interview nicht gelten, da gebe es „einen großen Unterschied".
Reinhold Mitterlehner hat mit seiner Kritik an Sebastian Kurz einen Nerv getroffen. Auch in der Volkspartei. Vor allem viele Christlich-Soziale stört, dass der Kanzler die FPÖ gewähren lässt.
Von Mock bis Brandstetter. Minister, Verfassungsrichter, Raiffeisen-Obmann: Nicht alle Spitzenfunktionäre der ÖVP machten nach dem Ausscheiden aus der Regierung sofort Karriere. Die Unterstützung der Nachfolger blieb oft spärlich.
Was passierte, als Sebastian Kurz die Macht übernahm? Reinhold Mitterlehner nennt sein Buch eine „zeithistorische Aufarbeitung“, für Kritiker ist es ein Produkt „verletzter Eitelkeit“. Es ist vor allem ein Appell an Christlich-Soziale.
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